Heinz Strunk: "Jürgen"

Hilflose Suche nach einem kleinen bisschen Glück

Heinz Strunk, bürgerlich Mathias Hlalfpape, Künstler des Trios "Studio Braun", lacht in die Kamera.
Heinz Strunk: Nach dem Erfolg von "Der goldene Handschuh" folgt nun "Jürgen" © picture-alliance/ dpa/ Daniel Reinahrdt
Von Wolfgang Schneider · 31.03.2017
Heinz Strunk beschäftigt sich in seinem neuen Roman erneut mit Männern, die nichts reißen. In diesem Fall: nichts aufreißen. Doch der Ton ist anders als in vorherigen Werken: Für die Hauptperson Jürgen ist das Glas immer halbvoll.
Partnersuche ist ein gefährliches Kollisionsgebiet. Was kann da nicht alles heillos zusammenprallen! Zum Beispiel: Anspruch und Wirklichkeit. Kaum ein anderer Autor hat sich den Beziehungsanbahnungsunfällen so monomanisch verschrieben wie Heinz Strunk.
Sein gefeierter letzter Roman "Der goldene Handschuh" war eine radikale Erkundung existenzieller Kaputtheit und menschlicher Verzweiflung. Verglichen mit dem Frauenmörder Fritz Honka ist Strunks neue Hauptfigur Jürgen Dose kein Monstrum, sondern nur der nette Looser von nebenan. Von Beruf Parkwächter "im größten Parkhaus Europas", lebt der Mittvierziger in einer kleinen Wohnung in Hamburg-Harburg, in die er auch seine zum Pflegefall gewordene Mutter geholt hat, um ihr das Heim zu ersparen.

Frauen gibt es für Jürgen nur in der Vergangenheit

Frauenbekanntschaften gehören für Jürgen der Vergangenheit an, aber er hofft auf Besserung und nutzt unterdessen die Krankenschwestern zum Flirttraining. Sein Mitstreiter bei der Frauensuche ist sein alter Freund Bernd Würmer, der nach einer Kette familiärer Katastrophen im Rollstuhl sitzt und die lebende Gewissheit dafür ist, dass es immer noch schlimmer kommen kann.
Kontaktanzeigen, Speed-Dating, eine Reise nach Polen mit einer windigen Partnervermittlungsagentur namens "Eurolove" – es geht alles grotesk schief. Dafür brilliert die Strunksche Tragikomik, wenn für Jürgen zum Beispiel das wochenlang herbeigesehnte Date mit Manuela zum Kaltbad der Ernüchterung wird.
Man scheint diesen Jürgen aus früheren Werken des Autors zu kennen. Und doch ist er anders, dezenter. Er gehört zu denen, für die das Glas nicht halb leer, sondern halb voll ist – selbst wenn es tatsächlich kaum viertelvoll sein sollte.

Zu viel Ratgeberliteratur

Er ist keiner, der jammert, dafür hat er zu viel Ratgeberliteratur gelesen: Auf die positive Ausstrahlung kommt es an! Und deshalb ist diese Ich-Suada eines Erfolglosen im chronischen Aufmunterungston geschrieben. Die Sprache der von Jürgen studierten Selbstoptimierungsbücher mischt sich mit Mutters Weisheiten und den mehr oder weniger abgedroschenen Sprüchen, mit denen sich Männer auf der Schattenseite des Lebens auf die hängenden Schultern klopfen.
Derbheiten dagegen mag Jürgen weniger und beklagt bei Freund Bernd die unflätigen Ausdrucksweisen. Mit "Jürgen" scheint Strunk die Ästhetik des Ekels und des Kaputten verabschieden zu wollen. Natürlich bemerkt man bald die falschen Töne dieses unzuverlässigen Erzählers, etwa wenn er sein frisch für die Polenreise eingekauftes Outfit in Eierschalenbeige preist und man nur denkt: So kann das ja nichts werden.

Strunks Charaktere kommen sonst kaum vor in der Literatur

Strunks Romane bevölkern Charaktere, die mit ihren Beschränktheiten und Deformationen sonst in der Literatur kaum vorkommen. "Jürgen" greift dabei vieles wieder auf, was man aus den früheren Büchern des Autors kennt, es gibt allerhand Zweitverwertung, wie die Esoterik-Comedy über die "Pawlowschen Felder".
So ist das nun einmal: Schriftsteller, auf jeden Fall die besseren, haben ihre Motive und Themen, die sie immer von neuem durchspielen und variieren. Manche mögen das als Recycling beklagen, was aber eher darauf schließen lässt, dass ihnen die ganze Richtung nicht passt.
Wer Strunk schätzt, wird auch "Jürgen" mögen.

Heinz Strunk: "Jürgen"
Rowohlt Verlag, Reinbek 2017
255 Seiten, 19,95 Euro

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