Heimisch in Parallelwelten

Von Alexandra Wach · 18.05.2009
Gerade ist ihr Frauenporträt "Die Besucherin" in den Kinos angelaufen. Das Debüt der 1980 in München geborenen Filmregisseurin Lola Randl handelt von einer lebensmüden Wissenschaftlerin, die auf eine Wohnung aufpassen muss und neben einem fremden Mann aufwacht.
Lola Randl: "Man ist so hypersensibel, man hört jeden Huster, man ist so angespannt, dass man fast nicht hinschauen kann."

Lola Randl ist nervös. Am Abend steht die Premiere ihres ersten Kinofilms an. Die 28-Jährige redet munter drauf los, fast dankbar für die Ablenkung. In einem Kölner Hotel in der Innenstadt gibt sie Interviews. Die Stadt ist ihr vertraut. Als Studentin an der Kunsthochschule für Medien machte sie hier ihre ersten Gehversuche. Daran kann sie sich gut erinnern, an die Erleichterung beim Drehen:

"Wenn auf einmal durch die ganzen verschiedenen Kräfte, die da zusammenwirken etwas Neues entsteht, wo man dann um vier Uhr sehr ko sehr glücklich miteinander Bier trinkt."

Lola Randl ist ein androgyner Typ. Da sitzt sie mit kurzen braunen Haaren, in weißer Bluse und dunkler Jeans. Mit der auffälligen Hornbrille wirkt sie intellektuell, fast wie eine weibliche Variante von Woody Allen. Sie erzählt komische Anekdoten, schweift ab, aber wenn es um ihren Film geht, ist sie ganz konzentriert bei der Sache. In "Die Besucherin" geht es um eine Neurowissenschaftlerin:

"… die sehr viel arbeitet, die ihre Familie ernährt, sie hat einen Schriftstellermann, der da zu Hause rum tut, und sie hat eine Schwester, die anders ist als sie."

Die gibt ihr einen Schlüssel in eine Parallelwelt, in die Kölner Wohnung eines Bekannten, die Blumen müssen gegossen, der Papagei gefüttert werden.

"Diese Wohnung wirkt einen Reiz auf sie aus, so dass sie immer wieder kommt, bis der Mann wieder nach Hause kommt und diese Frau in seinem Bett liegen sieht und diese beiden beginnen eine sehr eigentümliche Beziehung."

Erst kommt der Sex, dann das Gespräch in der Küche. Und das fällt förmlich aus.

Szene aus dem Film:
" Besucherin: Eigentlich hatte meine Schwester die Schlüssel und die hatte sie glaube ich von einer Freundin, die dann verreist ist bzw. ich weiß jetzt gar nicht, wahrscheinlich hatten Sie ihr die Schlüssel gegeben und sie sie..., dann..., der Vogel ist tot.

Mann: Ja, stimmt. Übrigens, mir wäre es lieber, Sie würden die Schlüssel behalten. Weiß nicht, ob ich hier bleiben werde."

Das leise, mit präzisen Bildern erzählte Frauenporträt fand auf Anhieb den Weg in die Berlinale-Reihe "Perspektive Deutsches Kino". Anders hat es die Nachwuchsregisseurin auch nicht erwartet. Das sei ihr fast peinlich, ehrgeizig möchte sie nicht wirken, erzählt sie stark gestikulierend, das erinnert sie zu sehr an ihre als gefühlskalte Perfektionistin skizzierte Heldin. Die Sorge ist unbegründet. Dafür lässt sie zu oft Selbstzweifel durchblicken, etwa wenn manche Filmkritiker ihrer langsamen Erzählweise nichts abgewinnen können:

"Mir sind diese sehr plotgesteuerten Geschichten, die hauen mich eher raus als dass sie mich reinziehen. Der Film kommt ins Fliegen und ich bin froh, dass er fliegen kann überhaupt. Ich weiß, dass er sich mit einer gewissen Langsamkeit aufbaut, und die muss man natürlich mittragen, da darf man nicht nervös werden."

Die geborene Münchnerin hat Erfahrung mit Parallelwelten. Aufgewachsen ist sie in der Oberpfalz im Osten Bayerns in einer Öko-Kommune. Die Mutter arbeitet als Landschaftsarchitektin, der Vater ist Musiker, ein unsteter Künstler eben, sagt sie mit einem liebevollen Lächeln, auch über die vielen Verbote, die ihre Kindheit damals prägten. Nutella, Barbiepuppen und die katholische Kirche waren in der alternativen Gemeinschaft tabu:

"Ich hatte keinen Grund gegen meine Eltern aufzubegehren. Was man dann ja auch vermisst. Das macht man dann, egal was die meinen, nur ist es dann komisch, weil man eigentlich der selben Meinung ist."

Als sie in der Pubertät mit der Videokamera experimentierte, hinterließ das bei den Eltern keinen großen Eindruck. Vielleicht machte sie genau deswegen weiter. Das Kino ist für sie ohnehin die beste aller Parallelwelten. Hier kann sie sich zurückziehen, in das Leben anderer eintauchen und das machen, was sie am liebsten mag: Geschichten über sonderbare, traurige Zeitgenossen erzählen.

"Wenn man jetzt Filmemacher wird, dann denkt man manchmal, es wäre doch toll gewesen, hätte ich mich da durchsetzen müssen gegen die Eltern und die hätten gewollt, ich wäre Apothekerin geworden, und ich hätte sagen müssen, nein, ich habe diesen großen Traum, aber mir kommt es oft schwieriger vor, wenn man nicht diese äußeren Widerstände hat, aber na ja, ist wahrscheinlich alles gleich schwierig."

Der Start in den Beruf lief für Lola Randl jedenfalls glatt. Ein neues Drehbuch ist bereits in Arbeit. Sie lebt sparsam, aber ohne Not von dem Fördergeld in Berlin-Prenzlauer Berg. Natürlich ist es wieder ein Autorenfilm für die magische große Leinwand. Fürs Fernsehen ist sie sich zu schade.

"Ich hoffe, dass ich nicht etwas machen muss, was ich nicht machen will. Weil dazu habe ich tatsächlich keine Lust. Ich habe kein Problem dran zu bleiben. Es ist eher die Frage, wie es aufs Papier kommt. Aus dem Schrecken der momentanen Situation heraus. So bald ich zu Hause alleine sitze, freue ich mich unheimlich, wenn das erste Team kommt und ich aus der Idee etwas machen kann."