Heimatgeschichten in Comic-Format

Von Tonia Koch · 19.11.2008
Der saarländische Zeichner Bernd Kissel hat sich den Sagen und Märchen seiner Heimat verschrieben. Er illustriert Zwerge, Geister, Könige, Klosterbrüder und Müllerstöchter. Bisher erschienen seine Geschichten allwöchentlich in der "Saarbrücker Zeitung". Aus dem Zeitungsprojekt sind inzwischen zwei Comic-Bände mit dem Titel "Saar-Legenden" hervorgegangen, ganz im Stile belgischer Vorbilder.
Bernd Kissel: "Wenn man in anderen Welten lebt - rein geistig gesehen natürlich - dann hat man eine Heimat, in der man sich wohlfühlt. Und von Kindesbeinen an waren es für mich phantastische Welten, in denen es auch phantastische Elemente gibt, die koexistieren mit den realen. Das ist eine große Inspirationsquelle und eine schöne Sache."

Die reale Welt des Zeichners Bernd Kissel markiert die saarländische Provinz. Sein Elternhaus. Erbaut in den 70er Jahren hat er es nach dem Verlust der Eltern unverändert gelassen. Auch die phantastischen Helden seiner Kindheit sind die gleichen geblieben. Von den Wänden des Büros grüßen Indiana Jones, die Sagengestalten von Narnia, Harry Potter. Im Regal ein schwarzer Hexenhut, eine Charlie Chaplin Figur, in der Ecke ein Saxofon. Seine musikalische Vorliebe gilt der Filmmusik.

Symphonische Filmmusiken sind wie seine Zeichnungen Teil seiner Parallelwelten. Darin hat er viele Stunden verbracht. Denn als Kind war der heute 30-Jährige oft allein. Mit fünf Jahren verlor der Sohn eines Metzgers den Vater, mit 20 die Mutter. Ihr verdankt er viel.

"Meine Mutter war stolz und froh mit den Zeichnungen und hat sie ausgestellt in der Metzgerei und die Leute, die dort eingekauft haben, darauf hingewiesen, dass da was hängt, was man sich anschauen sollte. Als Kind ist man dann natürlich stolz und macht noch mehr. Meine Mutter war tatsächlich eine große Unterstützung für mich und hat nie den Satz gesagt: Junge lern' was Anständiges."

Sein Handwerk hat Bernd Kissel nach dem Abitur in Luxemburg erlernt. Zunächst am Lycee technique des arts et metiers, einer Fachhochschule für Zeichentrickfilme und danach in einem Trickfilmstudio. Für Kissel, der von sich sagt:

"Ich würde mich selbst als Perfektionisten bezeichnen."

war das Zeichnen am Fließband eine tägliche Herausforderung. Jeden Abend hätten die überwiegend amerikanischen Auftraggeber ein Ergebnis sehen wollen. Der ständige Druck - so Kissel - habe ihn jedoch auch etwas gelehrt:

"Dass ich meinem ersten kreativen Gedanken mehr vertrauen sollte."

Mit diesem Vertrauen ausgestattet, hat er nach acht Jahren dem Studio den Rücken gekehrt und bringt seit zwei Jahren Sagen und Märchen aufs Papier, die in seiner saarländischen Heimat ihren Ursprung haben.

"Es ist von einem Saarländer für Saarländer gemacht. Aber er ist auch für andere Bundesländer tauglich, weil Sagen sich durch das ganze Land hindurch ziehen und sich auch wiederholen."

Kissel bedient sich bei Karl Lohmeyer. Der Heidelberger Kunsthistoriker hat Sagen und Überlieferungen aus der Region zusammengetragen und 1920 erstmals veröffentlicht. Die Wiesbacher Müllerstochter, Varus der römische Statthalter oder auch der Pifferjokob, ein gewiefter Vogelhändler zu Zeiten der barocken Fürsten, sie alle spielen Hauptrollen im saarländischen Sagenschatz. Kissel illustriert die Figuren und manch einer hat sich da schon wiedererkannt.

"Es gibt Karikaturen von echten Saarländern in dieser Reihe, die aber nur auffallen, wenn man die Leute auch wirklich kennt. Also, dass man sieht, den kenn' ich doch, wenn das den Lesern der Saar-Legenden ab und an passiert, dass sie einen Aha-Effekt haben, dann ist das vielleicht kein Zufall."

Seit 2007 erscheinen seine Comics unter dem Titel Saar-Legenden wöchentlich in der Saarbrücker Zeitung. Sie sind damit einem breiten Publikum bekannt. Und das nimmt Anteil. Die Leute schicken Bernd Kissel Porträtfotos oder Bildmaterial historischer Orte, in der Hoffnung, es möge sich auszahlen.

Zuweilen bereist Kissel die Orte, an denen die alten Sagen gespielt haben sollen und lässt sich von Heimatkundigen Details zeigen. Das erfordert sein naturalistischer Karikaturstil. Tim und Struppi oder Lucky Luke - die bekannten Figuren der franco belgischen Schule - zählen zu seinen Vorbildern.

"Der Strich ist wichtig."

Der gutmütige König wird mit der Knollennase ausgestattet. Je spitzer die Züge hingegen, desto verschlagener oder bösartiger wirken Kissels Legenden-Darsteller. Auch Farben sind für den Zeichner ein wichtiges Gestaltungsmittel. Knallige Effekte sind tabu. Kissels wichtigstes Utensil ist ein blauer Buntstift.

"Der blaue Strich lässt sich gut modellieren. Wenn man am Anfang zwar eine Idee davon hat, wie die Figur auszusehen hat, aber noch nicht so genau weiß, ob es auch funktioniert, was man sich vorstellt, dann modelliere ich das zunächst grob mit dem blauen Stift."

Kissel möchte auch historische Stoffe in Comic-Form aufarbeiten. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen. Der Zeichner wohnt und arbeitet nur einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt und lebt mit einer Französin zusammen. Was läge da näher, als auf die Grenze zu schauen, eben auf die geliebte Provinz.

"Ich bin sehr heimatverbunden. Ich reise zum Beispiel nicht gerne. Ich lebe gern hier in meinem kleinen Dorf. Ich brauch' das als Inspirationsquelle und als eine Art Sicherheit."