Heimat

Wo das Morgenrot ein Albtraum ist

Weißblaue Rautenschuhe, in München (Bayern) zu sehen.
Lokalpatriotismus bis in die Fußspitzen: weißblaue Rautenschuhe in der bayerischen Landeshauptstadt München. © picture alliance / dpa / Foto: Felix Hörhager
Von Michael Watzke · 11.06.2014
Ganz traditionsbewusste Baiern schreiben sich mit i, fast in jedem Bayer steckt wohl auch ein kleiner Anarchist und die Hauptstadt der Herzen ist nicht München sondern Regensburg. Ein kleines bayerisches Lexikon.
B wie Bundespolitikstichler
Wenn eines zählt im Freistaat Bayern, dann ist es: der Freistaat Bayern.
Collage Horst Seehofer:"Bayern, Bayern, Bayern , Bayern, Bayern, Freistaat Bayern.“
Bayerns Einzigartigkeit hat vor allem ein Mann verinnerlicht: der bayerische Ministerpräsident. Wer Horst Seehofer beim Singen der Bayernhymne beobachtet, der bemerkt, dass der Landesvater eine besondere Haltung einnimmt. Der 1,95-Meter-Mann reckt das Kinn noch ein wenig höher und drückt die Brust noch ein wenig weiter heraus. Der Regierungs-Chef zeigt schon äußerlich Inbrunst für den Freistaat.
"Ein wunderbares Land. Das beste Bundesland in Deutschland.“
Patrona Bavariae. Das wird ein bayerischer Ministerpräsident qua Amt. Ob Franz Josef Strauß oder Edmund Stoiber – sie waren stets und zuerst Schutzherren bajuwarischer Interessen.
Seehofer: "Bayern kommt zuerst, das ist wahr. Und das ist mein Auftrag. Wenn’s um bayerische Interessen geht, ist es meine erste Pflicht, diese bayerischen Interessen in Berlin zum Tragen zu bringen. Und nichts haben die Bayern weniger lieb, als wenn Bayern in Berlin lahmt.“
Um das zu verhindern, hat Seehofer eine politische Strategie entwickelt, die Gutmeinende als "geschmeidig“ bezeichnen. Der CSU-Chef nimmt stets jene Position ein, die den größten Nutzen für Bayern und damit für ihn verspricht. Weniger Wohlmeinende nennen diese Strategie "opportunistisch“. Der Münchner Politikprofessor Werner Weidenfeld:
"Zu Seehofers Politikprofil gehört natürlich, von Position zu Position zu springen. Ich darf Sie daran erinnern, als Guttenberg die Bundeswehr-Reform ankündigte, hat Seehofer erklärt: ´Nein, das gibt es nicht. Das verletzt die Identität der CSU.` Vier Wochen später, als er merkte, dass alle Guttenberg folgen, war er auch dafür. Die CSU hat die Reform mit vorangetrieben. Das ist schon ein gewisses Taumeln, in dem sich die CSU befindet.“
Was Kritiker wie Werner Weidenfeld nicht bedenken: Seehofers taumelnde Zickzack-Haltung ist ur-bayrisch. Das beweist ein Blick in die bajuwarische Geschichte. Ludwig, Maximilian, Luitpold – Könige wie Regenten, alle waren sie begnadete Opportunisten. Seehofer selbst bewundert die großen bayrischen Staatenlenker, die sich stets nach der aktuellen Großwetterlage richteten.
Seehofer: "Bayern war immer auf der Seite der Sieger gestanden. Und wenn wir mal nicht gesiegt haben, haben wir die Seiten gewechselt.“
So läuft das im Freistaat – einmal Bayer, immer Bayer!
Seehofer: "Wir sind ohnehin die Nummer 1 in Deutschland!“
Keine falsche Bescheidenheit
Manchmal wird selbst den Bayern mulmig bei so viel Unbescheidenheit. Schließlich besteht Deutschland, wie man an der Besetzung des Deutschen Bundesrates ablesen kann, nicht aus einem, sondern aus 16 Bundesländern. Und es kann einem Bayern ja durchaus passieren, dass er durch widrige Umstände jenes südlichste Bundesland, in dem er geboren wurde, verlassen muss. Richtung Sachsen, Brandenburg oder vielleicht sogar – Gott bewahre! – nach Nordrhein-Westfalen! Dann könnte sich die Maxime "Bayern zuerst“ am Ende noch gegen die Bayern wenden. Horst Seehofer aber will keine falsche Bescheidenheit.
Seehofer: "Wir leben im Paradies, meine Damen und Herren.“
Wenn Bayern das Paradies ist, dann sieht sich Horst Seehofer als der Erzengel Gabriel, der mit flammendem Schwert den bajuwarischen Garten Eden bewacht. Ihn vor allen Gefahren beschützt – ob vor Länderfinanzausgleich, Einheitsschulen oder schlechtem Bier. Denn das ist die Pflicht jedes CSU-Chefs, sagt Politik-Experte Werner Weidenfeld
"Das macht den Erfolg der CSU über die Jahrzehnte aus. Sie darf nie auf Bundesebene klein beigeben, sondern kraftvoll dagegenhalten. Egal, ob sie in der Regierung oder der Opposition ist. Und gleichzeitig muss sie eine erfolgreich ausstrahlende Landespolitik machen. Das muss die Ambition der CSU sein, wenn sie mittelfristig erfolgreich bleiben will.“
Derzeit sieht es eher nicht danach aus, als könnte die CSU langfristig erfolgreich bleiben. Der Seehofer-Effekt nutzt sich ab. Sowohl bei den bayerischen Wählern als auch in den eigenen Reiher der Partei. In Berlin wird Seehofer von vielen längst nicht mehr ernst genommen. "Welcher Seehofer?“ fragen sie, wenn sie die neueste Volte des bayerischen Ministerpräsidenten kommentieren sollen. Und in München erinnern sich viele an den seligen Franz-Josef Strauß, der den CSU-Wähler einst so beschrieb:
"Der weiß, warum er uns wählt. Der weiß, wofür wir stehen und dass wir das sagen, was wir denken. Dass wir das tun, was wir sagen. Und dass man sich auf uns verlassen kann.“
Ob die CSU unter Franz Josef Strauß das wirklich einhielt, steht auf einem anderen Blatt. Von der Seehofer-CSU allerdings erwartet man Zuverlässigkeit gar nicht erst. Wobei: das kann ja auch ein Vorteil sein.
A wie Anarchie
Der Bau-Unternehmer Franz Donaubauer aus dem niederbayerischen Thurmansbang braucht ziemlich häufig einen Presslufthammer:
Der Granit prägt das Ortsbild von Thurmansbang im Bayerischen Wald. In den Saltenburger Granitstollen könnte man auch Atommüll lagern, sagen Experten. Deshalb war der kleine Ort mal als Endlagerstätte im Gespräch. Wer die Bürger von Thurmannsbang darauf anspricht, sollte besser in Deckung gehen.
Bürger: "Bei uns nicht. Wir wehren uns da mit Händen und Füßen.“ / "Da wird der kreuzbrave Niederbayer so kreuznarrisch, dass die ganz schnell einen Rückzieher machen.“ / "Keiner will den Dreck hier haben.“ / "Nein, auf keinen Fall!“ / "Bei uns nicht. Wir wehren uns da mit Händen und Füßen.“
Thurmansbang liegt nicht weit entfernt von Wackersdorf. Dort wollte Franz Josef Strauß 1986 eine atomare Wiederaufbereitungs-Anlage bauen. Das Projekt stieß granitharten Widerstand der Oberpfälzer...
Der Energie-Erzeuger VEBA gab die WAA-Pläne schließlich auf. Zum Ärger von Franz Josef Strauß, der die Demonstranten mit ihren "Stoppt den WAAhnsinn“-Plakaten als Rot-Anarchisten bezeichnete.
Franz Josef Strauss:"Wenn Ihr schon kein Hirn habt, haltet wenigstens das Maul. Dieses dämliche Gequatsche eines politisierenden Beatles! Was glauben Sie denn, Sie Pilzkopf!“
Die Bayern forderten die Obrigkeit heraus
Der brave Bayer – er ist ein überholtes Klischee. Der heutige Bayer ist viel häufiger ein Wutbürger. In diesen Tagen protestieren landauf, landab tausende Bajuwaren gegen neue Stromtrassen. Der Widerstand trägt geradezu anarchische Züge und ist genauso heftig wie die wütenden Proteste gegen die Dritte Startbahn am Münchner Flughafen oder gegen ein Pumpspeicher-Kraftwerk auf dem Jochberg am Alpenrand.
Die Bayern forderten die Obrigkeit schon immer gern heraus. Berühmt ist der Münchner Kutscher Xaver Krenkl, der im Englischen Garten mit seinem Fuhrwerk die Kutsche Ludwigs des Ersten überholte und dem König dabei zurief: "Wer ko, der ko!“ – was damals als unglaubliche Dreistigkeit galt und den Kutscher prompt zum Volkshelden machte. Legendär ist auch der oberbayerische Wilderer Georg "Girgl“ Jennerwein. Ihn betrachten viele Bayern als "Robin Hood der Alpen“.
Jennerwein Lied: "Ein stolzer Schütz in seinen besten Jahren / der wurde weggeputzt von dieser Erd’! / Man fand ihn erst am neunten Tage / auf Hohenpeißenberg beim Tegernsee.“
Weil der Jennerwein-Girgl 1877 mit einer Schussverletzung im Rücken tot aufgefunden wurde, gilt er bis heute als Symbol der Auflehnung gegen die Obrigkeit. Im Heimatmuseum Schliersee ist ihm ein ganzer Raum gewidmet. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist ein heimlicher Fan des Georg Jennerwein und seiner Wildererfreunde.
"Gerade in der Historie, wenn man sich das ansieht, klar, das waren im Zweifelsfall immer die Besseren. Und die Förster und Jäger waren eigentlich eher auf der Loser-Seite.“
Dass die oberbayerische CSU-Chefin mit einem "Wuiderer“ sympathisiert, überrascht nur auf den ersten Blick. Denn tief im Innern, so sagt der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein, bestehe auch die CSU aus lauter Anarchisten.
Beckstein: "Wir sind eine anarchische Partei und lieben einen starken Anarchen. Horst Seehofer ist ein starker Anarch. Aber in der Politik gibt es nichts, was man auf einem Bankkonto sicher hat. Schon nächste Woche kann es ganz anders sein.“
Jennerwein Lied: "Und auf den Bergen, ja da ruft die Freiheit / ja auf den Bergen ist es gar so schön. / Dort, wo auf grauenhafte Weise / der Jennerwein zugrund’ muss gehn!“
Dem Jennerwein widmeten die Bayern am Schliersee ein Marterl. So heißt das kleine Erinnerungs-Kreuz mit einem Bildnis des Wilderers. Mal sehen, welches Marterl die Bayern einst dem Anarchen Horst Seehofer widmen werden.
I wie in Baiern
Es ist nur ein kleines, orthografisches Detail. Ein bajuwarischer i-Punkt sozusagen. Aber es verrät eine Menge über einen Bayern, wenn er sein geliebtes Heimatland nicht mit y, sondern mit i schreibt. So, wie es die Bayern-Partei manchmal auf ihren Wahlplakaten ausbuchstabiert. Baiern mit i fühlen sich meist noch bairischer als normale Bayern. Sie lassen auch gleich noch das e in bairisch weg, sprechen es "boarisch“ aus – und schreiben das ganze in alt-bairischer Schrift. Als Nicht-Bayer (gesprochen: Bair) sollte man Vorsicht walten lassen mit solchen Bayern. Als Begrüßung empfiehlt sich statt "Hallo“ oder "Moin moin“ eher ein "Grüßgott“ oder "Grias di“.
Teilnehmer des Kötztinger Pfingstritts reiten am 09.06.2014 mit ihren Pferden nahe Bad Kötzting (Bayern). Die Prozession mit rund 900 Reitern zählt zu den ältesten bayerischen Brauchtumsveranstaltungen. Bei dem Bittgang im Sattel von prächtig geschmückten Pferden pilgern die "Mannerleut" von Kötzting zur rund sieben Kilometer entfernten Nikolauskirche in Steinbühl.
Rund 900 Teilnehmer des Kötztinger Pfingstritts. Die Prozession zählt zu den ältesten bayerischen Brauchtumsveranstaltungen.© picture alliance / dpa / Foto: Armin Weigel
Baiern mit i – das war bis zum Ende des 19.Jahrhunderts die gängige Schreibweise. Angelehnt an das Stammes-Herzogtum Baiern (mit i), dessen Ursprünge man bis ins Jahr 551 zurückverfolgen kann. Das Geschlecht der Agilofinger hatte seinen Stammsitz im oberpfälzischen Regensburg. In der Gotengeschichte des Jordanes heißt es: "Jenes Gebiet […] hat im Westen die Franken, im Osten aber die Baiern…“ Dass Jordanes die Baiern mit i schrieb, was durchaus kein Rechtschreibfehler. Die Baiuwaren legten damals Wert auf ein i-Tüpfelchen statt aufs Ypsilon. Das Jott war in Bayern völlig unüblich.
Wer heutzutage von Baiern mit i spricht, ist meist ein Altbayer. Das bezieht sich nicht auf sein Alter oder die Historie, sondern auf die Region Altbayern. Sie umfasst die Landesbezirke Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz. In diesen drei Regionen sprechen viele Menschen immer noch altbairische Mundart und fühlen sich der kulturellen Tradition des Stammes der Bajuwaren verbunden. Die restlichen Bayern – also Franken, Schwaben und Allgäuer – schütteln da meist grinsend den Kopf. Aber viele Altbayern fühlen sich als die echten, wahren Bayern. Sie legen Wert darauf, dass sich Alt-Baiern mit i schreibt. Vielleicht, weil sie sich als das i-Tüpfelchen auf dem Freistaat betrachten.
E wie Ethnologie
Hochzeits-Ländler: "Die Gäste bitte alle auf die Tanzfläche kommen und einen Kreis um das Brautpaar bilden!“
Wer bayerisches Brauchtum erleben und verstehen will, der sollte eine bayerische Hochzeit besuchen. Wie die von Vroni und Mike aus Traitsching in der Oberpfalz.
Vroni: "Also i bin die Braut, die Vroni, und mir ist vor a Viertelstund der Brautstrauß g’stohln worn! I und mei Mo, wir san grad zu zweit raus. Und dann merk’ i schon, oweia, jetzt hab’ i mein Brautstrauß vergessen. Zack, war der Zwillingsbruder vom Mike, der Tom, am Strauß dro, und i bin kreischend higlaffa!“
Anderswo werden Sträuße geworfen oder Bräute gestohlen, in Bayern aber lässt man sich Brautsträuße stehlen und löst sie hinterher mit einer Brotzeit wieder aus. Bayerische Hochzeiten sind ein Fest des Brauchtums. Wer etwas auf sich hält, heiratet in Dirndl und Lederhosen.
Vroni: "Der Mike hat a wunderscheens grünes Leiberl an, so in dunkelmaigrün. Und samtig, was i total gern o’glang! Und eine kleine Blumenmanschette im selben Ton wie mei Brautstrauß. Und er ist ein wunderscheena Mo. Und i liab eam!“
Mike: "Heit war für mi a Traum! Die Braut kam im Braut-Auto. Und dann war ich den Tränen so nah – I hätt’s fast nimmer halten kenna. Weil sie einfach so schee ausg’schaut hod! Wahnsinn!“
Hochzeits-Pärchen sind überall schön. In Bayern allerdings san’s noch a weng scheena.
R wie Regensburg
Die Dom-Glocken von Sankt Peter läuten den Mittag in Regensburg ein. Keine 100 Meter entfernt steht noch heute die Porta Praetoria, erbaut vor 1.900 Jahren unter dem römischen Kaiser Marc Aurel.
Christa Zehentbauer: "Das römische Nordtor des römischen Legions-Lagers, das heißt: eine Kaserne. Durch das Nordtor sind die Soldaten ein- und ausmarschiert. Das ist mit der älteste Ort in Regensburg. Es gibt aus der Römerzeit noch mehrere Stationen in der Stadt, aber zusammenhängend, als Toranlage und Hochbau, ist dies das älteste, was Sie sehen.“
Christl Zehentbauer, Kultur-Managerin aus Regensburg, weiß natürlich, dass die Landeshauptstadt München nichts annähernd Römisch-Historisches vorweisen kann wie die Porta Praetoria von Regensburg. Hier, an der Steinernen Brücke über die Donau, steht die Wiege Bayerns. Hier hatte die bajuwarische Herzogdynastie der Agilolfinger schon im 6. Jahrhundert ihre Residenz. Da war München noch gar nicht geplant, geschweige denn gegründet. In Regensburg steht auch das älteste deutsche Parlament, der Reichssaal, Sitz des immerwährenden Reichstages, wie man die Ständevertretung im Heiligen Römischen Reich nannte.
Ohne Regensburg nie römischer Kaiser geworden
Gebaut hat den Reichssaal Kaiser Ludwig IV., genannt "der Bayer“. Ihm ist in Regensburg derzeit eine Landes-Ausstellung gewidmet. Kuratorin Elisabeth Handle-Schubert verweist darauf, dass Ludwig der Bayer ohne Regensburg nie römischer Kaiser geworden wäre. Im Jahr 1322 zog der Wittelsbacher von hier in die entscheidende Schlacht bei Ampfing gegen den Habsburger Friedrich den Schönen. Ludwig gewann.
Elisabeth Handle-Schubert: "Und daran ist Regensburg und sind die Regensburger Patrizier maßgeblich beteiligt, weil sie die Herrschaft nicht nur militärisch, sondern auch finanziell unterstützen. Weil Regensburg als DIE Handelsmetropole des 14.Jahrhunderts den entsprechenden Reichtum vor Ort hatte und bieten konnte.“
Ludwig der Bayer tat danach allerdings etwas, das ihm die Regensburger bis heute nicht verzeihen: er baute München als seine Lieblings-Residenz aus. Undank ist auch in Bayern der Welten Lohn.
N wie Niemals
Niemals sag Niemals:"Niemals sag Niemals – ganz gleich was Du tust. / Niemals sag „Niemals“, mein Freund…“
Sag niemals nie – diesen Ratschlag haben die Bayern noch, ähm, nie beherzigt. Der Bayer liebt das Nie. Wer die Worte "Niemals“ und "Bayern“ in Google eingibt, erhält als ersten Eintrag allerdings einen nicht-bayerischen Song.
Die Toten Hosen "Bayern": "Es kann so viel passieren, es kann so viel geschehen. / Nur eins weiß ich hundertprozentig: NIE im Leben würde ich zu Bayern gehen!“
"Die Toten Hosen“ mit dem Hit "Ich würde nie zum FC Bayern München gehen!“ Bayern – egal ob als Fußballverein, als Land oder als politische Idee – hat schon immer starke Gefühle provoziert. DER Liebe oder der Ablehnung. Viel stärkere als andere Bundesländer. Wer bei Google "Hessen“ und "Nie“ eingibt, erhält sechs Millionen Einträge. Mit "Bayern“ und "Nie“ sind es 16 Millionen. Nicht mal Niedersachsen hat so viele Einträge, obwohl es das "Nie“ schon im Namen hat. Einzig die Bundeshauptstadt kann Bayern toppen: die Suchwort-Kombination "Berlin“ und "Nie“ ergibt 79 Millionen Treffer. Allerdings sind in 78 Millionen davon die Begriffe "Berliner Flughafen“ und "nie fertig“ enthalten.
Brötchen statt einer Semmel
Der Bayer benutzt das Wort "nie“ gern affirmativ. Es spricht es "nia“ aus. Etwa in: "Des machst Du nia!“ - ein typischer Satz auf dem Münchner Oktoberfest, bevor ein Wiesn-Besucher eine Mass Bier auf ex trinkt und nackt auf dem Tisch tanzt. "Des hamm mir no nia g’habt“ – ein immer wieder gern benutzter Ausspruch der Bäckersfrau, wenn ein Preuße in einer bayerischen Backstube ein Brötchen statt einer Semmel bestellen möchte.
Erst vor wenigen Tagen parierte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer die Attacken seines Parteifeindes Erwin Huber, indem er sagte: "Der Erwin wollte mich NIE!“ Und Münchens scheidender Oberbürgermeister Christian Ude trat verbal gegen Ex-FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß nach. Zitat: "Ich habe Hoeneß noch NIE mit Anstand verlieren sehen!“
NIE ist typisch bayrisch – aber der Bayer meint’s nicht so. Er übertreibt gern, haut verbal auf den Tisch. Aber wenn der Ärger verraucht und Zeit verstrichen ist, dann wird aus dem "Nie“ ein beckenbauersches "Schau mer mal“. Irgendwann werden auch Horst Seehofer und Erwin Huber wieder Parteifreunde sein. "Pack schlagt sich, Pack vertragt sich!“ sagt man auf bayrisch. Und wer weiß, vielleicht besucht Christian Ude seinen alten Widersacher Uli Hoeneß bald im Knast in Landsberg. Dass der Uli mal hinter Gittern landet – das hätte man in Bayern schließlich auch NIE gedacht…