Hebbel am Ufer

Familiäre Erwartungen

Theater Hebbel am Ufer (HAU) Berlin
Theater Hebbel am Ufer (HAU) Berlin © dpa/picture alliance/Paul Zinken
Von Andrea Gerk · 10.04.2014
Um die Opferbereitschaft von Frauen in Gesellschaft und Familie geht es in "Frühlingsopfer" von She She Pop. Die Begegnung der Mütter mit ihren Kindern auf der Bühne zeugt von großer Leichtigkeit und Authentizität.
Nachdem sich das Frauen-Kollektiv She She Pop auch schon sehr erfolgreich mit den eigenen Vätern auseinandergesetzt hat, sind nun die Mütter der Performerinnen mit auf der Bühne. Strawinskys "Sacre du Printemps" liegt motivisch unter dem Abend, der sich in fünf Teilen mit den grundsätzlichen Fragen auseinandersetzt, die Mütter und (erwachsene) Kinder aneinander haben, aber auch mit den Vorstellungen und Erwartungen, die sie voneinander und von sich selbst haben.
Im Mittelpunkt dieses postmodernen "Frühlingsopfers" steht die Frage nach der Opferbereitschaft von Frauen in Gesellschaft und Familie. Unaufgeregt, fast beiläufig sprechen die Darstellerinnen ihren Text: "Einige von ihnen sind als Kinder aus zerbombten Städten geflohen; einige von uns haben ihren Beruf aufgegeben, wegen der Kinder; einige von uns haben noch nie 'Ich liebe dich' zu ihrer Mutter gesagt."
Das Bild von der Mutter
Wie in einem stimmig komponierten musikalischen Reigen umkreisen die Performerinnen – zu denen auch ein Mann gehört – ihr Thema und sprechen mit und über ihre Mütter. Die wiederum sind nur über Lautsprecher zu hören und überhaupt nur auf vier großen Projektionsflächen auf der ansonsten leeren Bühne anwesend. Eine stimmige und konsequente szenische Umsetzung, der Idee, dass Mütter (und sicher auch andere uns besonders nahe Menschen), ohnehin vor allem in Form der Bilder, die wir uns von ihnen machen, für uns existieren.
Da man am Anfang Mütter und Töchter/Sohn nicht eindeutig zuordnen kann und auch die Texte durch 'unpersönliche' Wendungen wie "einige von uns ... einige von ihnen" gleichsam neutralisiert werden, gelingt hier das Kunststück, ganz intime Momente fast beiläufig zu veräußern – das gibt diesem Begegnungsraum eine große Leichtigkeit und häufig auch Lustigkeit.
Natürliche Performance
Verstärkt wird dieser Eindruck durch rein musikalische Teile, in denen die Akteure zu Strawinskys Musik tanzen oder mit großen Decken spielen, aus denen mal Kostüme – wie eine Burka – drapiert werden oder lebende Sessel geformt werden. Besonders beeindrucken die vier Mütter der Performerinnen, die mit großer Gelassenheit von sich und ihren Gefühlen und Gedanken erzählen, dabei völlig natürlich und authentisch wirken.
Somit erinnert dieses gelungene "Frühlingsopfer" einen auch mal wieder daran, was Eltern so alles mitmachen (und für ihre Kinder opfern?!) – nicht nur auf Bühnen, sondern auch im wirklichen Leben. Dafür sollten wir eigentlich öfter mal loben. Bei allen (unausweichlichen) Konflikten, um die es hier geht, also ein ganz versöhnlicher Abend, der richtig gute Laune macht.
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