"Haus Rucker Co"

Pulsierende Wände und flüchtige Ideen

Die Klimakapsel Oase 7 hängt an der Fassade des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Die durchsichtige Kugel von acht Metern Durchmesser, entworfen von der österreichischen Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co. Die Installation ist Teil der Ausstellung "Klimakapseln".
Entworfen von der Architekten- und Künstlergruppe "Haus Rucker Co": Klimakapsel Oase 7 an der Fassade des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg © picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Barbara Wiegand · 21.11.2014
Eine Gruppe Wiener Architekten erweiterte in den 60er- und 70er-Jahren den Architekturbegriff radikal. Die Auswirkungen auf heutige Künstler und Architekten exponiert das Berliner Haus am Waldsee in einer Ausstellung.
"Der Ballon für zwei, der kam an einem Nachmittag im November 1967 immer zur vollen Stunde mit zwei Menschen aus diesem Fenster. Die blieben dann da solange, wie sie das Gefühl hatten, sie könnten die Höhe ertragen. Das waren ja immerhin zehn Meter. Also es war ja auch nicht ohne Risiko, das muss man schon sagen."
Günter Zamp Kelp steht vor dem Nachbau dieses "Ballons für Zwei" und erklärt, was das für ein waghalsiges Ding war, das die Gruppe damals entworfen hatte. Denn die durchsichtige PVC-Kugel hing nicht wie jetzt im Haus am Waldsee leer und sicher befestigt direkt über dem Boden des Ausstellungsraumes, sondern sie war von mutigen Menschen besetzt, die sich nicht nur trauten, sich an einem Stahlgestänge aus dem Fenster schieben zu lassen, sondern die auch denen vertrauten, die innen im Haus das Gestänge festhielten. Ein temporärer Raum für zwei also – völlig losgelöst vom gängigen Architekturverständnis
"Wir waren genau dazwischen. Die Architekten haben gesagt: Das ist keine Architektur. Die Künstler haben gesagt: Das ist keine Kunst. Was wir aber gemacht haben. Wir waren sehr erfolgreich, zumindest hatten wir eine starke Medienpräsenz. Es hat uns nur gezeigt, dass wir da auf einer Spur sind, die von Interesse sein kann. Für die Gesellschaft sozusagen."
Inspiriert von Pop Art und Fluxus kam Günter Zamp Kelp 1967 mit Laurids Ortner und Klaus Pinter zusammen und eroberte neue Räume. Die "Haus Rucker", die "Häuser Rücker", sie bauten, bastelten, bliesen auf. Sie imaginierten und konstruierten. Das Ganze war oft ein schräges Spiel mit unserer Wahrnehmung. Später auch gern ironischer Seitenhieb auf Politik und Gesellschaft.
Spielerisch etwa der jetzt ausgestellte überdimensionierte Helm - eine Nachbildung der sogenannten "Umweltveränderer": Futuristische Kopfbedeckungen, die sich Performance-Besucher überstülpen konnten, um die Welt etwa mit den Augen einer Fliege zu sehen. Voll sanfter Ironie die Oase Nr. 7, die "Haus Rucker Co" 1972 bei der Kasseler Documenta aus dem Fenster des Fridericianums hängen ließen. Skizzen und Modelle erinnern jetzt an die mit Miniaturpalmen gefüllte Blase als Symbol perfekter Südseeromantik - unerreichbar – weil nur zum Betrachten, nicht zum Betreten.
Luftige Erlebnis-Architektur statt feste Formen
Und natürlich das gelbe Herz.

Eine organische Aufblas-Architektur, deren Wände pulsierten – und bis heute lebendig wirken, findet Jan Liesegang von "raumlabor Berlin", einem alternativen Architekturprojekt.
"Das ist etwas, was uns sehr fasziniert. Wir haben das nur einmal in einer Ausstellung in Heidelberg umgesetzt. Da hatten wir auch einen Raum, und da drin gab es ein Blase und eine Videoprojektion. Und einmal in der Stunde ist da die Luft rausgelassen worden. So konnte man den Video eigentlich immer nur halb sehen, dann stürzte der Raum irgendwann zusammen. Und wenn er gerade zu klein war, ging er wieder auf. Das sind unheimlich schöne Momente, die dann entstehen."
Diese Faszination für bewegliche, flüchtige Ideen, für luftige Erlebnis-Architektur statt feste Formen wird auch im Haus am Waldsee sichtbar. Zur Eröffnung am Wochenende werden "raumlabor" ihr sogenanntes Küchenmonument aufblasen. Eine pneumatische Skulptur, die als Konferenzraum, Kino oder Küche genutzt werden kann
"Wir machen auch viel so, eine 'machende Forschung'. Wir machen viel, wo wir am Ende nicht wissen, was dabei rauskommt. Wir bauen ein Stück Stadt, eine Situation, wo alle gemeinsam kochen können. Oder wir stellen das Küchenmonument auf und laden zwei Leute ein, die sich nicht kennen und die wieder ihre Freunde einladen. Das sind natürlich auch so Versuchsaufbauten."
Fern von der pragmatischen Nüchternheit der Nachwendejahre, von großen universellen Gesten der Moderne sieht sich "raumlaborR auch als Experimentierfeld. Und bewegt sich damit auf jenem Terrain, auf das sich Gruppierungen wie "Haus Rucker Co" bereits in den 60ern und 70ern vorgewagt haben.

Im Haus am Waldsee kann man nun dieses Terrain ergründen – ein Stück weit zumindest. Zwar ist der radikale Aufbruchsgeist der 1992 aufgelösten Gruppe nicht mehr wiederzubeleben, die schrägen Aktionen längst Vergangenheit. Doch in einer großzügig sinnlichen Präsentation mit Originalmodellen, Fotos, Filmen und Nachbauten bekommt man doch eine Ahnung von dem, was "Haus Rucker Co" ausmachte – ein Gespür für Raum und Atmosphäre - und eine Offenheit für neue Ideen.
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