Hauptstadt im Gaslicht-Krieg

Von Wolf-Sören Treusch · 26.07.2013
Liebhaber schätzen das warme Licht der Berliner Gaslaterne und verweisen auf ihre Tradition. Heute leuchtet es allerdings nur noch in den früheren Westbezirken - und auch hier wird derzeit schon kräftig umgerüstet. Die veraltete Technologie ist zu teuer. Davon wollen Gaslicht-Fans aber nichts wissen.
Wenn sich die abendliche Dämmerung über die Berliner Gehwege und Straßen legt, kann man es für einen kurzen Moment hören: das leise Zischen der historischen Gaslaternen. Dann regelt ein Mini-Sensor das Anzünden des Glühstrumpfs.

"Jeder einzelne Leuchtkopf hat seinen eigenen Dämmerungsschalter, der eine gewisse Sensitivität hat, und bei einer bestimmten Helligkeit an und aus geht, und es kann durchaus sein, dass diese Lampen nacheinander angehen, wenn es von der einen Seite ein bisschen heller und von der anderen dunkler ist, dann geht die dunklere Seite etwas eher an."

Seit bald drei Jahrzehnten kämpft Bertold Kujath vom Verein Gaslicht-Kultur für den Erhalt der historischen Berliner Gasbeleuchtung. Eines der Prunkstücke steht in der Nähe des Charlottenburger Schlosses – ein fünfarmiger Kandelaber.

"Das ist ein Originalstück aus dem Jahr 1903, es hat von der damals unabhängigen Stadt Charlottenburg einen Wettbewerb gegeben, was für ein Beleuchtungskörper diesen Platz hier zieren soll, und das ist der damalige Wettbewerbssieger, dieser fünfarmige Kandelaber mit den Schinkel-Leuchtköpfen oben drauf, er ist zwischenzeitlich mal verschwunden und tatsächlich auf dem Schrottplatz gelandet in den 70er-Jahren und ist dann aufgrund einer Anwohnerinitiative wieder aufgestellt worden, also das ist noch ein sehr altes Originalstück hier."

Bewahrenswertes Kulturgut oder Energieschleuder?
Berlin ist die Hauptstadt des Gaslichts. Die Hälfte aller weltweit noch vorhandenen Gaslaternen steht in Berlin. Das sind etwa 44.000 Exemplare. Sie stehen fast ausschließlich im Westteil der Stadt, im Ostteil wurden die Gasleuchten bereits zu DDR-Zeiten durch Elektroleuchten ersetzt. Nicht alle sind so prunkvoll gestaltet wie der Kandelaber unweit vom Schloss Charlottenburg, aber dennoch: Für viele Berliner ist das Gaslicht ein bewahrenswertes Kulturgut.

""Gas ist das Berliner Licht, Licht, Licht. Nehmt uns die Laterne nicht, nicht, nicht…""

Politiker aber wollen, dass Berlin führende Klimaschutzmetropole wird. Und haben die Gaslaternen als Energieschleuder Nummer eins ausgemacht. Nun geht es dem Gaslicht auch im Westteil der Stadt an den Kragen.

""… Wer das will, ist nicht ganz dicht, dicht, dicht. Rettet das Berliner Licht.""

Sechs Aktivisten vom Verein Gaslicht-Kultur stehen vor einer Absperrung. Dahinter bereiten zwei Arbeiter den Abriss einer so genannten Gasreihenleuchte vor, das sind die hohen Peitschenmasten mit bis zu neun Gasglühkörpern. Hässlich, aber eben historisch. Die Aktivisten haben Info-Flyer dabei, in denen sie dazu aufrufen, sich gegen diesen, Zitat: "sinnlosen Vernichtungsakt" zu wehren.

"Vor allem, weil auch nicht eine superneue Technologie, also die LED-Technologie rein kommt, sondern es kommt ganz bodenständige Elektrotechnik rein, und die Leute, denen die Peitschenmasten mit Gasbeleuchtung nicht gefällt, die sollten wissen, dass die Peitschen wieder kommen werden, bloß mit einer hässlichen Elektrobeleuchtung."

"Wer ist denn hier der Versammlungsleiter?"

Nach einer guten halben Stunde bittet die Polizei Frank und die übrigen, den Ort zu verlassen. Die Bilanz ist dürftig: Höchstens ein Dutzend Info-Flyer haben die Aktivisten verteilt. Die Baugrube zu besetzen, wie es an anderer Stelle schon geschehen ist, trauen sie sich nicht. Als die Gasreihenleuchte drei Tage später tatsächlich abgerissen und durch eine moderne Elektroleuchte ersetzt wird, ist von den Aktivisten niemand zugegen.

Enorme Ersparnis durch Umrüstung
Bis 2016 sollen fast alle 8.000 Gasreihenleuchten ausgetauscht worden sein. Lediglich 230 Laternen dieses Typs bleiben erhalten. Die drei anderen Arten, die es noch gibt – Gasaufsatzleuchte, Modellleuchte und Hängeleuchte – bleiben zunächst einmal weitgehend unangetastet. Christian Gaebler, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt:

"Ich spare jetzt allein durch die 8000 Gasreihenleuchten, die umgerüstet werden, 3,5 Millionen Euro an Kosten pro Jahr ein, ich spare 9200 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr ein, ich habe deutlich länger betriebsfähige und weniger störanfällige Laternen, ich habe eine bessere Ausleuchtung des Straßennetzes, Gaslaternen sind ja auch nicht allein zur Befriedigung ästhetischer Ansprüche da, sondern sie sind ein Instrument der Verkehrssicherheit. Sie sollen die Straßen beleuchten, sie sollen ausreichend Licht schaffen, dass die Leute sich dort ungefährdet bewegen können, und das ist bei den Gaslaternen, zum großen Teil Gasreihenleuchten gar nicht gegeben."

Die Gaslicht-Liebhaber sehen das naturgemäß anders. Warm sei das Gaslicht, und gelb wie Honig, schwärmen sie. Völlig ausreichend in den Wohngebieten, in denen es vorwiegend zum Einsatz käme. In Deutschlands Hauptstadt herrscht Gaslicht-Krieg. Hier die ewig gestrigen Romantiker, für die der Abriss einer Gaslaterne dem Untergang des Abendlandes gleichkommt; dort die herzlosen Technokraten, die mantraartig die Sachlogik der Energieeffizienz ins Feld führen. Stellvertretend für die unvereinbaren Positionen Bertold Kujath vom Verein Gaslicht-Kultur und Christian Gaebler von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

Kujath: "Es wird immer nur verglichen, wie die Energie- und Kostenbilanz in der Lampe oben ist, das heißt ich vergleiche die Energiesparbirne mit dem Glühstrumpf, die ganze Erzeugungskette, dass Strom eben nicht aus der Steckdose kommt, sondern in der Lausitz mit Braunkohle hergestellt werden muss, über hunderte Kilometer in Leitungen mit Leitungsverlusten hierher transportiert werden muss, dass ich, wenn ich eine Gaslaterne abreiße, einen neuen Mast herstellen muss, der ist meistens aus Stahl oder Aluminium, auch sehr energieintensiv, all diese Sachen fallen gern mal untern Tisch, und da müsste man schon einmal eine vollständige Kosten- und Energiebilanz aufstellen lassen von einem Experten, von einem unabhängigen Experten, die das mal gegenrechnen und schauen, ob der Gewinn, das Einsparpotenzial auch bei der CO2-Emission tatsächlich so hoch ist wie behauptet. Wir bezweifeln das."

"Gas ist das Berliner Licht, Licht, Licht. Nehmt uns die Laterne nicht, nicht, nicht. …"

Gaebler: "Wir betreiben die Gasleuchten, wir wissen, was sie kosten, wir wissen, was der Betrieb kostet und der Unterhalt kostet. Eine Gaslaterne kostet im Jahr allein an Unterhaltskosten in der Wartung über 500 Euro, eine Elektroleuchte 50 Euro. Mit dem, was ich für den Betrieb von 8000 Gasreihenleuchten bisher investiere, kann ich 100.000 elektrische Straßenlaternen betreiben. Das ist bisher von niemandem widerlegt oder auch nur in Zweifel gezogen worden. Es wird immer allgemein gesagt: Die Zahlen stimmen nicht, es gibt aber keine anderen Zahlen."

"… Denn das Licht, Licht, Licht, das ist Pflicht, Pflicht, Pflicht. …"

Kujath: "Also sie würde, davon bin ich fest überzeugt, schon längst unter Denkmalschutz stehen, würde nicht eine übermächtige Elektrolobby hier und anderswo davon profitieren, wenn man sie abreißen würde, ja, die Gasbeleuchtung soll weg, weil man mit dem Abriss der Gasbeleuchtung mehr verdient als wenn man sie erhält."

Gaebler: "Aber jetzt zu sagen: wir müssen das Ganze lassen wie es ist, am besten noch zurück schrauben, das ist so, als wenn ich sage, ich persönlich finde übrigens Kohleöfen wesentlich angenehmer von der Heizwirkung her als die moderne Zentralheizung, trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, die Umrüstung von Kohle auf Zentralheizung zu verbieten oder gar zu sagen, wir müssen jetzt wieder Kohleöfen überall einführen."

"… Ja, ja, ja, ja. Gas ist das Berliner Licht, Licht, Licht. Nehmt uns die Laterne nicht, nicht, nicht. Wer das will, ist nicht ganz dicht, dicht, dicht. Rettet das Berliner Licht."

Die Geschichte der Laterne in Berlin
"Das kleine Zischen, wenn es angeht, das ist natürlich immer da."

Seit nunmehr 25 Jahren gibt es im Tiergarten ein Gaslaternen-Freilichtmuseum. Eine Sammlung von 90 historischen Leuchten: Originale und Nachbauten aus Deutschland und ganz Europa. Herbert Liman, früher von Berufs wegen für die West-Berliner Straßenbeleuchtung zuständig, kennt sich hier gut aus: Er hat ein Buch über das Freilichtmuseum mitverfasst.

"Das ist die so genannte Camberwell-Leuchte, die nach dem Ortsteil Camberwell in London benannt worden ist, wo die Leuchte ursprünglich mal hergekommen ist, 1826 kam sie nach Berlin, und zwar mit allem, was dazugehört: von der Gasanstalt, über die Gas-Rohre über die englische Steinkohle bis eben zur Leuchte. Es ist eine typische Leuchte aus dieser Zeit mit offener Flamme noch, die von unten gespeist wurde, das heißt also nicht besonders hell, aber damals natürlich als Ersatz für die Ölbeleuchtung eine Sensation."

Die ersten 26 Laternen dieser Art werden 1826 Unter den Linden aufgestellt. Der Reporter der Vossischen Zeitung ist damals begeistert.

"Heller haben wir selbst bei glänzenden Illuminationen die Linden nicht gesehen. Nicht in dürftigen Flämmchen, sondern in handbreiten Strömen schoss das blendende Licht hervor, das so rein ist, dass man in einer Entfernung von 20 bis 25 Schritten vor den größeren Laternen einen Brief recht gut lesen konnte."

Mit dem Gaslicht beginnt Berlins Aufstieg zur glitzernden Industriemetropole. Je heller die Straßenbeleuchtung, desto urbaner das Stadtleben. Ende des 19. Jahrhunderts leuchten 27.000 öffentliche Gaslaternen. Alle mit modernsten Gasglühlichtapparaten versehen, im Volksmund auch als Glühstrumpf bezeichnet.

"Ursprünglich war das wirklich ein Strumpf, der wie ein Strumpf gewirkt wurde, er wurde eingetränkt in seltene Erden und glüht dann."

Während des Ersten Weltkrieges muss die Gasbeleuchtung komplett abgeschaltet werden. In den Straßenkämpfen danach dient mancher Laternenmast dem Bau von Barrikaden. Für den Schriftsteller Erich Mühsam Anlass, die Aufständischen spöttisch zu ermahnen, die Gaslaternen stehen zu lassen.

"Aber unser Revoluzzer schrie: 'Ich bin der Lampenputzer
Diesen guten Leuchtelichts. Bitte, bitte, tut ihm nichts!
Wenn wir ihn' das Licht ausdreh’n, kann kein Bürger nichts mehr seh’n,
lasst die Lampen stehen, ich bitt’! Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!'"

"In den 20er Jahren war die Gasbeleuchtung, weil damals die elektrische Beleuchtung sehr schnell voran kam, ein Beispiel für Kriminalität, für Dunkelheit, für Mysteriöses, und es wurden dann auch in den Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 50er-Jahren, Filme gedreht, die in England spielten, wo dann Nebel waberte und dahinter die gelbliche Gasbeleuchtung zu sehen war, das war also ein Zeichen ‚oh jetzt wird es gefährlich, jetzt ist da irgendwas geheimnisvolles im Gange’. Das hat sich dann sehr schnell erledigt, so wie der englische Nebel auch verschwunden ist, einfach weil es keine Kohlenheizung mehr gibt."

1945 ist ein Großteil der Berliner Gaslaternen zerstört. Innerhalb kurzer Zeit werden sie wieder instand gesetzt, zumindest im Westteil der Stadt. Ihre Zahl steigt auf mehr als 40.000. Fast zwei Jahrhunderte dauert die Erfolgsgeschichte des Berliner Gaslichts nun. Wird dem Experten, Herbert Liman, angesichts der Senatsplanungen da nicht klamm ums Herz?

"Na ja sicher, man kann sicher auch mit der Dampflokomotive fahren. Kann man natürlich auch, da hat man auch Freude dran, aber wer will das heute noch? Die Leute wollen mit dem ICE fahren. Nostalgie ist was sehr Schönes, man muss es bloß auch bezahlen."

Eine Fabrikhalle im Süden Berlins. Dutzende blecherne Lampenschirme der vierflammigen Gasaufsatzleuchten vom Typ BAMAG U7 liegen auf der Erde. Ein Haufen Schrott. Die Firma Braun Lighting Solutions ist für die Wartung der Berliner Gaslaternen zuständig, für diese Exemplare kommt jede Hilfe zu spät.

"Die sind total marode, also keineswegs kann man sagen, dass Gasleuchten 50 oder 60 Jahre halten, wenn mich jemand fragen möchte, ja wie alt sind denn Gasleuchten in Berlin zum Beispiel, kann ich nur sagen, die Frage muss lauten: Wie alt sind denn die ältesten Teile der Leuchten im Durchschnitt? Weil: In Berlin war das so üblich, wie auch in vielen anderen Städten, dass die Leuchten praktisch in eine Schlosserei hineinkamen, dort wurden eben marode Leuchtenbauteile ausgetauscht gegen neue Bauteile, und dann ging die Leuchte wieder auf die Straße, und das jahrzehntelang."

Firmeninhaber Andre Braun will mit Gaslaternen am liebsten nichts mehr zu tun haben. Muss er aber, denn es ist sein Unternehmen gewesen, das die tschechische Hauptstadt Prag im Jahr 2010 mit originaler Gasbeleuchtung ausrüstete.

Alte Laternen leuchten in der blauen Stunde am Gendarmenmarkt im Bezirk Mitte in Berlin.
Alte Laternen leuchten in der blauen Stunde am Gendarmenmarkt im Bezirk Mitte in Berlin.© picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg
Mit LED-Technik Gaslicht erzeugen
"Aus energietechnischen Gesichtspunkten ist es reinster Wahnsinn, aus Gas Licht zu erzeugen, aber die Prager haben sich eben gesagt, ‚Wir wollen schönes, anheimelndes Licht, Geld spielt keine Rolle’, und nun erstrahlt die Altstadt in wunderschönem Gaslicht, was man aber auch mit LED-Licht genauso gut machen könnte. Aber natürlich: Vor fünf, sechs Jahren war das LED-Licht noch gar nicht soweit. Das war unmöglich."

Jetzt aber sei man soweit, frohlockt der Firmeninhaber. Die historischen Schinkelleuchten in Leipzigs Innenstadt habe man schon auf LED umgerüstet, bald könne auch Berlin an der Reihe sein. Dabei werden die vier Gasglühstrümpfe einer Aufsatzleuchte durch vier LED-Zapfen ersetzt, die eine dem Gaslicht nahezu identische Lichtfarbe erzeugten.

"LED-Gaslicht, damit verbindet man nicht nur die Lichtfarbe von ungefähr 2700 Calvin, es ist das Ambiente drum herum, was auch eine Rolle spielt. Das heißt wir verwenden ja auch Originalbrenner. Dann ist auch die Ummantelung der LEDs sehr wichtig. So dass die Optik der leuchtenden Körper dem eines Gasglühkörpers gleichzusetzen ist."

Tüftler wie Andre Braun sind überzeugt: Das Imitat wird so gut sein, dass niemand mehr sagen könne, ob Gaslicht oder LED Berlins Straßen und Gehwege erleuchten.

Die Gaslicht-Liebhaber dagegen machen weiter mobil. Pressetermin vor einem Berliner Postamt: drei Gaslicht-Freunde haben soeben jeweils 250 Euro an die Landeshauptkasse überwiesen. Die BILD-Zeitung wird am nächsten Tag darüber berichten.

"Wir übernehmen eine Patenschaft für eine Straßenlaterne für ein Jahr. Mit den vermuteten oder behaupteten Mehrkosten im laufenden Betrieb für 2013. Das ist in meinem Fall die Gorkistraße in Tegel, die Laterne Nummer 1. Weil sie ein Licht gibt, was für mich ein Heimatbegriff ist und weil es das eben anderswo recht wenig gibt, ich will nicht sagen, gar nicht, aber in Berlin ist es doch sehr Stadtbild bestimmend, und wenn ich von auswärts nach zuhause komme und sehe die erste Gaslaterne, weiß ich, ich bin wieder zu Hause."

Mit Aktionen wie diesen fordern Christian Sperling und die anderen Mitstreiter vom Verein Gaslicht-Kultur einen sofortigen Abbaustopp der Gaslaterne. Das sei reiner Aktionismus, entgegnet Staatssekretär Christian Gaebler von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

"Selbst wenn ich die eine Gaslaterne stehen lassen würde, für die eine Patenschaft übernommen worden ist, wäre es trotzdem noch effizienter, sämtliche anderen Laternen in der Straße auf LED und Strombetrieb umzustellen, einfach weil die Betriebskosten so hoch sind. Es gibt eine Vereinbarung mit dem Denkmalschutz, dass fünf Prozent erhalten bleiben sollen, vorrangig in Denkmalschutzbereichen oder entsprechenden Ensemble-Bereichen, das sind immer noch über 2000 Gaslaternen, die dann stehen bleiben, von daher kann man nicht sagen, die verschwinden aus dem Stadtbild."

2000 von 44.000 – trübe Aussichten für die Gaslicht-Liebhaber. Mittlerweile haben sie prominente Unterstützung bekommen.

"Allein die Vorstellung, dass eine Sparmaßnahme heißen soll, dass man jetzt 180 bis 200 Millionen Euro investiert, und das Sparen dann bitte wann beginnt?"

Als Nostalgiker dargestellt
Licht aus, Spot an: Der ehemalige Fernsehmoderator und Schauspieler Ilja Richter ist einer von 21.000, die eine entsprechende Petition an den Berliner Senat unterschrieben haben.

"Wann beginnen denn die Herrschaften, für uns zu sparen? Ich habe immer wieder das Gefühl, dass es eine Art von Verniedlichung ist und eine Art von Verharmlosung, dass wir – das ist ein großes Lager von Künstlern, Wissenschaftlern, denkenden Menschen – als Nostalgiker dargestellt werden. Es wird die gesamte Bewegung, die es ja ist, hingestellt als was Verniedlichendes. Alles Quatsch. Ich möchte gerne einfach historische Quellen nicht versiegen lassen. Es geht doch nicht allein um die hübschen Kandelaber, es geht doch nicht allein um das schöne romantische Licht, darum geht es auch, hat jemand was gegen romantisches Licht? Es geht darum, dass diese Dinge Zeitzeugen sind. Gusseiserne Zeitzeugen."

Im vergangenen Herbst organisierte Ilja Richter deshalb einen Benefizabend. Mit Hilfe der Eintrittsgelder gaben die Gaslicht-Befürworter bei Dietrich Worbs, früherer Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes, ein Gutachten in Auftrag, das zu dem unmissverständlichen Ergebnis kommt: Gasleuchten besitzen, Zitat: "herausragende geschichtliche und künstlerische Bedeutung".

"Und deswegen muss überhaupt einmal das Landesdenkmalamt sich entschließen, die baulichen Anlagen Gasleuchten als bauliche Anlagen anzuerkennen und sie auf ihren Denkmalwert hin zu prüfen. Und zwar unabhängig von existenten Denkmalbereichen, wo dann sozusagen die Gasleuchten nur noch eine Beigabe sind."

Die zuständige Senatsverwaltung spielt auf Zeit. Der Abriss der etwa 8000 Gasreihenleuchten hat begonnen, hier gibt es kein Zurück mehr, der Vertrag mit der zuständigen Umrüstfirma wird eingehalten. Und ab 2016? Gilt das Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung darauf, die LED-Technik könne inzwischen ausgereift und erschwinglich genug sein, um damit die dann immer noch weit über 30.000 Gaslaternen in Berlin flächendeckend umzurüsten. Noch einmal Bertold Kujath vom Verein Gaslicht-Kultur und Christian Gaebler von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

Kujath: "Also ich habe bis jetzt noch keine von diesen viel gerühmten LED-Laternen gesehen, die unverwechselbar wie Gaslicht aussieht, in den Bereichen, wo Gaslicht steht und einige Laternen probeweise ausgetauscht worden sind, erkannt man es sofort, also die Lichtfarbe ist noch nicht wirklich richtig getroffen."

Gaebler: "Und genau da sind wir ja dran, dass sich in den nächsten vier Jahren die LED-Technik soweit weiter entwickeln wird, dass es wirklich identisch ist, und dann bleibt als einziges übrig, dass man sagt, ich möchte das Zischen hören, wenn ich an der Gaslaterne vorbeigehe, und da sage ich mal: das ist mir keine 5, 6, 7 Millionen Euro im Jahr wert, ich glaube, der Mehrheit der Berliner und Berlinerinnen auch nicht."

Kujath: "Es macht auch so wenig Sinn: Wenn man eine funktionierende Beleuchtungsinfrastruktur abreißt und unwahrscheinlich viel Geld und Aufwand damit betreibt, das was danach kommt, so ähnlich wie möglich aussehen zu lassen, wir haben die Originale jetzt stehen, sie funktionieren, es macht nicht so viel Sinn, hier irgendwelche Imitate aufzustellen, die dann auch nicht wirklich das Original sind."

Gaebler: "Von daher, glaube ich, hat sich die Initiative das falsche Objekt für den Kulturkampf ausgesucht: einfach mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und sehen, dass wir eigentlich das Gleiche wollen: dass wir nämlich das Erscheinungsbild der Straßenbeleuchtung in Berlin möglichst so lassen wollen, wie es ist, und dann wird sich die Aufregung vielleicht auch wieder legen."
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