Hauptschulprojekt in Bayern

Von Barbara Roth · 28.05.2008
In Bayern wird eifrig am Image der Hauptschule poliert. Denn knapp 33 Prozent aller Schüler besuchen diese Schulart. Als Versager fühlen sollen sich diese Jugendlichen nicht. Sie sind im Gegenteil selbstbewusst und haben genaue Vorstellung von ihrer beruflichen Zukunft.
Lisa, Theresa und Judith sind 14 Jahre alt – und erstaunlich selbstbewusst.

" Ich bin eigentlich schon stolz, dass ich Hauptschülerin bin. Es sind halt Vorurteile gegenüber Hauptschülern, die denken halt, dass wir eh die Dummen sind. Ich bin vielleicht nicht die Beste, aber es muss doch nicht sein, dass jeder Abi macht, Hauptsache, du kannst was. "

Die drei besuchen die achte Klasse einer Hauptschule im niederbayerischen Landau. Einen frustrierten oder demotivierten Eindruck machen die Mädels nicht. Im Gegenteil. Mit 14 haben sie eine genaue Vorstellung ihrer beruflichen Zukunft:

" Am liebsten Metzgereifachverkäuferin, mir ist auch schon eine Lehrstelle angeboten worden. Bei jedem Praktikum wurde mir gesagt: Du bist gut, es sind alle zufrieden mit mir. Ich mache jetzt den Quali. Und wenn ich keinen Ausbildungsplatz bekomme, dann vielleicht noch Real-Abschluss und dann weiter. "

In Bayern wird eifrig am Image der Hauptschule poliert. Denn knapp 33 Prozent aller Schüler besuchen diese Schulart. Als Versager fühlen sollen sich diese Jugendlichen nicht. Kultusminister Siegfried Schneider stört sich am miserablen Ruf, den die Hauptschule genießt:

" Ich bin in einem Auto hergefahren, das von Hauptschülern gebaut wurde, auf Straßen von Hauptschülern. Wenn bei mir die Heizung ausfällt im Winter, kommt ein ehemaliger Hauptschüler und repariert sie. Ich glaube, es geht darum, Bildungserfolg daran zu messen, dass jemand sein Leben selbstverantwortlich gestaltet."

Die CSU-Staatsregierung will die Hauptschule nicht abschaffen, sondern als Berufsvorbereitende Schule stärken. An 47 Schulen im Landkreis Dingolfing-Landau wird modellhaft erprobt, was ab dem Schuljahr 2009/2010 landesweit eingeführt wird. Ziel der sogenannten Hauptschulinitiative ist es, jeden Absolventen fit zu machen für eine Ausbildung. Ein Beispiel: die Modularisierung. Der Unterricht in Mathe, Deutsch und Englisch wird in drei Leistungsstufen eingeteilt, erklärt Josef Schätz vom Staatsinstitut für Schulqualität:

" Die einen Schüler kapieren schneller, die anderen langsamer. In Grundlagen I, da wiederholt man alles noch mal, wirklich ganz langsam. Und die guten Schüler, die müssen selbstständig arbeiten können. Und so wird jeder Schüler gefördert und gefordert, wo er auch tatsächlich steht. "

Der Unterricht im Modul kann klassen- aber auch jahrgangsübergreifend stattfinden. Individuell gefördert werden die starken Schüler, aber auch die Schwachen. Denn heute verlässt jeder Zehnte die Schule ohne Abschluss. Nicht jeder muss alles können, meint Schätz, aber die Hauptschule der Zukunft muss garantiert ein Minimum an Grundwissen vermitteln.

Josef Schätz: " Es sind die schwachen Schüler. Da wollen wir dafür sorgen, dass sie lesen, rechnen und schreiben können. Denn wir wollen in Zukunft, dass alle Hauptschüler eine Prüfung machen. Und wenn jemand mit der Hauptschulprüfung rausgeht, dann muss sich der Lehrherr darauf verlassen können, er ist Ausbildungsreif. "

Wurde doch von Seiten der Wirtschaft immer wieder die zu geringe Qualifikation der Hauptschüler beklagt. Hauptschulinitiative heißt auch: Mehr Freiheit für die Schulen. Keine Vorgaben für Wochenstunden im Stundenplan, sondern Jahreskontingente. Ab der achten Klasse bis zu 20 Prozent der Stunden Zeit für Praktika. Schulleiter Klaus Jeggle:

" Weil Schüler sich früher mit der beruflichen Realität und den Zukunftsperspektiven auseinandersetzen, auseinandersetzen müssen. Und die begrüßen das auch. "

Um die jungen Leute optimal auf das künftige Berufsleben vorzubereiten, wird jeder Schule ein Profil verpasst – entweder Handwerk und Technik, Wirtschaft und Handel oder Gesundheit und Soziales. Die Theorie folgt an der Schule, die Praxis im Partnerbetrieb am Ort.

Klaus Jeggle: " Das bedeutet, dass sich eine Deutsch-, Mathe- oder Physikstunde je nach Profil inhaltlich unterscheidet. Mathe zum Beispiel konzentriert sich in Handwerk/Technik mit Formel und Gleichungen umzugehen. Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, die Zahl derer, die den Abschluss schaffen, zu steigern. Denn jeder, der auf der Strecke bleibt, ist einer zuviel. "

Positiver Nebeneffekt im niederbayerischen Landkreis: Die kleinen, einzügigen Schulen werden mit den großen kooperieren. Gerade im ländlichen Raum gehen den Hauptschulen die Kinder aus. Kultusminister Schneider hofft so, auch dem Schulsterben entgegenzuwirken:

" Es geht darum, möglichst viele Standorte zu erhalten - ohne damit den Qualitätsanspruch aufzugeben. Aber mit einem Maß der Zusammenarbeit, mit Geben und Nehmen wird vieles gelingen können. "

Gleichzeitig treibt die Staatsregierung den Ausbau von Ganztagsschulen voran. Bis Ende 2012 soll es ein flächendeckendes Angebot an Ganztagshauptschulen geben.