Happy Birthday, Schmidt's!

Von Axel Schröder · 08.08.2013
Das Schmidt-Theater feiert: Vor 25 Jahren eröffneten Corny Littmann und Lilo Wanders das Theater an der Hamburger Reeperbahn. Mit ihrem Schwulsein haben die Macher schon immer kokettiert. Die Schmidt-Familie bezeichnet sich etwa als "aufrecht, deutsch, homosexuell".
Corny Littmann: "Es ist 20 Uhr und sechs Minuten! Herzlichen Willkommen zum "Schmidt"-Geburtstag!"

Corny Littmann, blaues Paillettensacko und Norbert Aust im schlichten schwarzen Anzug stehen auf dem breiten Balkon des Schmidt-Theaters. Unten auf dem Spielbudenplatz warten rund 3.000 Fans des Theaters auf die achte Minute nach Acht. Und wiederholen damit genau die Zeremonie, die vor genau 25 Jahre an gleicher Stelle stattfand.

Littmann: "Vor 25 Jahren war hier vor uns mehr oder weniger die Wüste! Nämlich gar nichts …"

Damals versuchen die Theatergründer um Corny Littmann mit stumpfer Schere das rote Band zu durchschneiden, bejubelt von einer noch überschaubaren Fan-Gemeinde. Das Theater ist heruntergekommen, der Staub nur halbherzig aus den toten Plüschsesseln geklopft, die Miete bezahlbar. Heute steht an gleicher Stelle der Theater-Neubau mit roter, von Panoramascheiben durchbrochenen Fassade. Die Macher des erfolgreichsten deutschen Privattheaters starten den Countdown:

Littmann: "… fünf, vier, drei, zwei, eins! Happy Birthday!"

Zwei Kanonen blasen rosa und silberne Schnipsel in den blauen Himmel. Littmann eilt nach unten auf die riesige Bühne auf dem Spielbudenplatz, auf der das Ensemble den Schmidt-Theater-Song anstimmt.

Vorn auf der Bühne sitzen neben Littmann die Mitbegründer des Theaters: der großgewachsene Ernie Reinhard alias Lilo Wanders, die Perücke wasserstoffblond, und Mario Rispo, mit echtem schulterlangen Haar. Erinnerungen an den ersten Abend, an wilde Zeiten:

Rispo und Wanders: "Ich erinnere, die Hälfte der Gäste war so was von bekifft …"

Die ganz wilden Zeiten, das Zittern um genügend Zuschauer längst vorbei. Schon 1991 wurde das zweite Haus gegründet: Schmidts Tivoli, gleich nebenan. Absehbar war der Erfolg nicht. Selbst wohlwollende Freunde des Theaters gaben den Machern höchstens ein halbes Jahr. Damals war die Reeperbahn nicht nur eine heruntergekommene Meile mit einen wenigen Sex-Kabaretts und Dutzenden Peep-Shows. Auch das politische Klima war längst nicht dazu angetan, einer Truppe von vorwiegend schwulen Künstlern viel Platz zu bieten.

Damals versuchte das Kabinett Helmut Kohl die geistig-moralische Wende durchzusetzen. Einen verstaubten Konservatismus, in dem Platz war für die Ideen eines Peter Gauweiler, der über Lager für HIV-positive Menschen nachdachte. Oder für einen Verteidigungsminister Manfred Wörner, der einen vermeintlich schwulen General aus der Bundeswehr warf. War das Schmidt-Theater damals politisch, subversiv?

Ernie Reinhard: "Wir haben natürlich schon Jahre vorher, mit den sieben Jahren "Familie Schmidt auf Tournee: aufrecht, deutsch, homosexuell!" in gewisser Weise subversiv gewirkt! … Die Hamburger werden schon kommen!"

Corny Littmann, fünf Jahre lang auch Präsident des Kiez-Clubs FC St. Pauli, ist skeptisch. Hat das Schmidt-Theater mitgeholfen, das gesellschaftliche Klima nachhaltig zu verändern?

Littmann: "Ja. Natürlich. Ich glaube allerdings, dass meine Tätigkeit als Präsident des FC St. Pauli bisschen mehr zur Normalisierung … als dieses Theater, was wir hier seit 25 Jahren machen!"

Immerhin wollte das Schmidt-Theater nie ein schwuler Szene-Treff sein, sondern ein offenes Haus für offene Menschen. Raus aus der allzu schrägen Ecke kam das Theater spätestens mit der Schmidt-Mitternachts-Show: der Norddeutsche Rundfunk, später die gesamte ARD übertrug die Show live in seinem Abendprogramm. Ab und zu blendeten sich der Bayerische Rundfunk und sogar der WDR aus den Übertragungen aus.

Etwa, weil Littmann als Herr Schmidt in der Show ein T-Shirt der "Deutschen AIDS-Hilfe" trug. Mitgefeiert haben heute Freunde des Schmidt-Theaters aus ganz unterschiedlichen Ecken der Gesellschaft: alte Freaks mit langen Haaren, Anzugträger aus den großbürgerlichen Vierteln der Stadt, ältere Damen mit Segelbräune und Jungunternehmer. Und natürlich die Hamburger Travestie-Künstlerin Olivia Jones. Auch sie hat im Schmidt‘s ihre Karriere begonnen. Heute im atemberaubenden schwarz-rosa Kostüm, auf hohen Hacken über zwei Meter groß:

Jones: "Bisschen "Flash-Gordon" für Arme. Weil hier so Blitze … kann man auf der Straße nicht tragen, nur im Schmidt-Theater!"

Ein paar Meter neben der Aktrice steht auch Kinderlied-Star Rolf Zuckowski. Ein Freund von Corny Littmann, der regelmäßig die Shows besucht. Wie wild, wie schräg, wie anrüchig ist das Theater heute?

Zuckowski: "Das kommt auf den Betrachtungsabstand an. Wenn man ein Hamburger ist und weiß, wie die Reeperbahn tickt, dann ist hier nichts anrüchig! Dann stimmt hier alles. Alles andere muss jeder Besucher selbst definieren."

Die Geburtstag-Party für das Schmidt-Theater ist noch in vollem Gange. Auf dem Spielbudenplatz wird bis in die Nacht gefeiert. Und ganz zum Schluss, das hat er seinen Gästen versprochen, wird Corny Littmann schrecklich betrunken nach Hause wanken.