Hannoveraner IT-Firma Praemandatum

Selbstbestimmt arbeiten

Menschen in Businesskleidung liegen auf dem Rücken, als würden sie durchs Büro tanzen
Arbeiten mal anders. Bei Praemandatum geht es um Selbstbestimmung und Transparenz. © imago / Westend61
Von Alexander Budde  · 11.03.2015
Viele IT-Firmen üben sich in basisdemokratischen Strukturen, doch so radikal wie Praemandatum aus Hannover hat noch keine die Freiheit organisiert. Transparenz ist das Leitmotiv. Aber die Freiheit hat ihren Preis.
"Moin! Der MC ist auch gerade nicht da? Typisch!"
Peter Leppelt führt durch die frisch gemalerte Büroetage. Hier und dort summen Laptops, doch Hektik und Gedränge gibt es an diesem Morgen nur am obligatorischen Kickertisch. Wie, wann und wo sie ihre Aufgaben erledigen, das entscheiden die gut zwei Dutzend Mitarbeiter selbst. Effizienz und Produktivität der jungen Firma haben darunter keineswegs gelitten, bilanziert Geschäftsführer Leppelt. Der Umsatz stieg im Vorjahr von 200.000 auf rund eine Million Euro, die Zahl der Mitarbeiter hat sich seit der Gründung 2008 verdreifacht. Wachstum ist bei Praemandatum ausdrücklich erwünscht, doch der Höhenflug birgt auch Risiken:
"Sobald ein Unternehmen oder eine Organisation wächst, neigt sie dazu, seltsam zu werden – und alle Ideale fahren zu lassen! Spätestens wenn ein mittleres Management eingeführt wird, ist es meiner Erfahrung nach ganz häufig so, dass in vielen Unternehmen falsche Anreize gesetzt werden."
Macht korrumpiert
Macht korrumpiert, doch ohne Projektleitung würde auch Praemandatum nicht funktionieren. Darum gibt es so genannte Führungslinienleiter, intern MC genannt, das steht für Master Chief, Hauptfigur eines Videospiels.
"Die sind üblicherweise thematisch sortiert. Das hat den Hintergrund, dass man reaktionsfähig sein muss als Unternehmen. Es hilft auch nichts wenn man sich ständig tot redet, jahrelang wie das bei den Linken in den Sechzigern und Siebzigern der Fall war."
Per Mehrheitsvotum sind auch MCs abwählbar, bis hinauf zu Leppelt selbst. Wer über alles mitentscheidet, muss auch über alles Bescheid wissen. Transparenz ist ein Leitmotiv, doch nicht jeder hält so viel Freiheit aus.
"Selbstausbeutung, da sind auch alle angehalten, dass bei anderen zu beobachten. Wenn jemand sich hier zu sehr reinsteigert, dann wird das entsprechend angetriggert. Es gibt hier niemanden, der nicht seine Meinung sagt."
Schauplatz der Generalaussprache ist die Küche
Vollkornpasta dampft in der Mikrowelle. Der lange Tisch neben der Küche ist einmal in der Woche Schauplatz einer Generalaussprache - bislang der einzige für alle verbindliche Pflichttermin. Frithjof Schulze sitzt dort mit seinen geschmorten Auberginen. Er leitet das so genannte Laboratorium, eine Abteilung, die Produkte aber auch Dienstleistungen für andere Firmen entwickelt. Als MC läuft Schulze Gefahr, sich mehr Arbeit aufzuhalsen als andere, auch mehr Ärger und Verantwortung. Was bewegt ihn dazu? Der monetäre Anreiz soll es nicht sein.
"Auf der einen Seite, denke ich, ist es eine soziale Verantwortung: einer muss es nun mal tun! Auf der anderen Seite hat man die Möglichkeiten, mehr zu strukturieren, zu gestalten ist das richtige Wort."
Doch was ist, wenn eines Tages Hunderte Mitarbeiter an komplexen Projekten arbeiten und sich zugleich über sämtliche Weichenstellungen für das Unternehmen verständigen müssen?
"Das sogenannte Holodeck, der Name wurde abgestimmt, das merkt man vielleicht auch (lacht)!"
Nicht bereit, Freiheiten zu opfern
Peter Leppelt zeigt stolz das jüngste Planungswerkzeug, mit dem sie die Abläufe an die neuen Strukturen anpassen wollen. Künftig sollen die MCs eine gewisse Arbeitszeit der Mitarbeiter einem Projekt fest zuweisen können.
"Wenn ein Kunde jetzt sagt, Wie lange werden Sie brauchen?, dann muss natürlich der entsprechende Führungslinienleiter wissen, welche Leute kann er einsetzen. Das ist in einer derart freien Kultur extrem schwierig - und da wir nicht bereit waren, die Freiheiten zu opfern, haben wir uns halt überlegt, wie kann man das sinnvoll planen?
Und daran arbeiten sie bei Praemandatum gerade.
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