Hannes Schneider

Pionier des Skisports

Blick auf die romantisch verschneite Ortschaft St. Christoph am Arlberg in Tirol
Blick auf die romantisch verschneite Ortschaft St. Christoph am Arlberg in Tirol: Die Berge waren Kulisse für viele Bergfilmschnulzen mit Hannes Schneider. © dpa / picture alliance / Susanne Mayr
Von Thomas Jaedicke · 24.06.2015
Hannes Schneider brachte der Welt das Skifahren bei, gleichzeitig war er Star vieler deutscher Heimatfilme. 1938 wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet - konnte aber in die USA auswandern. Vor 125 Jahren wurde er geboren.
Als der Tiroler Skipionier Hannes Schneider der Berliner Ausdruckstänzerin Leni Riefenstahl 1931 im schneeweißen Tiefschnee des Schwarz-Weiß-Films "Der weiße Rausch" erklärt, wie das mit dem Stemm- und Parallelschwung richtig funktioniert, ist Skifahren noch kein Massensport und der Arlberg noch kein Dorado des alpinen Skitourismus.
Aber es dauert nicht mehr lange, bis es losgeht. Zu Beginn der 30er-Jahre haben Bergfilmschnulzen Hochkonjunktur. Mit seichter Handlung und atemberaubenden Landschaftsaufnahmen gelingt es Regisseur Arnold Fanck, dem Erfinder des Genres, immer mehr Großstädter aus dem kuscheligen Kinosessel in die imposanten Alpen zu locken. Fesche Naturburschen wie der Tiroler Architekt Luis Trenker - selbst mit einem prachtvollen Gebirgsschädel ausgestattet - und Hannes Schneider sind die männlichen Stars dieser Schmonzetten. Schneider ist Skilehrer. Geboren am 24. Juni 1890 in Stuben am Arlberg, sieht er als zehnjähriger Bub die ersten Einstockfahrer, mehr schlecht als recht, den Berg hinunterrutschen. Doch schon 1910 ist er einer der ersten festangestellten Skilehrer der Region. Zu einer Zeit, als nicht mal die Einheimischen wissen, wie man richtig auf den schmalen Holzbrettern steht.
"Hat schließlich ein Bergführer erklärt, ja, er hat ein Paar Ski und kann auch bergauf gehen. Aber bergab fahren, das kann er nicht machen. Na, wir haben ihn mitgenommen, und er hat auch ganz nett geschleppt bis zur Hütte."
Regisseur Arnold Fanck hat jedenfalls damals große Probleme, das richtige Personal für seine Bergfilme zu finden.
"Als er aber an die erste Gletscherspalte kam, hat ihn so das heilige Grausen gepackt, da hat er seine Skier abgeschnallt und ist zu Fuß gegangen."
Hannes Schneider, der schon 1921 seine eigene Skischule eröffnen kann, schafft Abhilfe. 1930 ist er so bekannt, dass er zu einer zweimonatigen Vortragsreise nach Japan eingeladen wird, um die Skifans in Fernost in die technischen Feinheiten seiner Arlberg-Technik, deren Hauptmerkmal die tiefe Hocke ist, einzuweihen.
Daheim boomt die Skischule. 1931 eröffnen im Ort acht neue Frühstückspensionen, mehrere Häuser werden modernisiert und vergrößert. Hannes Schneider ist das unermüdliche Zugpferd. Im darauffolgenden Jahr kommen allein aus Deutschland 2.000 Skischüler in die österreichischen Ostalpen, um beim leutseligen Tiroler Original zu lernen.
Auswanderung gegen Zahlungsaufschub
Das jährliche Arlberg-Kandahar-Rennen, das Schneider 1928 erstmals zusammen mit dem Briten Arnold Lunn organisiert, lockt in den folgenden Jahren immer mehr internationale Touristen. Die Kombination aus Abfahrt und Slalom am Arlberg ist bis heute ein Markenzeichen des professionellen Alpinen Skirennsports. Nachdem die Nazis 1933, kurz nach der Machtergreifung, die 1.000-Mark-Sperre einführen, um Österreichs Wirtschaft zu schwächen, bricht die Zahl der Urlauber aus Deutschland jedoch dramatisch ein. Kaum jemand ist bereit, die nun beim Grenzübertritt fällige Gebühr von 1000 Reichsmark zu zahlen. Der politische Umbruch in Deutschland hat auch Folgen für Schneiders Skischule in St. Anton.
"Der Hannes Schneider, der ja als wirklicher Feind des Nationalsozialismus gegolten hat, hat sich dann auch schon Feinde innerorts geschaffen", erinnert sich Helmut Mall, St. Antons Bürgermeister. "Denn er hat dort die Skilehrer oder bestimmte Personen, wo er gewusst hat, die sympathisieren mit dieser Bewegung, hat er von der Skischule entlassen. Und das, schlussendlich, ist ihm dann ja 1938 auch zum Verhängnis geworden."
Am 12. März 1938, dem Tag des Anschlusses Österreichs ans Deutsche Reich, wird Hannes Schneider verhaftet. Nach 26 Tagen Haft auf Schloss Landeck kommt er schließlich frei und kann mit seiner Frau und den beiden Kindern in die USA ausreisen. Harvey Dow Gibson, als schwerreicher Vorsitzender eines amerikanischen Bankenkonsortiums für die Abwicklung kurzfristiger Kreditgeschäfte mit Nazi-Deutschland zuständig, hat den Deal eingefädelt. Um seinen schneearmen Geburtsort North Conway am Atlantik in New Hampshire mit Pisten und Liften in ein Wintersportparadies zu verwandeln, braucht er den Besten: Hannes Schneider. Im Gegenzug gewährt er Reichsbankpräsident Schacht, den er seit Jahrzehnten kennt, Zahlungsaufschub bei der Rückzahlung deutscher Schulden an Amerika. Hannes Schneider löst auch seine neue Aufgabe mit Bravour, bevor er am 26. April 1955 im Alter von 64 Jahren in den USA stirbt.
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