Hannelore Kraft: Mit CDU kein Politikwechsel möglich

Hannelore Kraft im Gespräch mit Barbara Schmidt-Mattern · 12.06.2010
Die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft hat Koalitionsgesprächen mit der CDU eine Absage erteilt. Unser Interesse ist es nicht, Neuwahlen herbeizuführen, sondern wir wollen politische Inhalte verändern, und das können wir und das werden wir, erklärt Kraft.
Hannelore Kraft: Die FDP konnte und wollte irgendwann nicht mehr, denn sie muss natürlich große inhaltliche Veränderungsprozesse jetzt vollziehen, das wird sicherlich noch dauern, und bei der CDU hat die Sondierung deutlich gemacht, dass ein Politikwechsel, wie ich ihn gerade beschrieben habe, mit der CDU derzeit nicht möglich ist. Und das kann ich noch etwas genauer fassen im Bereich Bildung: Wir wollten das längere gemeinsame Lernen für alle Kinder, wir wollten im kommunalen Bereich eine Rückabwicklung bei den kommunalen Unternehmen bei dem Paragrafen 107, damit die wieder wirklich frei tätig werden können, aber ganz wichtig der Bereich Arbeit, weg von dem Weg in die Dumpinglohn- und Niedriglohngesellschaft. Alles das sind Themen, die die CDU mit uns im Sinne eines Politikwechsels nicht bereit ist zu vollziehen. Und deshalb sage ich, wir haben alles ernsthaft sondiert, aber eine Bildung einer stabilen Regierung war nicht möglich.

Barbara Schmidt-Mattern: Lassen Sie mich da einmal nachfragen: Während der Sondierungsgespräche in der letzten Woche mit der CDU ist ja auch deutlich geworden, dass man in so einem frühen Stadium noch nicht alle Karten auf den Tisch legen kann, das haben Sie ja zwischenzeitlich auch über Sondierungen gesagt. Die CDU hat Ihnen ja mehrfach deutlich die Hand ausgestreckt, symbolisch oder auch sehr konkret. Wäre da nicht noch ein Weg möglich gewesen, um auch diesem Bundesland eine Regierung zu ermöglichen jetzt bald?

Kraft: Die CDU hat in den Sondierungen praktisch keine Karten auf den Tisch gelegt, das war alles sehr vage. Ich habe von den Brücken im Nebel gesprochen. Da gab es an einigen Punkten Übereinstimmungen, die zwischen den beiden großen Parteien eh bestehen, es gab ein paar Wege, die aufgezeigt wurden, aber eben nicht in den Feldern, die ich gerade genannt habe. Danach gab es Angebote über die Presse, das, finde ich, hat mit gutem politischen Stil nicht viel zu tun. Der Ministerpräsident hat sich dann gemeldet, und wir haben dann noch mal ein Acht-Augen-Gespräch geführt, aber auch da kam es nicht zu wirklichen Konkretisierungen, auch dort konnten wir nicht den Eindruck gewinnen, dass ein Politikwechsel in dieser Art und Weise mit der CDU möglich ist. Und auf dieser Basis ist dann auch der Beschluss gefallen.

Schmidt-Mattern: Das heißt, jetzt kommt eine Minderheitenregierung oder wie geht es weiter?

Kraft: Wir sind uns einig darüber, dass wir eine Minderheitenregierung derzeit nicht anstreben.

Schmidt-Mattern: Warum nicht?

Kraft: Na ja, wir haben da das Für und Wider abgewogen, wir wollen inhaltliche Veränderungen, und wir werden jetzt, nachdem das Reden jetzt beendet ist, zum Handeln übergehen und wir werden den Politikwechsel im Parlament vollziehen – über Anträge, über Gesetzentwürfe. Dafür gibt es Mehrheiten im Parlament, und die werden wir suchen und dann auch finden.

Schmidt-Mattern: Inwieweit spielt da eine Rolle, dass Sie sich nicht auf die Linkspartei verlassen wollten, die Ihnen als Minderheitenregierung dann mit Stimmen zu Anträgen verhelfen würde, diese durchzusetzen?

Kraft: Nein, das war überhaupt nicht Gegenstand der Debatte muss ich sagen, sondern es ging um die Frage, um was geht es uns. Und uns geht es um Inhalte. Und das können wir jetzt im Parlament und das werden wir auch tun. Es gibt eine amtierende Regierung und das Parlament entscheidet, und diese Entscheidung werden wir herbeiführen.

Schmidt-Mattern: Nun heißt es aber ja auch, dass wenn diese schwarz-gelbe Landesregierung erst einmal geschäftsführend im Amt bleibt, dass damit auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat erst einmal erhalten bleibt. Müsste Ihnen nicht daran gelegen sein, an diesem Zustand möglichst schnell etwas zu ändern, wie Sie es ja auch im Wahlkampf immer angekündigt haben?

Kraft: Ich sage ja bewusst, derzeit streben wir das nicht an, und für uns ist ja auch klar, dass wir sehen müssen, was passiert gesamtpolitisch, es gibt ja im Moment viele Veränderungen. Wenn ich mir den desolaten Zustand der Bundesregierung anschaue, weiß man auch nie, was dort passieren wird. Wir werden jetzt über das Parlament agieren, das haben wir uns vorgenommen. Wir sind da gut vorbereitet, auch vonseiten der Landtagsfraktion. Das ist der Weg, den wir jetzt beschreiten wollen. Und ich glaube, dass man da eine Menge bewegen kann.

Schmidt-Mattern: Sie schließen aber Neuwahlen nicht aus?

Kraft: Unser Interesse ist es nicht, Neuwahlen herbeizuführen, sondern wir wollen politische Inhalte verändern, und das können wir und das werden wir.