Handgemachte Filmplakate

Die Kinomalerin

Die Filmplakatmalerin Katrin Wulfers in ihrem Atelier in Bremen
Die Filmplakatmalerin Katrin Wulfers in ihrem Atelier in Bremen © picture alliance / dpa
Von Franziska Rattei  · 07.01.2015
Handgemalte Plakate wecken offenbar weniger Aufmerksamkeit für neue Filme als Trailer und Leuchtreklame. Deshalb verzichten die meisten Kinos darauf. Katrin Wulfers arbeitet als eine der letzten Filmplakat-Malerinnen gegen den Trend.
Katrin Wulfers hat den großen alten Tisch in ihrem Esszimmer beiseite gerückt. In die Schiebe-Glastür hat sie eine Decke geklemmt, und vor das Fenster eine Matratze gewuchtet. Daran lehnt eine große weiß grundierte Leinwand. Die Filmplakat-Malerin kann nur im Dunkeln arbeiten.
"So, jetzt fang ich mal an. Ich mach mal das Gerät an, das tolle Episkop."
Von Katrin Wulfers handgemalte Filmplakate zu den Filmen "Homesman" und "Wild Tales" am Bremer Kino Schauburg
Von Katrin Wulfers handgemalte Filmplakate zu den Filmen "Homesman" und "Wild Tales" am Bremer Kino Schauburg© Deutschlandradio / Franziska Rattei
Und schon taucht auf der Leinwand der aktuelle Auftrag auf. Über einen Spiegel projiziert das Episkop einen Fotodruck auf die weiße Fläche. Aus einer DinA 4-großen Vorlage wird ein drei Quadratmeter großes blasses Bild: eine Frau stützt sich auf einen Tisch auf, vor ihr eine mehrstöckige Hochzeitstorte, obendrauf ein Brautpaar. Das lange, schwarze Haar der jungen Frau ist zerzaust, auf ihrer Stirn klebt ein großes Pflaster. Ihr weißes Hochzeitskleid hat rote Flecken. In der rechten oberen Ecke der Schriftzug: „Wild Tales. Jeder dreht mal durch" - eine spanisch-argentinische schwarze Komödie.
"Die Frau mache ich bisschen... ich glaub, ich werd sie bisschen an sie Seite tun, so... Und damit da rechts an der Seite den Titel ein bisschen größer machen kann. So bastel ich mir das dann immer zusammen."
Einzigartig, aber keine Kunst
Katrin Wulfers schiebt und rückt die Vorlage auf dem kleinen Tischchen unter dem Lichtstrahl hin und her. So richtet sie ihr Film-Plakat ein. Motiv und Schriftzug geben die Auftraggeber vor: das Kino um die Ecke beziehungsweise der Film-Verleih. Das fertige Bild muss nicht aussehen wie ein gedrucktes Plakat, aber die Schauspieler müssen natürlich erkennbar bleiben. Weniger als eine Handvoll Kinos in Deutschland leisten sich die Filmplakat-Malerei noch. Sie verwenden stattdessen Fotografien vom Verleih- das ist einfacher und preiswerter; allerdings auch austauschbar. Katrin Wulfers Plakate sind einzigartig; aber trotzdem keine Kunst, sagt die Malerin. Es geht ums Handwerk.
"Das Motiv ist vorgegeben. Das ist eine ganz klare Dienstleistung. So sehe ich das. Und ja, dann fang ich jetzt mal an. Weil ich muss ja auch fertig werden."
Weil Katrin Wulfers mit Acrylfarben arbeitet, die nach dem Trocknen nicht mehr wasserlöslich sind, streift sie sich einen dünnen Einmalhandschuh über die rechte Hand. Dann beginnt die Malerin damit, die projizierten Umrisse mit schwarzer Farbe auf die Leinwand zu bringen. Sie beginnt links und arbeitet sich nach rechts vor, damit sie nichts verwischt. Maximal acht Stunden braucht Katrin Wulfers für ein Plakat. Und während das eine noch in Arbeit ist, hängt ein anderes bereits mitten in Bremen am Kino um die Ecke.
Die "Schauburg" ist ein kleines Filmkunst-Theater: rote Markise, Kaffeehausstühle vor dem Eingang, und darüber: zwei von Katrin Wulfers Plakaten. Dass sie gemalt und nicht gedruckt sind, erkennt jeder, der mit der Straßenbahn daran vorbeifährt oder beim Spazieren nach oben blickt.
Manfred Brocki leitet die "Schauburg" seit Jahrzehnten. Im Café im ersten Stock hat er sich mit ein paar Kollegen für ein Arbeitstreffen verabredet.
"Ich bin auch ein bisschen altmodisch scheinbar. Auch wenn man sich hier so im Café umschaut, sieht man viele Bilder von Gästen, die die letzten 30 Jahre hier waren. Ja, das macht mir halt Spaß."
Die gemalten Filmplakate sind ein Teil von Brockis Retro-Faible, aber auch ein Alleinstellungsmerkmal des Filmkunsttheaters. Deshalb investiert Brocki monatlich ein paar hundert Euro in Katrin Wulfers' Arbeit.
"Das macht einen Unterschied. Das ist der Grund. Wir sind in Unterscheidung zu anderen Kinos, zum Beispiel auch in dieser Form. Da zeigen wir außen ganz klar, dass wir doch ein bisschen anders sind."
Deutschlandweit ist die Filmplakat-Kunst beinahe ausgestorben. Brocki weiß von nur drei anderen Kinos, die noch auf diese Art Werbung setzen. Aber solange es die Schauburg gibt, sagt er, gibt es auch Katrin Wulffers gemalte Plakate.
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