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Grimme-Preise
"Eine gewisse Aufbruchstimmung"

Die Gewinner der diesjährigen Grimme-Preise stehen fest. Die Direktorin des Grimme Instituts, Frauke Gerlach, bescheinigt den Fernsehmachern in diesem Jahr besonders viel Kreativität. "Es wurde an neuen Dingen experimentiert", sagte sie im DLF. "Man hatte das Gefühl, in 2015 ist einiges passiert."

Frauke Gerlach im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 09.03.2016
    Frauke Gerlach, die Direktorin des Grimme-Instituts, in beiger Kleidung mit beiger Brille vor beigem Hintergrund.
    Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts (Imago / Horst Galuschka)
    Stefan Koldehoff: Eisenach geht nach Berlin, wenn es um größere Aufmerksamkeit geht, und das Grimme Institut aus Marl hat sich heute aus gleichem Grund für Essen entschieden, um bekannt zu geben, wer in diesem Jahr die Grimme-Preise erhält, die nach wie vor wichtigste Auszeichnung für Produktionen und Leistungen, die - Zitat - "die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein können." Seit heute Mittag steht nun also fest, für wen das in diesem Jahr zutrifft, und die Pressemitteilung dazu beginnt mit den Worten: "Durchmarsch der Serie in der Fiktion und erfolgreiche Bilanz der privaten Sender." Frauke Gerlach ist Direktorin des Grimme Instituts. An sie die Frage: Private gegen Öffentlich-Rechtliche. Das sind auch 30 Jahre nach dem Start der Privaten bei uns immer noch zwei Kategorien?
    Frauke Gerlach: Nicht zwei Kategorien, aber es ist tatsächlich so, dass die privaten Veranstalter in den vergangenen Jahren nicht sehr viel Raum gefunden haben beim Grimme Preis. Das liegt allerdings auch nicht an der Böswilligkeit des Grimme Preises, sondern schon auch an den Kriterien und an dem Qualitätsniveau. Und es ist ja jetzt so: Auch öffentlich-rechtliche Sender, da gibt es keinen Automatismus, dass die jedes Mal einen Durchmarsch haben, oder einzelne Veranstalter. Aber es ist so, dass in diesem Jahr die Privaten wirklich in Inhalte investiert haben, und das zeigt sich, es wird dann auch mit einem Grimme Preis belohnt - vielleicht nicht immer mit der Quote wie bei "Deutschland '83" leider, aber Qualität wird dann von den Juroren und Nominierungskommissionen von Grimme identifiziert und auch belohnt, und das freut mich sehr.
    "Die Fiktion ist dieses Jahr schon sehr besonders"
    Koldehoff: Nun machen wir ja hier beim Deutschlandfunk überhaupt kein Fernsehen. Deswegen kann ich ganz unbedarft und naiv fragen. Erzählen Sie doch mal: Einen Titel haben Sie gerade schon genannt. Die ganze Liste kriegen wir wahrscheinlich nicht durch in unserer Sendezeit. Aber was waren denn herausragende Beispiele? Was war Grimme-Preis-würdig?
    Gerlach: Wir haben tatsächlich in der Fiktion drei Serien ausgezeichnet. Da ist die Kombination sehr interessant: Eine dritte Staffel von "Weißensee", eine Serie, die die Zeit, das Leben in der ehemaligen DDR erzählt und bis zur Wendezeit erzählt hat und sich gesteigert hat, so die Auffassung der Jurys. Wir haben mit "Weinberg" eine Mystery-Serie, die im Ahrtal spielt, und es ist mit TNT als einem Bezahlsender auch nicht ganz üblich, dass die tatsächlich so ein Serienformat entwickeln. Und ein ganz besonderes kleines Stück mit "Patong Girl", wo es um die Liebesgeschichte geht eines jungen Mannes in Thailand mit einer Ladyboy, auch ein Stück, was man jetzt so auch nicht erwartet von Grimme. Deswegen ist die Fiktion dieses Jahr schon sehr besonders, vor allen Dingen, weil Stücke auch zurückgeblieben sind, die herausragend sind und man bei Grimme vermutet hätte.
    "Für Jugendliche oder junge Erwachsene gibt es relativ wenig"
    Koldehoff: Es sind fünf Preise in der Kategorie Information und Kultur vergeben worden. Es gibt einen zum ersten Mal verliehenen Preis für eine besondere journalistische Leistung innerhalb der Kategorie Information und Kultur. Daniel Harrich bekommt das für ein ganzes Team für einen Beitrag zum Thema tödliche Exporte. Und es gibt eine andere Kategorie, die neu ist, nämlich Kinder und Jugend. Warum eigentlich erst jetzt? Durfte man das vorher nicht, weil Kinder und Fernsehen irgendwie dann doch noch nicht ging?
    Gerlach: Auf jeden Fall ist es höchste Zeit, dass Grimme sich um diese Zielgruppe kümmert, und deswegen habe ich sie auch mit großer Freude jetzt eingeführt. Wir wollen ja auch mit den Preisen Orientierung für Qualität geben. Es geht auch um Bilden und wir haben festgestellt - und auch das sind Dinge, die wir gerne diskutieren wollen und in die Öffentlichkeit bringen wollen -, dass die Sender bei der Zielgruppe Kinder mittlerweile eine sehr gute Qualität entwickelt haben. Für Jugendliche oder junge Erwachsene gibt es relativ wenig. Wir wünschen uns, dass wir auch den privaten Sektor dort stimulieren, und es freut mich dann auch, dass mit "Club der roten Bänder" eine Serie, noch eine Serie, die vierte dann, ausgezeichnet wird, die sich an die junge Zielgruppe richtet. Davon wünscht man sich, davon wünschen sich die Juroren mehr und ich glaube auch das junge Publikum.
    "Es gab wirklich eine gute Stimmung"
    Koldehoff: Frau Gerlach, Sie sind selbst ganz bewusst nicht Mitglied der Jury als Direktorin des Grimme Instituts. Aber sie haben bestimmt was gehört aus der Jury. Wie zufrieden war man denn insgesamt mit dem Jahrgang?
    Gerlach: Es gab wirklich eine gute Stimmung, weil man das Gefühl hatte, es ist doch wirklich in 2015 einiges passiert, und dem wollte man - einiges passiert ist gut. Es wurde wirklich kreativ gearbeitet und gut produziert, auch an neuen Dingen experimentiert, auch an kleineren Formaten. So eine gewisse Aufbruchsstimmung, glaube ich, konnte man spüren und auch eine Freude daran, so viel hochwertiges Fernsehen sehen zu dürfen und darüber diskutieren zu dürfen.
    Koldehoff: Sagt Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme Instituts, zu den diesjährigen Grimme Preisen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.