"Haltung wird belohnt und nicht Dagegensein"

Julia Klöckner im Gespräch mit Gabi Wuttke · 30.11.2010
Die Grünen wollen durch eine Dagegen-Haltung beim Thema Stuttgart 21 beim Wähler punkten, kritisiert die CDU-Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner. Sie halte nichts davon, bei Großprojekten "ständig Rollen rückwärts zu machen".
Gabi Wuttke: Über alle Vorschläge unterhalb eines Baustopps oder der Einstellung des Projekts könne man mit ihm reden, auch wenn es zusätzlich Geld kostet. Diese Ansage von Stefan Mappus, christdemokratischer Ministerpräsident in Baden-Württemberg, kommt heute auf den Prüfstand, wenn Heiner Geißler seinen Schlichterspruch zur Zukunft von Stuttgart 21 verkündet – vier Monate vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg, aber auch der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Am Telefon ist jetzt Kurt Becks Herausforderin Julia Klöckner, Landesvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz und seit zwei Wochen auch Mitglied im Bundespräsidium der Partei von Angela Merkel. Guten Morgen, Frau Klöckner!

Julia Klöckner: Hallo, guten Morgen, ich grüße Sie!

Wuttke: Es gibt politische Beobachter, die sagen, wenn sich Ihr Parteikollege Stefan Mappus dem Schlichterspruch beugt, dann werden die Stammwähler der CDU verprellt, die von der Politik und nicht von der Straße regiert werden wollen. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Klöckner: Nein, die sehe ich so überhaupt nicht, denn Stefan Mappus ist ja derjenige gewesen, der erstmals zu Beschlüssen auch gestanden hat. Und aus dem Widerstand, der sich plötzlich ergeben hat, hat er gehandelt daraus, und er hat Heiner Geißler berufen als Schlichter. Und deshalb ist es ja wichtig und auch richtig, dass man einem Schlichterspruch auch zuhört, der verkündet werden wird. Und Stefan Mappus hat auch klar gesagt, es gibt Wege, die er mitgeht, und Wege, die er nicht mitgeht. Und wir sehen es ja auch bei der Zustimmungsrate: In Baden-Württemberg ist die Zustimmung auch zur CDU gestiegen, denn Haltung wird belohnt und nicht Dagegensein.

Wuttke: Aber dann hätte sich doch Ihre Bundesvorsitzende auf dem letzten Parteitag gar nicht so sehr für Stuttgart 21 aus dem Fenster lehnen müssen.

Klöckner: Das heißt ja nicht, dass Parteifreunde sich auseinanderdividieren lassen, und mittlerweile ist ja das Thema Stuttgart 21, weil ja auch Bundesgeld fließt, auch über die Grenzen von Stuttgart, über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus auch interessant geworden. Und da können sich ja auch Politiker, die dazu gefragt werden, auch äußern und vor allen Dingen die Kanzlerin äußern, denn eines wird ja auch klar, wenn man auch mit Blick auf die Grünen schaut: dass die Grünen sich dadurch etablieren, dass sie für Ideen im Bund gefeiert werden, aber sich wählen lassen für das Dagegensein vor Ort. Und diese Widersprüchlichkeiten, die muss man natürlich auch aufdecken.

Wuttke: Das ist ja jetzt interessant, ich habe Sie gar nicht nach gefragt, aber Sie kommen gleich auf die Grünen zu sprechen, um mit den Worten Ihrer Kanzlerin zu sagen, das alles mit den Grünen, die wollen irgendwie gar nicht mehr und geht nicht, ist schon interessant. Warum?

Klöckner: Ja, das muss man eigentlich die Grünen fragen, warum.

Wuttke: Nein, warum kommen Sie sozusagen ungefragt gleich auf ein Feindbild, während wir doch erst mal über die CDU reden wollen?

Klöckner: Also ich hab kein Feindbild, und ich bin, glaube ich, auch – gehöre einer Generation, die mit weitaus weniger Feindbildern als vielleicht die Generation davor aufgewachsen ist. Aber Stuttgart 21 ist natürlich ganz intensiv auch mit den Grünen verbunden, und die Grünen haben da ja auch eine klare Ansage dazu gemacht, dass sie letztlich durch das Dagegensein auch punkten möchten. Insofern ist ja Stuttgart 21 gar nicht zu trennen von der Debatte, wie die einzelnen Parteien dazu stehen.

Wuttke: Also haben Ihnen und der CDU und Stefan Mappus die Grünen eher genutzt denn geschadet.

Klöckner: Ach, das kann ich so gar nicht beurteilen. Es geht jetzt bei Stuttgart 21, wie sich Stefan Mappus verhält als regierender Ministerpräsident, ja darum, was für sein Land gut ist und welche Entscheidungen er mit trägt und wie er sie auch erklärt. Und insofern sind natürlich die Grünen eine Partei, die bundesweit agieren, und wenn wir jetzt Richtung Hamburg schauen, das gehört ja natürlich auch mit dazu, erkennen wir, dass in Hamburg die Grünen beteiligt sind bei der Fällung von 280 Bäumen, aber demonstrieren gegen die Fällung von 282 Bäumen in Stuttgart, obwohl 500 neue Bäume gepflanzt werden. Diesen Zusammenhang, den müsste man sehen, und den will ich auch so sehen, denn eine Verlässlichkeit hat ja auch was damit zu tun, dass mein Wort gilt, unabhängig dort, wo ich gerade stehe, gerade wohne oder Wahlkampf mache.

Wuttke: Was ist denn gut für Ihr Land, wie sehen Sie denn Ihren politischen Kurs in Rheinland-Pfalz, sollten Sie am 27. März in die Position kommen, Verantwortung zu tragen? Wo gehen Sie denn nicht mit?

Klöckner: Also gut für unser Land wäre auf alle Fälle nach 20 Jahren SPD-Regierung ein Wechsel, denn Rheinland-Pfalz ist erlahmt und auch müde geworden durch die absolute SPD-Mehrheit. Wir sind mittlerweile in Schlagzeilen gekommen bundesweit als Rheinland-Pfälzer dadurch, dass es Vetternwirtschaft gerade in den Landesverwaltungen gibt, dass es Fehlkalkulation und Spekulation gibt und erstmal ist alles gut für unser Land, was einen Wechsel herbringt und auch neuen frischen Wind und nicht nur Blick in die Vergangenheit.

Wuttke: Aber wenn Sie jetzt auch sagen, die CDU hat sich wieder inhaltlich auch breiter aufgestellt, sie hat dazugelernt, sie ist dabei, bestimmte Dinge mit zu tragen und neue Wege zu gehen, verbreitet sich damit nicht auch in unguter Weise die Schnittmenge zur politischen Konkurrenz, auch für Sie in Rheinland-Pfalz?

Klöckner: Also so wie Sie es eben gesagt haben, hab ich es ja eben selbst nicht formuliert, oder Sie beziehen sich auf andere Zitate, weiß ich jetzt nicht, worauf Sie sich damit beziehen. Die Schnittmenge in Rheinland-Pfalz zu anderen Parteien zeigt sich, wenn wir die Wahlprogramme vorliegen haben. Die liegen noch nicht vor von den anderen Parteien, und als Allererstes ist ja wichtig, was wollen denn die Parteien für ein Bundesland, für was stehen sie denn. Und dann hat der Wähler das Wort, und danach wird geschaut, wer eben zusammenpasst, wer auch das Votum bekommen hat, überhaupt Koalitionen zu bilden. Und ich kämpfe für eine starke CDU in Rheinland-Pfalz.

Wuttke: Das heißt, bei Großprojekten in Rheinland-Pfalz, zum Beispiel Moselbrücke oder oberes Mittelrheintal, Bürger können damit rechnen, beteiligt zu werden?

Klöckner: Bürger wurden beteiligt, von vornherein. Jetzt zum Beispiel wurden für die Moselbrücke 10.000 Unterschriften pro Moselbrücke übergeben, und …

Wuttke: Gibt aber auch die Gegner, und die nicht wenig.

Klöckner: Ich bin der Meinung, dass wir ganz klar darauf achten müssen, dass wir nicht Stimmungen schüren, die etwas versprechen, was nicht einzuhalten ist. Grundsätzlich bin ich für die Beibehaltung der repräsentativen Demokratie durch gewählte Volksvertreter und dass man mit Entscheidungen auch rechnen kann und die auch über das Morgen hinweg gelten. Zweitens müssen wir aber bei Großprojekten, wo dieses Unwohlsein von Bürgern auch aufkommt, müssen wir früher beginnen, eine öffentliche Bürgerbeteiligung auch anzubieten.

Aber ich halte nichts davon, ständig Rollen rückwärts zu machen bei Projekten, die bereits begonnen sind, die auch eine Genehmigung haben, die auch baufachlich durchgewunken worden sind. Da, glaube ich, werden wir Probleme haben, wenn wir immer wieder neu beginnen, Rollen rückwärts möglich zu machen. Wir brauchen da eine Verlässlichkeit, und deshalb bin ich der Meinung, früher beginnen mit Bürgerbeteiligung, bevor etwas überhaupt ins Rollen kommt, und dann aber auch einen Mediator schon mit einspannen.

Wuttke: Wo sie mitgeht und wo sie nicht mitgeht, dazu die Christdemokratin Julia Klöckner, die Spitzenkandidatin der Christdemokraten für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur, am Tag, an dem das Schlichterurteil über Stuttgart 21 gefällt wird. Frau Klöckner, vielen Dank und schönen Tag!

Klöckner: Guten Tag, gerne, tschüss!

Wuttke: Tschüss!
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