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Bundesliga
"Spannend wie schon lange nicht mehr"

Der "Klassiker" in der Bundesliga hallt nach: Ein hoch umkämpftes 3:2 zwischen Dortmund und Bayern München. Eine Partie, die viel verriet über Kräfteverhältnisse in der Liga, analysierte Dlf-Sportredakteur Bastian Rudde. Die Aufstellung des kranken Mats Hummels sage viel über die Bayern-Baustellen aus.

Bastian Rudde im Gespräch mit Christoph Heinemann | 12.11.2018
    Samstag 10.11.2018, Saison 2018/2019, 1. Bundesliga, 11. Spieltag im Dortmunder Signal Iduna Park, BVB 09 Borussia Dortmund - FC Bayern München, Jubel der Dortmunder Spieler nach Abpfiff:
    Borussia Dortmund setzte sich nach einem hart umkämpften Spiel mit 3 zu 2 gegen Bayern München durch. (imago sportfotodienst)
    Christoph Heinemann: Bevor es jetzt in eine Länderspiel-Pause geht, hat Borussia Dortmund in der Fußball-Bundesliga ein echtes Ausrufezeichen gesetzt: 3 zu 2 im Klassiker gegen die Bayern. Es war das Spiel des Wochenendes. Die Bayern wiederum wirken so verwundbar wie schon lange nicht mehr und es scheint tatsächlich möglich, dass die Meisterschaft dieses Jahr ausnahmsweise mal nicht nach München geht.
    Bastian Rudde aus unserer Sportredaktion. Ist Dortmund gerade Titel-Kandidat Nummer eins?
    Bastian Rudde: Aktuell: Ja. Der BVB ist Tabellenführer und hat sieben Punkte Vorsprung auf die Bayern. Dass die nach elf Spieltagen – wie jetzt – nur Fünfter der Tabelle sind, ist eine absolute Seltenheit. Natürlich kann sich das alles schnell wieder ändern, natürlich haben die Bayern gegen den BVB auch ziemlich gut gespielt und natürlich ist die wirklich entscheidende Phase der Saison üblicherweise das Frühjahr. Aber im Moment hat Dortmund wirklich gute Chancen – es wäre das erste Mal seit sechs Jahren, dass der Titel nicht nach München geht.
    Heinemann: Was macht den BVB gerade so stark?
    Rudde: Unter anderem, dass die neuen Spieler wie Stürmer Paco Alcacer richtig zünden – und dass auch etablierte Spieler wie Marco Reus richtig gut drauf sind. Reus selber hat gegen die Bayern zwei Mal getroffen. Marco Reus: "Ich bin mir auch sicher: In der Vergangenheit hätten wir dieses Spiel nicht gewonnen, vielleicht sogar verloren. Aber vorher nach dem 1:1 hat man gemerkt, dass wir wollen, dass wir da sind. Und dann hat's Bock gemacht mit den Zuschauern, das war unglaublich, diese Stimmung. Ja: echt stolz."
    Und solche Begriffe wie Stolz und Bock – die signalisieren einen weiteren Pluspunkt, den der BVB gerade hat: die Leichtigkeit, die sich dann einstellt, wenn einem Vieles bis Alles gelingt.
    Heinemann: Was macht die Bayern gerade vergleichsweise schwach?
    Rudde: Verschiedene Dinge. Unter anderem, dass ihnen offenbar die Leichtigkeit fehlt. Die Bayern wirken verbissen. Und es macht den Eindruck, dass sie sich selber im Weg stehen – auch durch Aktionen neben dem Platz. Franck Ribery ist in Dortmund zum Beispiel mit einem französischen Fernsehexperten aneinander geraten, was jetzt für Unruhe sorgt. Die Ehefrauen von Bayern-Spielern kommentieren teilweise neuerdings Trainerentscheidungen in sozialen Netzwerken. Und auch auf dem Platz haben sich die Bayern gegen den BVB selber geschwächt – und zwar, indem Nationalspieler Mats Hummels in der Startelf stand, obwohl er erkältet war. Wollte Hummels offenbar selber so – und er hat es nach dem Abpfiff bereut.
    Hummels: "Ja, ich bin leider gestern krank geworden, heute richtig. Ich wollte das Spiel nicht hergeben, vielleicht hätte ich zur Halbzeit den Schlusstrich ziehen sollen. So habe ich diese zwei richtig fiesen Szenen, wo ich zwei Mal den Ball verliere als letzter Mann. Da ist zwar kein Tor draus passiert, aber darf natürlich nicht passiern, gibt dem Gegner Aufschwung."
    Jeder Hobbysportler weiß, dass man bei einer Erkältung besser Pause macht. Ein kranker Profi der Bayern steht in einem superwichtigen Spiel aber 65 Minuten auf dem Platz. Ganz sicher nicht vorbildlich – und zudem eine dieser hausgemachten Bayern-Baustellen aktuell.
    Heinemann: Welche Konsequenzen werden die Bayern daraus ziehen?
    Rudde: Die Vereinsführung hat gesagt, was sie nicht machen wird – nämlich in der Winterpause im großen Stil neue Spieler kaufen. Auch ein Trainerwechsel scheint gerade kein Thema. Vereinspräsident Uli Hoeneß hat gesagt, dass die Bayern in einem Umbruch sind, der sich dann wohl nächsten Sommer in neuen Spielern äußern könnte. Heißt also für den Rest der Liga, dass es diese Saison abwechslungsreich bleiben könnte – und das freut BVB-Trainer Lucien Favre: "Das Niveau ist sehr, sehr gut dieses Jahr in der Bundesliga, es ist sehr schwer gegen fast alle Mannschaften zu spielen. Du weißt nicht, was Du am Ende hast und das ist gut für die Bundesliga finde ich."
    Und da kommen dann natürlich auch Teams wie Frankfurt, Leipzig und Gladbach ins Spiel, die gerade richtig gut drauf sind und in der Tabelle vor Bayern stehen. Die wiederum sollte man aber noch nicht abschreiben. Also: Spannend wie schon lange nicht mehr.
    Heinemann: Jetzt stehen zwei Spiele der Nationalmannschaft an. Worum geht es da?
    Rudde: Darum, dass die Nationalmannschaft dieses für sie insgesamt sehr schlechte Jahr einigermaßen versöhnlich abschließen will. Am Donnerstag steht ein Testspiel in Leipzig gegen Russland an. Am Montag geht’s in Gelsenkirchen gegen die Niederlande darum, nicht aus der neuen Nations League abzusteigen.