Gute Laune als Lebensprinzip

Vorgestellt von Anke Leweke · 02.07.2008
In "Happy-Go-Lucky" lockt eine stets gut gelaunte junge Lehrerin ihre pessimistische Umgebung aus der Reserve. Sally Hawkins erhielt für die Hauptrolle den Silbernen Bären als Beste Darstellerin der Berlinale 2008. Im Dokumentarfilm "Auge in Auge - Eine deutsche Filmgeschichte" stellen zehn prominente deutsche Regisseurinnen und Regisseure ihre Lieblingsfilme vor.
"Happy-Go-Lucky"
Großbritannien 2008, Regie: Mike Leigh, Hauptdarstellerin: Sally Hawkins, Länge: 118 Minuten, ab 6 Jahre
Sitzen wir hier wirklich in einem Mike-Leigh-Film? Bekannt geworden ist der britische Regisseur mit Sozialdramen, in denen er immer wieder das Thatcher-England kritisierte. Wie sein Kollege Ken Loach geht auch Leigh mit seiner Kamera stets in die tristen Wohnzimmer der englischen Arbeiterklasse, folgt ihrem Alltag und ihrem Kampf um Job, Überleben und ein bisschen Würde.

Man trifft auf resignierte Menschen, die für die Stagnation und Lethargie einer Gesellschaft stehen. Und jetzt? Die Heldin von Leighs neuem Film ist ein Sonnenscheinchen, eine ausgelassene junge Frau, die für jeden Lacher zu haben ist, die mit absurdem Blick leichtfüßig durchs Leben wandelt. Poppy ist zum Glück entschlossen und die gute Laune ihr Lebensprinzip. Damit lockt sie ihre pessimistische Umgebung immer wieder aus der Reserve. Doch bekommen wir es hier nicht mit einer oberflächlichen Figur zu tun, ganz bewusst hat sich Poppy für diese Lebenshaltung entschieden, die sie letztlich mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betreibt. Kichernd bastelt sie bunte Masken, mit denen sie später ihre Schüler erfreut. Überhaupt glaubt die junge Frau an ihren Job als Lehrerin.

Auch wenn Poppy als Mike Leigh-Figur überrascht, bleibt sie keine Kunstfigur, keine Drehbuchidee. Wie alle Mike-Leigh-Heldinnen und -Helden lernen wir auch sie durch ihren Alltag kennen. Man sieht sie in der Schule, beim Feierabendbier im Pub oder während der Fahrstunden mit einem mürrischen Lehrer. Dass die Figuren bei Leigh so real wirken, hängt mit seiner Arbeitsweise zusammen. Lange vor Drehbeginn trifft er sich mit den Darstellern, um gemeinsam zu proben und sich kennenzulernen.

Leigh geht es darum, die ganze Welt einer Figur zu erschaffen, ihre Geschichte, die sich in der Zusammenarbeit mit den Schauspielern durch eine Mischung aus Improvisation und Recherche Stück für Stück entwickelt. Es sind diese intensiven Vorbereitungszeiten, die den Eindruck erwecken, dass jeder Blick, jeder Satz aus der Unmittelbarkeit des Lebens kommt.

Kurzum: wie immer bei Mike Leigh glaubt man sich auch hier mitten im Leben. Wieder ist er seinem Anspruch gerecht geworden: "Außergewöhnliche Filme über das gewöhnliche Leben zu machen."
"Auge in Auge - Eine deutsche Filmgeschichte"
Deutschland 2008, Regie: Michael Althen, Hans Helmut Prinzler, 106 Minuten, ohne Altersbeschränkung

Dieser Film ist eine große Liebeserklärung an das deutsche Kino. Der Filmhistoriker Hans Helmut Prinzler und der Filmkritiker Michael Althen baten zehn prominente deutsche Regisseurinnen und Regisseure ihre Lieblingsfilme mit Ausschnitten vorzustellen.

Wim Wenders hat sich Fritz Langs "M - eine Stadt sucht einen Mörder" ausgesucht, um das expressionistische Kino der zwanziger Jahre zu würdigen. Tom Tykwer erinnert sich an den Schrecken, den der Schatten von Murnaus "Nosferatu" bei ihm auslöste. Andreas Dresen erinnert mit "Solo Sunny" daran, dass es auch in der DDR das sogenannte Autorenkino gab. Diese sehr aufschlussreichen und emphatischen Ausführungen werden durch thematische Montagen verbunden, in denen Leitmotive wie Blicke, Telefonate oder das Rauchen aus 110 Jahren deutscher Filmgeschichte zusammengeschnitten sind. Es ist ein großes Wiedersehen mit Romy Schneider, Hildegard Knef, Peter Lorre, Otto Sander – mit großen aber auch mit vergessenen Stars.
Plakat des Films "Auge in Auge"
Plakat des Films "Auge in Auge"© Zorrofilm