Gustl Mollath

Ende einer juristischen Farce

Überkorrekt mit rotem Schlips: Gustl Mollath
Überkorrekt mit rotem Schlips: Gustl Mollath © picture alliance / dpa / David Ebener
Von Susanne Lettenbauer · 14.08.2014
Das Urteil im Wiederaufnahmeverfahren stand schon lange fest: Das Landgericht Regensburg hat Gustl Mollath freigesprochen. Zufrieden sein kann mit dem juristischen Spagat niemand.
Selten stand ein Urteil schon so früh fest wie beim Wiederaufnahmeverfahren Mollath. Am Ende würde ein Freispruch stehen, wussten das Gericht, die Verteidiger und der Oberstaatsanwalt bereits Anfang Juli. Juristisch gesehen eine saubere Sache, denn schlechter gestellt dürfte ein Angeklagter bei einem Wiederaufnahmeverfahren nicht werden, so das Gesetz.
Zuhörer reiben sich indes die Augen. Wozu ein Verfahren, wenn das Urteil bereits feststeht? Worum geht es da eigentlich? Was ist das für eine Farce? Eine Rolle rückwärts ins Jahr 2006, als das Verfahren gegen einen gewissen Gustl Ferdinand Mollath aus Nürnberg, der seine Frau schlägt, Autoreifen zersticht und komische Briefe von Schwarzgeldgeschäften schreibt, in vier Stunden abgehandelt wurde? Denn: die Frau des Richters war krank.
2006 stand am Ende der Gang vom Gerichtssaal in die geschlossene psychiatrische Anstalt. Zwar freigesprochen, aber weggeschlossen. Sieben Jahre wurden daraus. Regelmäßig begutachtet von Psychiatern, die Gustl Mollath nie selbst gesprochen haben, sondern per Ferndiagnose oder weil sie beim Kollegen abschrieben, Jahr um Jahr als gemeingefährlich und deshalb in die Forensik gehörend einschätzten. So wie bei vielen ihrer Patienten, sagen Betroffene.
Familie Mollath kein Einzelfall
Was genau da abging in der Forensik des Bezirkskrankenhauses Bayreuth, weiß keiner. Ein Video zeigt Mollath mühsam ein Schluchzen unterdrückend, an den Händen Handschellen. Weil er seine Frau geschlagen haben soll? Die es noch nicht einmal für nötig hält, selbst von den Verletzungen vor Gericht zu erzählen.
Es ist nun mal so, dass Familie Mollath da ja kein Einzelfall wäre, immer wieder gibt es tätliche Auseinandersetzungen in Familien, die bekannt werden oder auch nicht. Aber trotz Freispruch mit Handschellen vorgeführt zu werden, als verrückt erklärt zu werden, als gemeingefährlich, weil Gutachter Ferndiagnosen stellen und Richter keine Zeit haben, das ist schon mehr als unglaublich.
Klar soll Gustl Mollath Briefe geschrieben haben an Gott und die Welt, an die UNO, an Kofi Annan, an den Papst, das klingt schräg und ein bisschen abgedreht, aber ist man dann gleich gemeingefährlich? Heute tritt der 57-jährige Gustl Mollath überkorrekt auf, mit rotem Schlips und Einstecktuch. Nur keine Fehler mehr machen, das hat er gelernt. Auch dass er jetzt zufrieden sein sollte mit dem Freispruch.
Aufatmen sieht anders aus
Lieber wäre ihm, wenn alle Vorwürfe als unwahr bestätigt worden wären. Und die bayerische Justiz ein wenig Selbstdiagnose wagen würde. Denn dass das Urteil von 2006 Unrecht war, das gibt man in Bayern an oberster Stelle nicht zu. Immer ist es die Arbeitsüberlastung, das fehlende Geld, die fehlende Zeit.
Einfach zuzugeben, da ist etwas falsch gelaufen, ganz falsch, das brauchte man in Bayern wohl nicht zu erwarten, stattdessen ein Spagat zwischen Freispruch und Schuldspruch, zwischen Reinwaschen der bayerischen Justiz und Entlassung des Angeklagten in eine gebrandmarkte Freiheit. Und keiner ist so wirklich zufrieden.
Der juristische Akt ist vorbei. Ein Aufatmen sieht anders aus.
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