Grünen-Netzexperte Albrecht

Lob für neues Datenschutzrecht in Europa

Datenzentrumschef Joel Kjellgren läuft durch die Serverräume im schwedischen Lapland.
Auch für dieses Datenschutzzentrum im schwedischen Lapland gelten ab 2018 die neuen europäischen Regelungen © AFP / JONATHAN NACKSTRAND
Jan Philipp Albrecht im Gespräch mit Dieter Kassel  · 16.12.2015
Als großen Fortschritt hat der justizpolitische Sprecher der Grünen Europafraktion, Jan Philipp Albrecht, die Datenschutzreform der EU gewürdigt. Es sei gelungen, ein einheitliches Datenschutzrecht zu schaffen und das Grundanliegen der Reform habe überlebt.
Nun müsse man nicht mehr schauen, welches Recht in Luxemburg oder in Irland gelte, sondern jedes Unternehmen müsse sich ab 2018 an der europäischen Regelung orientieren, sagte der EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht, der an der Reform als Berichterstatter des EU-Parlaments maßgeblich mitgewirkt hatte. Albrecht betonte den hohen Standard der Reform und dass es nun auch scharfe Sanktionen gebe, um das Recht durchzusetzen. "Wir brauchen jetzt da eben eine einzige Regel und einen einzigen Weg, wie diese Regel durchgesetzt wird, damit eben gerade große Internetunternehmen sich diese Schlupflöcher nicht mehr suchen können", sagte Albrecht. Mit der neuen Verordnung sei dies nun gelungen, obwohl hunderte von unterschiedlichen Interessen unter einen Hut gebracht werden mussten.
Rechte der Nutzer werden gestärkt
Der Grünen-Politiker kündigte an, dass sich ab 2018 die Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern verbessern würden. Die Nutzer erführen mehr darüber, was mit ihren Daten geschehe. Auch das Recht auf Datenportabilität werde verankert. Das bedeute, dass ein Nutzer bei einem Wechsel des Anbieters seine Daten mitnehmen könne. Auch das "Recht auf Vergessen" solle durch die Reform gestärkt werden. "Wir haben diese Verordnung so geschrieben, dass sie auch noch viele Jahrzehnte gelten kann", sagte Albrecht.

Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Gestern ging ein Prozess zu Ende, der fast vier Jahre gedauert hat. Gestern nämlich einigten sich EU-Kommission, EU-Parlament und Europäischer Rat auf neue Datenschutzregeln für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten. Das war ein Prozess, den die damalige zuständige EU-Justizkommissarin, Viviane Reding aus Luxemburg 2012 angestoßen hat. Sie hat damals Jan Philipp Albrecht, Mitglied des Europaparlaments für die Grünen, zum Berichterstatter für dieses Mammutunternehmen gemacht, und sie hat in unserem Programm erklärt, welche Aufgabe sich ihm eigentlich aus ihrer Sicht stellte:
Viviane Reding: Er hat das meisterlich bewältigt. Er hat ganz einfach versucht, das Parlament daran zu erinnern, dass wir eine Verantwortung gegenüber den Bürgern haben, den 500 Millionen Europäern, und dass wir dieser Verantwortung gerecht werden müssen. Da geht es nicht um klein-klein, da geht es nicht um Partikularinteressen, da geht es darum, einen starken Kontinent zu bauen, damit diese Bürger auch ihr Recht bekommen. Und das ist ein verbrieftes Recht, das Datenschutzrecht, das steht ja auch in unseren Grundgesetzen. Also haben wir als Gesetzgeber nicht einmal ein Wenn oder Aber oder Vielleicht da einzubringen, sondern wir müssen gesetzlich diese Rechte absichern.
Kassel: Die am Anfang noch zuständige Justizkommissarin der Europäischen Union, Reding, über das Riesenprojekt der Schaffung neuer Datenschutzregeln für Europa, das gestern vorläufig mit einer Einigung zwischen drei Gremien zu Ende ging. Wir haben es gehört, sie hat es nicht wörtlich gesagt, aber gemeint hat sie mit "er hat das wunderbar gemacht" Jan Philipp Albrecht, grünes Europaparlamentsmitglied und offiziell zuständig als Berichterstatter des Parlaments für diese Mammutaufgabe. Schönen guten Morgen, Herr Albrecht!
Jan Philipp Albrecht: Schönen guten Morgen!
Kassel: Wie viel ist denn jetzt nach gestern Abend wirklich noch übrig von dem, was Sie ursprünglich wollten?
Albrecht: Da ist schon viel drin von dem, was ursprünglich auch an Idee da stand. Und ich glaube, das Wichtigste ist, dass eben die Grundanliegen dieser Reform am Ende auch überlebt haben, und das ist, dass wir ein einheitliches Datenschutzrecht schaffen. Das heißt also, in Zukunft muss ich eben nicht mehr schauen, was gilt eigentlich in Irland oder in Luxemburg, und dann vielleicht erkennen, dass ich dort weniger Rechte habe, sondern ich kann jedem Unternehmen diese Rechte entgegenhalten. Und dann ist, glaube ich, auch schon wichtig, dass diese Rechte eben auf dem Niveau sind, das ich heute auch schon kenne, auch in Deutschland und zum Teil sogar darüber hinaus gehend und diese Rechte dann auch durch scharfe Sanktionen durchgesetzt werden. Das sind drei ganz wichtige Nachrichten, die mit dieser Reform und auch dem endgültigen Ergebnis verbunden sind, und damit ist diese Reform immer noch ein großer Fortschritt für alle.
Unterschiedliche Vorstellungen der Verbraucherechte im digitalen Alltagsleben
Kassel: Was war denn daran so schwierig? Gibt es doch einige EU-Länder, die ganz andere Maßstäbe an Datenschutz anlegen als Deutschland?
Albrecht: Man muss diese Frage ganz eindeutig mit Ja beantworten. Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie es dann konkret aussehen soll, wenn es sozusagen zur Sache geht bei der Frage der Verbraucherrechte, gerade auch im digitalen Alltagsleben. Und nicht nur das, sondern auch die Art und Weise, wie diese Rechte dann durchgesetzt werden, sind unterschiedlich, und das ist ja auch gerade der Grund, warum wir sagen, wir brauchen eben da jetzt eine einzige Regel und einen einzigen Weg, wie diese Regel durchgesetzt wird, damit eben auch gerade große Internetunternehmen sich diese Schlupflöcher nicht mehr suchen können. Meines Erachtens ist das mit dieser Verordnung jetzt so gelungen, obwohl natürlich dabei Hunderte, Tausende von unterschiedlichen Interessen unter ein Dach gebracht werden, nicht nur von unterschiedlichen Ländern, sondern natürlich auch ganz unterschiedlichen Interessensträgern in einer Zeit, in der eben Daten überall im Alltag verarbeitet werden.
Kassel: Was wird sich denn ganz konkret ab voraussichtlich 2018, wenn diese Regeln verbindlich sind in allen Staaten, für Verbraucher in Deutschland dann auch konkret verbessern?
Albrecht: Wichtig ist, es werden sich die Informationspflichten verbessern, das heißt, ich werde viel mehr auch darüber informiert, was mit meinen Daten jetzt genau gemacht wird. Es soll auch einfacher werden, das heißt also verständlicher. Lange Erklärungen sehen wir ja bisher vor uns, in Zukunft soll es eben auch die Möglichkeit geben, vereinfachte Symbole anzuzeigen, damit der Verbraucher weiß, was passiert, wenn er im Groben und nicht nur mit diesen detailgenauen Texten, die eh keiner liest und versteht.
Dann ist es auch wichtig, dass Rechte wie zum Beispiel das Recht auf Datenportabilität verankert sind, das heißt, dass ich meine Daten einfach mitnehmen kann zu einem anderen Anbieter, der vielleicht mir mehr Datenschutz bietet, und ich auch starke Löschrechte habe, dieses sogenannte Recht auf Vergessenwerden ist da eben weiter auch verankert. Und zu guter Letzt, und das ist eben auch wichtig heute, es gibt Rechte, neue, mit Blick auf die sogenannte Profilbildung. Das heißt also, wenn da jemand über mich ein richtiges Profil anlegt, dann muss ich da auch die Möglichkeit haben, Widerspruch einzulegen auch gegen eine solche Profilbildung.
Die Verordnung soll viele Jahrzehnte gelten
Kassel: Das alte EU-Verbraucherschutz-, Datenschutz- – jetzt hätte ich fast gesagt, -recht – es ist eigentlich relativ unverbindlich, es ist inzwischen 20 Jahre alt. Wir blicken da zurück auf Regelungen von 1995. Das jetzt, worüber wir sprechen, sind die neuen, aber sie werden erst 2018 voraussichtlich verbindlich gelten in allen Staaten. Werden sie dann noch komplett auf alles, was dann existiert, anwendbar sein?
Albrecht: Ja, das glaube ich schon. Wir sind ja hier einen langen Weg gegangen, und auch schon vor vier Jahren, als wir angefangen haben mit dieser Reform, war vieles absehbar, was jetzt in den kommenden Jahren an Entwicklung stattfindet und auch heute schon stattfindet an technologischer Innovation, an neuen Produkten und Dienstleistungen, die uns vor neue Herausforderungen stellen. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Nichtsdestotrotz ist eben auch wichtig, wir haben diese Verordnung so geschrieben, dass sie auch noch viele Jahrzehnte gelten kann, weil sie eben nicht an einer ganz konkreten Technologie festmachen, sondern an Prinzipien, die den Verbraucher in die Lage versetzen sollen, selbst zu entscheiden, welches Risiko er eingehen möchte und ob er oder sie die Daten sozusagen für irgendwen freigeben möchte.
Kassel: Also aus meiner Sicht sind jetzt 1.473 Fragen übrig, was Ihnen nichts machen würde, Sie mussten ja zwischendurch auch 4.000 Änderungsanträge zur Kenntnis nehmen. Aber die Zeit ist rum. Insofern würde ich sagen, bis 2018 haben wir Zeit, bis es gilt. Hoffentlich reden wir bis dahin noch mal wieder. Für heute vielen Dank, Herr Albrecht!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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