Grüne fordern Härte gegen die Futtermittel-Unternehmen

Bärbel Höhn im Gespräch mit Gabi Wuttke · 04.03.2013
Die Grünen-Vizefraktionschefin im Bundestag, Bärbel Höhn erkennt in dem nun bekannt gewordenen Skandal um verseuchtes Futtermittel "Profitgier" einiger Unternehmen. Minderwertige und billige Produkte würden von bestimmten Unternehmen soweit unters Futter gemischt, dass am Ende die Grenzwerte für schädliche Stoffe gerade so eingehalten würden.
Gabi Wuttke: Ein feuchter Sommer im letzten Jahr, eine entsprechend frühe Maisernte – prima für den Schimmelpilz. Nach Pferdefleisch und vermeintlichen Öko-Eiern wurde verschimmelter Futtermais aus Serbien sofort zum Skandal erklärt. Die Politik hatte die Alarmglocken geläutet, aber die Kontrolleure geben für die Verbraucher Entwarnung. Die Aflatoxinwerte in untersuchten Milchprodukten sind nicht gesundheitsgefährdend. Am Telefon begrüße ich jetzt Bärbel Höhn, die Grünen-Politikerin war zehn Jahre Landwirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen, heute befasst sie sich mit ihrem Leib- und Magenthema im zuständigen Bundesausschuss. Schönen guten Morgen, Frau Höhn!

Bärbel Höhn: Ja, guten Tag, Frau Wuttke!

Wuttke: Wurde also nur die bekannte Sau durchs Dorf getrieben?

Höhn: Nee, das sehe ich überhaupt nicht. Ganz, ganz viele Skandale laufen genau so, wie wir es jetzt erleben, dass zum Beispiel Maschinenöl ins Futtermittel gemischt wird oder Hormone – in diesem Falle eben verschimmelter Mais. Also minderwertiges, billiges, schlechtes Produkt, das wird so weit untergemischt, dass am Ende die Belastungswerte zum Beispiel in der Milch oder im Fleisch für die Verbraucher unter den Grenzwerten sind. Damit ist natürlich keine akute Gesundheitsgefährdung gegeben, aber diese Unternehmen haben wahrscheinlich auch billige Ware – denn das war ja seit Langem bekannt, das war europaweit bekannt, dass es diesen verschimmelten Mais in Serbien gab – billige Ware eingekauft und haben versucht, da einen Profit zulasten der Verbraucher zu machen.

Wuttke: Warum hat man denn nicht einfach gesagt, Mais, Futtermais aus Serbien kommt uns nicht über die Grenze?

Höhn: Ja, also man kann in der EU nicht einfach sagen, bestimmte Sachen kommen nicht über die Grenze, zumindest kann das auch nicht Deutschland sagen. Das müsste dann im Prinzip ein Importstopp der EU sein. Aber der entscheidende Punkt ist, dass es hier natürlich Eigenkontrollen gibt, dass die vorgeschrieben sind, dass man Schimmel ohne Probleme finden kann. Es wird sowieso automatisch und sehr häufig auf Schimmel getestet, denn das kommt ja öfter mal vor. Auch, wenn es wie in diesem Fall – das war ja allen bekannt – also nicht so bekannt ist, testet man das schon. Und von daher ist das einfach ein Fall, gegen den wir vorgehen müssen.

Wuttke: Im Oktober sind die Warnungen bekannt geworden. Die Futtermittelhersteller haben ihre Kontrollen, ihre Selbstkontrollen im Januar und Februar auch durchgeführt, haben nichts gesundheitsgefährdendes festgestellt. Der Fall bauschte sich dann trotzdem auf, obwohl am Ende ja auch die staatlichen Kontrolleure jetzt sagen, es gibt keine Gesundheitsgefährdung. Die Futtermittelhersteller haben doch aber dann eigentlich nichts falsch gemacht?

Höhn: Also sie haben auf jeden Fall was falsch gemacht. Ich bin ziemlich sicher, dass es entweder Schlamperei war oder Kalkül. Das heißt, die wussten, Mais aus Serbien ist gefährdet, so – und wie auch immer da die Eigenkontrollen gelaufen sind, das werden wir feststellen, aber es war offensichtlich eine Menge drin, sonst wäre es nicht am Ende in der Milch von einer Kuh gewesen, ja. Es ist ja immer so – auch bei den Dioxinen, die wir da gefunden haben zum Beispiel im Futtermittel - war eine akute Gefährdung. Die Menschen fallen tot um oder kommen ins Krankenhaus, das ist ja nicht gegeben. Weil das entsprechend ja vermischt worden ist. Auch in diesem Fall hat man das ja wieder mit anderem Futter vermischt, und das ist dann ja wieder erst mal den Tieren zu Fressen gegeben worden, und dann bekommt der Mensch, ja, die Produkte, die sich daraus dann entwickeln, Fleisch oder, in diesem Fall, Milch. Aber es ist unglaublich – wenn wir das zulassen, dann wird demnächst der Betrug zugelassen, das heißt, die Profitgier, die gerade bei den Futtermitteln immer wieder auftritt, die hätte überhaupt gar keine Grenzen. Also, da muss man auf jeden Fall drastisch einschreiten.

Wuttke: Wer ist jetzt eigentlich wir, und wie viel Sicherheit kann man Verbrauchern geben? Ist es nicht eigentlich auch politisch ein wenig fahrlässig, hundertprozentige Sicherheit als großes Schild auszuhängen? Wir haben gerade auch bei billigen Nahrungsmitteln eine wahnsinnig lange Produktionskette. Winzige Kontaminationen können natürlich unzweifelhaft viel auslösen, aber – ist das auszuschließen?

Höhn: Also zu hundert Prozent auszuschließen ist das natürlich nicht, weil es gibt immer irgendwelche kriminelle Energie, und Sie sprechen zu Recht ja auch die internationalen Handelswege an. Aber: Man kann was dagegen tun. Ich nenne mal zwei Punkte. Der erste Punkt ist: Der Bundesrechnungshof hat damals, nach dem Dioxin-Skandal im Futter einen Bericht gemacht, wo sind Schwachstellen bei der Kontrolle. Und da sind sehr, sehr viele Schwachstellen zutage getreten. Die sind bis heute noch nicht auf den Weg gebracht worden. Da hätte die Bundesministerin, die ja diesen Bericht in Auftrag gegeben hat, mit den Ländern aktiv werden müssen. Aus meiner Sicht muss man die Kontrollstruktur ändern. Also, dass internationale Unternehmen, die international handeln, von kommunalen Lebensmittelbehörden kontrolliert werden, das stimmt auch nicht mehr alles, von den Strukturen her. Sondern die sollen meinetwegen Restaurants kontrollieren oder Pommesbuden kontrollieren, aber diese internationalen und auch diese sensiblen, wie Futtermittelbetriebe, die müssten eigentlich auf staatlicher Ebene, also auf Landesebene kontrolliert werden. Und das muss man ändern. Also hundertprozentige Sicherheit hat man nicht, aber man muss die Sicherheit erhöhen.

Wuttke: Erhöhung der Sicherheit hieße ja, man könnte versuchen, wenn man es sich denn leisten kann als Verbraucher, zu sagen, ich versuche, regionale Produkte auf den Tisch zu bringen, denn da ist ja die Produktionskette entsprechend gering. Auf der anderen Seite, Frau Höhn, Sie wissen es selbst, vor mehr als zehn Jahren steckte Nitrofen in Ökoweizen. Also, es ist ja so gesehen niemand, ob innerhalb oder außerhalb der deutschen Grenzen, unfehlbar.

Höhn: Da haben Sie ganz genau recht, deshalb sage ich ja, hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber regionale Produkte zu stärken, also einmal, aus Sicht der Verbraucher, dass sie mehr regional einkaufen oder zum Beispiel Ökoprodukte einkaufen. Oder aber, aus Sicht der Politik, dass von der Politik her stärker regionale Kreisläufe gefördert werden und nicht, wie jetzt die Politik der Bundesregierung gerade die globalisierten Kreisläufe stärkt. Da würde man schon auch mehr Auswahl bei diesen Produkten haben. Und wie gesagt: Nicht hundertprozentige Sicherheit, aber bessere!

Wuttke: Sagt im Deutschlandradio Kultur die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Frau Höhn, besten Dank, schönen Tag!

Höhn: Bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema