Gründerszene

Banale Start-up-Philosophie

Peter Thiel, aufgenommen am 9.7.2014 in Sun Valley, Idaho, USA
Peter Thiel hat das Unternehmen PayPal mit aus der Taufe gehoben. © picture-alliance / dpa / Andrew Gombert
Von Johannes Kaiser · 27.09.2014
Er hat PayPal mitgegründet, unter anderem in Facebook investiert. Peter Thiel gilt als einer der innovativsten Unternehmer des Silicon Valley. Aus einem Seminar, das er an der Stanford-University halten durfte, ist nun der entlarvende Start-up-Leitfaden "Zero to One" geworden.
Wer einfache Ratschläge für sein Start-up sucht, der könnte hier fündig werden. Wer die Schlichtheit innovationsgläubiger Silicon-Valley-Unternehmer kennenlernen will, der wird ganz sicher fündig.
Peter Thiel und sein Koautor Blake Masters bleiben in Banalitäten stecken, in Küchenphilosophie, formulieren Leitsätze, die auf Post-it Merkzettel passen. Ihre Grafiken sind von geradezu erschreckender Eindimensionalität. Vielleicht muss man in diesem Gewerbe der Start-up-Investoren so argumentieren, müssen Analysen Twitter-Format besitzen. Die Argumentation ist jedenfalls löchrig, inkohärent. Gleich zu Anfang des Buches relativiert er dessen Bedeutung so:
"Das Paradoxe in der Unternehmenslehre ist ja gerade, dass es keine Patentrezepte geben kann: Jede Erfindung ist neu und einmalig. Und niemand kann konkrete Schritte zur Innovationsfähigkeit vorgeben."
Vage und allgemeine Ratschläge
Buchcover: "Zero to One" von Peter Thiel und Blake Masters
Buchcover: "Zero to One" von Peter Thiel und Blake Masters© Campus Verlag
So sind denn auch Thiels Ratschläge oftmals so vage und allgemein gehalten, dass man sie meistens bedenkenlos unterzeichnen kann, bisweilen allerdings auch bizarr. So beurteilen Peter Thiel und seine Kollegen Start-up-Gründer, die Geldgeber suchten, schon allein aufgrund ihrer Kleidung:
"Die Öko-Manager kamen im Anzug und Krawatte. Für uns war das ein ganz schlechtes Zeichen, denn Entwickler tragen Jeans und T-Shirt. Also stellten wir eine einfache Regel auf. Wer im Anzug kommt, ist schon durchgefallen."
Leider sind viele der Konzepte und Empfehlungen von ähnlicher Qualität. Peter Thiel unterscheidet zum Beispiel vertikalen und horizontalen Fortschritt. Vertikaler Fortschritt ist etwas ganz Neues anfangen, horizontaler heißt nachahmen. Bestes Beispiel ist für ihn China, dessen Wirtschaft den Westen nur kopiere und deswegen nie wirkliche Innovationen erreichen werde. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, vergisst Thiel, dass zum Beispiel Deutschland im 19. Jahrhundert erst über die Kopie englischer Technik zu zahlreichen eigenen technischen Erfindungen kam.
Zudem ist Peter Thiel jeglicher Wettbewerb ein Gräuel. Konkurrenz verdirbt das Geschäft. Wer nur winzige Vorteile gegenüber den anderen Unternehmen erzielen könne, werde langfristig immer weniger Gewinne einfahren, sei deshalb nicht zukunftsfähig. Auch Größe hilft nichts, wenn es Wettbewerber auf demselben Geschäftsfeld gibt.
"Wertschöpfung allein reicht nicht. Sie müssen auch einen Teil des geschaffenen Wertes selbst abschöpfen. So gesehen können selbst Großkonzerne ein schlechtes Geschäft sein."
Loblied auf das Monopol
Weil Konkurrenz nur minimale Gewinnspannen erlaubt, singt Peter Thiel ein Loblied auf das Monopol. Unternehmen wie Google, Apple oder Facebook könnten exorbitante Gewinne einfahren, weil sie faktisch keine Konkurrenten hätten. Sie könnten es sich leisten, immer neue technische Ideen zu erproben, und so ihren technologischen Vorsprung noch vergrößern. Kreative Monopolisten sind für den Investor Thiel Motoren des Fortschritts.
Problematisch wird es, fängt Peter Thiel an, zu philosophieren. So teilt er die Menschheit in Pessimisten und Optimisten. Die Europäer sind für ihn unkonkrete Pessimisten, die den Niedergang für unvermeidbar halten.
"Sie können nur abwarten, und währenddessen können Sie das Leben genießen; das ist auch der Grund für die Freizeitmentalität der Europäer."
Amerikas Start-up-Gründer sind für Thiel dagegen konkrete Optimisten, das heißt Visionäre und Erfinder. Deswegen gehört ihnen die Zukunft. Der amerikanische Staat versagt dagegen, weil er, statt wie früher visionäre Ziele wie das Raumfahrtprogramm anzustreben, Krankenversicherungen einführt. Aber Empathie kommt in Thiels Unternehmensphilosophie sowieso nicht vor. Ihm geht es vor allem um Gewinne und Schutz vor Verlusten.
Soziale Ökonomie – nein danke!
Konsequent kanzelt der Autor noch das soziale Unternehmertum ab. Als Beispiel dient ihm die Ökoszene – die Manager mit den Anzügen. Da sich zahlreiche Unternehmen derselben Branche – etwa der Erneuerbaren Energien – gegenseitig Konkurrenz machten, würden kaum Gewinne erzielt. Für Thiel scheint unvorstellbar, dass ein Unternehmen hohe Renditen nicht als wichtigstes Ziel anstrebt. Er vergisst zudem, dass der Natur- und Ressourcenverbrauch so angestiegen ist, dass in wenigen Jahrzehnten Umwelt- und Klimakatastrophen jede Wirtschaft massiv schädigen dürften. Über Grenzen des Wachstums jedenfalls macht sich der Autor so gut wie keine Gedanken. Seine politische Einstellung zeigt sich in einem Nebensatz über die Geisteshaltung der PayPal-Gründer:
"Wir bevorzugten das kapitalistische 'Krieg des Sterne' gegenüber dem kommunistischen 'Raumschiff Enterprise'."
Und das ist nicht ironisch gemeint.
Zu guter Letzt beklagt der Gründer auch noch das zwiespältige Image der Gründer: Man verehre und beleidige die, wie er sie nennt, modernen Könige. Unternehmen bräuchten aber ihre Gründer, seien sie auch noch so exzentrisch und sonderbar. Doch wer braucht diesen Autor, der behauptet ein Querdenker zu sein, doch nur allzu selten ungewöhnliche Ideen aufwirft? Ein entlarvendes Buch.

Peter Thiel, Blake Masters: Zero to One. Wie Innovation unsere Gesellschaft rettet
Campus Verlag, 256 Seiten, 22,99 Euro (als E-Book 19,99 Euro)