Großer Schriftsteller und unbestechlicher Beobachter

Von Maike Albath · 08.05.2008
Der italienische Schriftsteller Luigi Malerba ist tot. Der Autor zahlreicher satirisch-grotesker Romane verstarb im Alter von 81 Jahren. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Bücher "Die Schlange", "Salto mortale" und "Die Entdeckung des Alphabets".
"Rund um die Uhr Schriftsteller zu sein, wäre nichts für mich. Ich muss immer Beziehungen zur Welt unterhalten und habe schon viele verschiedene Berufe ausgeübt. Ich beschäftige mich mit Landwirtschaft, ich habe Drehbücher geschrieben, eine Werbefirma gegründet und mir fünf Jahre lang Slogans für große Unternehmen ausgedacht. Es gab also immer eine zweite Beschäftigung neben dem Schreiben. Wenn die auch ausgeschöpft ist, habe ich noch eine Möglichkeit, mich von Schreibtisch zu lösen: Ich gehe auf Reisen. Ich bin immer viel gereist."

Seine Neugierde auf fremde Welten und Wirklichkeiten hat Luigi Malerba sein Leben lang inspiriert. Literarisch war er ein unternehmungslustiger Draufgänger. 1927 als Sohn eines Gutsbesitzers in der Nähe von Parma geboren, legte er sich mit seinem Namen Malerba ein Pseudonym zu, das auf wucherndes Unkraut anspielt und bekannte sich als junger Autor zur italienischen Neoavantgarde. Im gruppo 63, einer losen Bewegung ohne Manifest, sagte er gemeinsam mit Umberto Eco, Giorgio Manganelli und Edoardo Sanguineti dem verstaubten Neorealismus den Kampf an. Durch seinen spielerischen Umgang mit ungewohnten ästhetischen Formen versetzte er der Literatur einen Vitalitätsschock. Seine Spezialität waren doppelte Böden, Spiegelungen und Figuren, die sich verdreifachen und vervierfachen. In seinem Roman "Salto Mortale" von 1968 tritt ein Mann namens Giuseppe in Aktion, der sich an einen anderen Mann namens Giuseppe wendet und mit diesem über einen gewissen Giuseppe diskutiert.

"In der Schule wird einem beigebracht, dass man vor allem man selbst sein soll. Ich habe stattdessen immer versucht, auch noch jemand anders zu sein. Nicht nur ich selbst, sondern viele andere, denn nur ich selbst zu sein, hätte mir nicht ausgereicht. Ich muss mich in andere Personen hineinversetzen können, und das sind dann meistens meine Figuren."

Lustvoll verwandelte sich Malerba in seinen Romanen in starrköpfige Bauern, einen sprechenden Phallus, in byzantische Bürokraten, korrupte Renaissancepäpste oder Gestalten aus der griechischen Mythologie. Seine spitzbübische Haltung dem Leben gegenüber hängt auch mit seiner Herkunft zusammen: In der Emilia Romagna pflegt man eine Vorliebe für Pointen und Witze.

"Ich kann über das Komische eigentlich nichts sagen. Das ist sehr schwierig. Das Komische ist ein Mysterium. Ich habe auch versucht, darüber zu schreiben, aber mir fällt immer wieder auf, dass es etwas sehr Flüchtiges ist. Man kann es nicht richtig greifen. Das Komische ist auf jeden Fall eine Form von Nonkonformismus. Es kehrt die Dinge um. Das, was wir von der Wirklichkeit wahrnehmen, wird verdreht und in Lachen übersetzt. Mit dem Komischen kann man das Drama des Lebens ein bisschen vom Leib halten. Komik ist eine Versicherungspolice gegen Depressionen und Zusammenbrüche. Diese Ressource sollte man sich unbedingt erhalten, man braucht sie ganz einfach."

Kein Wunder, dass Don Quichotte und Buster Keaton zu seinen großen Vorbildern gehören. An beiden Figuren bewunderte Malerba die Gleichzeitigkeit von Komik, Sehnsucht und Traurigkeit. Mit unbewegtem Gesicht und einem inneren Lachen gegen die Fährnisse des Lebens zu kämpfen – das war für Malerba die ideale Haltung. Seine Familie hatte ihn eigentlich für den Beruf des Rechtsanwalts vorgesehen, aber die Jurisprudenz langweilte ihn zu Tode, und schon während seines Studiums schwor er sich, niemals als Jurist zu arbeiten. Er floh kurzerhand nach Rom, machte Filme und versank in der Lektüre der großen Klassiker. In seinen Bauerngeschichten und Kindermärchen knüpft Luigi Malerba an die italienische Novellentradition an und führt Boccaccio und Bandello spielerisch fort. Seine Bücher sind mittlerweile Schullektüre, und schon in den siebziger Jahren wurde er zu einem weltweit übersetzten Repräsentanten der italienischen Literatur. Mit dem blutrünstigen Byzanz-Krimi über die mannstolle Kaiserin Theophana "Das griechische Feuer" und den Renaissanceroman über Papst Hadrian "Die nackten Masken" landete Malerba Anfang in den 90er Jahren große Publikumserfolge. Aber seine Bücher sind mehr als intelligente Unterhaltung: ihm gelingen subtile Analysen der Zusammenhänge von Macht und Korruption. Malerbas Romane sind immer auch Beschreibungen kulturgeschichtlicher Umbrüche, wie sie Italien seit dem Ende des Kalten Krieges erschüttern.

"Schriftsteller zu sein, hat einen Vorteil: Der Schriftsteller hat zwar keine Macht, er bestimmt über niemanden, aber er besitzt die Freiheit der Rede und der Kommunikation. Ich habe paradoxerweise mal gesagt, dass Schriftsteller die Pflicht hätten, reich zu sein. Das ist ein Paradox, denn ich bin natürlich nicht reich, aber es ist wichtig, sich eine finanzielle Unabhängigkeit zu schaffen. Andernfalls fällt man leicht auf wirtschaftlich verlockende Angebote herein, lässt sich korrumpieren. Wenn man unabhängig ist, kann man sagen, was man will. Mit der größten Freiheit."

Ein freier Geist, kritisch und dennoch humorvoll, das zeichnete Malerba auch in seinen politischen Stellungnahmen aus. Es ist ein Jammer, dass der neue römische Bürgermeister Alemanno der neofaschistischen Partei nicht mehr vor dem Skeptiker Malerba bestehen muss. Italien hat nicht nur einen großen Schriftsteller, sondern auch einen unbestechlichen Beobachter verloren.