Große Fragen

"In mir pocht die Vergangenheit gleich einem zweiten Herzen"

John Banville bei einem Interview in Madrid im April 2013.
John Banville bei einem Interview in Madrid im April 2013. © dpa/ picture alliance / Jj Guillen
Von Thomas David · 03.06.2014
Banvilles Werk umkreist die großen Fragen nach Liebe und Tod, erzählt von der Vergänglichkeit und den Illusionen des Glücks. Der 1945 im irischen Wexford geborene John Banville ist einer der bedeutendsten Autoren der Gegenwartsliteratur. Für seinen 2005 erschienenen Roman "Die See" wurde er mit dem renommierten Man Booker Prize ausgezeichnet, mit seinen unter dem Pseudonym Benjamin Black verfassten Kriminalromanen begeistert er auch ein breites Publikum.
In Dublin, in dem kleinen Apartment am Ufer des Liffey, das er seit Jahren als Arbeitswohnung nutzt, sitzt der irische Schriftsteller John Banville an einem Tisch und liest aus seinem neuen Roman.
Das Haus ist unauffällig, die leeren Flure haben beinahe etwas Gespenstisches, aber hinter der Eingangstür zu Banvilles Apartment verbirgt sich ein Elysium. Neben dem opaken Fenster ein Bücherregal, hier und da weitere Stapel Bücher, Fotos unter anderen von Beckett und Kafka. Ein Sofa mit einigen übereinanderliegenden breitkrempigen Hüten – Verkleidung für Benjamin Black, das Pseudonym, unter dem der 1945 geborene Banville seit einigen Jahren erfolgreich Krimis schreibt.
Drei kleine, über Eck gestellte Tische: auf einem davon der Computer, an dem Banville die Black-Romane, die Hörspiele und Drehbücher oder Rezensionen für die "New York Review of Books" und andere renommierte Zeitungen schreibt. Auf dem Tisch, an dem der Schriftsteller sitzt, das Buch in der Hand, und liest, ein Sammelsurium von Dingen: Eine hölzerne Zeichenpuppe, zwei oder drei Taschenuhren, in Rahmen aufgestellte Fotos und mehrere Stifte, darunter der kostbare Füllfederhalter aus Bruyèreholz, den Banville seit kurzem benutzt. Ein Grappa-Glas; ein kleines Tisch-Mobile aus Papier, weil er es liebt, wenn sich bei der Arbeit etwas auf seinem Schreibtisch bewegt.
Zwischen den Dingen eines der schönen, speziell für Banville gebundenen Bücher, in das er den Roman schreibt, an dem er arbeitet. Banville lehnt sich ins matte Licht einer Schreibtischlampe. Er liest eine der letzten Seiten von "Ancient Light", seines jüngsten, in Deutschland unlängst unter dem allzu pompöseren Titel "Im Lichte der Vergangenheit" erschienenen Romans.
"In diesem Moment hob Mrs Gray die Schulter und löschte so den Sonnenstrahl, und das Speichenrad war verschwunden. "Rasch hatten sich meine geblendeten Augen wieder an die schattendunkle Gestalt über mir gewöhnt, und rasch war der Moment der Sonnenfinsternis vorüber, und [Mrs Gray] war wieder da, beugte sich zu mir herab, hielt ihre linke Brust auf drei gespreizten Fingern etwas in die Höhe und bot sie meinen Lippen dar wie eine kostbare, polierte Kalebasse. Doch was ich sah oder jetzt sehe,..."
...so Banville in "Im Lichte der Vergangenheit",...
"...ist ihr Gesicht, verkürzt aus meiner Perspektive, breit und unbeweglich, mit schweren Lidern, der Mund nicht lächelnd, und mit einem Ausdruck, nachdenklich, melancholisch und abwesend, betrachtete sie nicht mich, sondern etwas jenseits von mir, weit, weit jenseits."
In "Im Lichte der Vergangenheit" lässt Banville seinen Ich-Erzähler, den Schauspieler Alexander Cleave, in Gedanken schweifen – zurück in jenen Sommer vor 50 Jahren, als sich der damals 15-Jährige in die Mutter seines besten Freundes verliebte.
Cleave, der sich nach einem psychischen Zusammenbruch aus dem Theater und der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, lebt mit seiner Ehefrau Lydia in einem Haus am Rande einer Bucht, irgendwo an der irischen Küste. Auch zehn Jahre nach dem rätselhaften Selbstmord ihrer gemeinsamen Tochter Cass droht Lydia noch immer in den Wogen von Trauer und Schmerz zu ertrinken, während der mit Mitte sechzig allmählich in den Winter seines Lebens eintretende Cleave in den Erinnerungen an die Liebe zu Mrs. Gray versinkt.
Die scheinbare Herrlichkeit der Vergangenheit
John Banville: "Wir müssen dafür nicht die Psychologie bemühen. Wir alle entfliehen den Schrecken der Gegenwart, indem wir uns in die Herrlichkeit einer Vergangenheit zurückdenken. Die Vergangenheit mutet allein schon deshalb herrlich an, weil sie vergangen ist. Natürlich will Alex dem Schmerz über den Tod seiner Tochter entkommen, aber die Ironie der Geschichte ist, dass auch seine vermeintliche Liebe zu Mrs. Gray tragische Aspekte hatte, die er erst jetzt entdeckt, sodass er am Ende des Romans mit zwei Tragödien dasteht."
Banville greift nach dem Glas und trinkt einen Schluck Whiskey. Er hat ein weiches, entspanntes Gesicht - nicht die strengen, abweisenden Züge, mit denen er gern für Fotografen posiert -, einen wachen, in sich ruhenden Blick. Er trägt ein graues Fischgrat-Sakko aus festem Stoff. Der Whiskey, den er bevorzugt, ist fünfzig Jahre alt. Er sagt:
"Für Alex dreht sich alles nur um ihn selbst, um seine Erinnerungen an diesen ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Sommer und um den Tod seiner vor zehn Jahren gestorbenen Tochter. Was er nie zur Kenntnis genommen hat und erst am Ende meines Buchs realisiert, ist, dass die Frau, die er als Jugendlicher begehrte, ihr eigenes Leben hatte, von dem er nicht das geringste wusste. Meine eigenen Bücher rühren mich normalerweise nicht sehr an, aber das Pathos dieser Situation hat etwas Bewegendes.
In gewisser Weise handelt 'Im Lichte der Vergangenheit' auch von männlicher Selbstsucht. Wir benutzen schließlich nicht nur Frauen, wir benutzen die ganze Welt zu unserem eigenen Vorteil. Alles dient dazu, die männliche Gier zu befriedigen. Wir packen die Welt bei der Kehle und verschiedenen anderen Teilen ihrer Anatomie und verleiben sie uns ein. Nicht ohne Grund wimmelt es in der griechischen Mythologie von Göttern, die ihre Kinder fressen, ganze Welten, und alles durch ihren Verdauungsapparat hindurchwürgen.
Existieren wir, um uns die Welt zu eigen zu machen? Ein schönes Bild, aber ..."
Banville stellt das Grappa-Glas leise zurück auf den Tisch. Fades, dämmriges Licht. Ein Nachmittag in Dublin. Durch das Fenster dringt hin und wieder ein Geräusch, Stimmen spielender Kinder; der Schrei einer Möwe; der Lärm eines Rasenmähers, der in einem der benachbarten Hinterhöfe angeworfen wird. Dann verlieren sich die Geräusche in der Stille von Banvilles Arbeitszimmer.
Der Autor John Banville beim Literatur Festival in Rom
Der Autor John Banville beim Literatur Festival in Rom© picture alliance / dpa / Donatella Giagnori
Von der Airline zur Zeitung
John Banville ist inzwischen 68 Jahre alt. Sein Vater arbeitete in einer Autowerkstatt, seine Mutter war Hausfrau. Banville besuchte das katholische St. Peter's College seiner im Südosten Irlands gelegenen Heimatstadt Wexford und zog anschließend nach Dublin, wo er zunächst bei der Fluglinie Aer Lingus angestellt war. Nach Auslandsaufenthalten in Griechenland, Italien und den USA arbeitete er Ende der sechziger Jahre als Korrektor der Zeitung "The Irish Press" und begann mit dem Schreiben von Rezensionen. Von 1988 bis 1999 war er Literaturredakteur der "Irish Times".
"The Party", Banvilles erste, bereits 1962 entstandene Kurzgeschichte, erschien 1966.
"Die Story handelt von einem jungen Mann, der, so glaubt er, zu einer Party eingeladen wurde."
Raymond Bell, Herausgeber der Banville-Anthologie "Possessed of a Past".
"Sie beginnt ziemlich kafkaesk. Der junge Mann fühlt sich unwohl und glaubt, man habe ihm einen Streich gespielt. Er mischt sich nicht unter die Gäste, sieht aber ein Mädchen, das auf der Party ebenfalls allein herumsteht und fühlt sich von ihr angezogen.
Mehr passiert im Grunde nicht, aber ich habe mit John über die Story gesprochen, und er sagte, er habe beim Schreiben zum ersten Mal das Gefühl von Fremdartigkeit verspürt, das für ihn ein Kennzeichen von Kunst sei. Bei der Hauptfigur dieser Story handelt es sich bereits um den für ihn typischen Protagonisten.
Er ist männlich, er ist verstört. Er ist über Dinge beunruhigt, die andere Leute vielleicht gar nicht kümmern würden. Er ist äußerst selbstreflektiv, er ist tiefsinnig. Er ist all das, was Freddy Montgomery, der Erzähler des Romans 'Das Buch der Beweise' ist, was Axel Vander in 'Caliban' ist und Alexander Cleave in 'Im Lichte der Vergangenheit'. In der Figur dieser ersten Story liegt also der Keim, aus dem später der gedankenschwere Erzähler hervorging, den es in allen von Johns Büchern gibt."
Banville ist der Autor von "Doktor Kopernikus", von "Kepler" und "Mefisto", den Romanen der sogenannten, ab Mitte siebziger Jahre entstandenen "Wissenschafts-Tetralogie", zu der schließlich auch "Newtons Brief" zählt, die 1982 erschienene, von Goethes "Wahlverwandtschaften" inspirierte Novelle, in der Banvilles Ich-Erzähler den Glauben an die "Erzählbarkeit der Welt" verliert: an den in Banvilles historischen Romanen über Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler noch unternommenen Versuch, der Vergangenheit schreibend habhaft zu werden.
Raymond Bell: "Habe ich ihn Schreiben gesehen? Ja, das habe ich. Er schreibt sehr langsam, manieriert. Er nimmt sich viel Zeit, man kann ihm beim Denken zusehen. Zwischen dem Schreiben einzelner Sätze können mehrere Stunden vergehen. Er scheint in eine tiefe Versunkenheit zu verfallen, und ich glaube, die Welt hört in diesen Momenten auf, für ihn zu existieren."
Sein und Schein
Banville ist der Autor von "Das Buch der Beweise", von "Geister" und "Athena", den zwischen 1989 und 1995 erschienenen Romanen einer Trilogie über das verführerische Wesen der Kunst, über Fragen der Authentizität und nach Original und Fälschung, Sein und Schein, denen Banville mit den flüchtigen, sich ihrer selbst ungewissen und mühelos die Identitäten wechselnden Figuren seiner Ich-Erzähler weniger Gestalt als eine körperlos schwebende und daher schwer fassbare Stimme verleiht.
Claire Kilroy: "Bis zu einem gewissen Ausmaß sind all die Bücher auf gleiche Weise geschrieben. Die Stimmen ändern sich mit den Jahren – so wie man sich mit den Jahren eben verändert. Und dennoch bleibt etwas daran unverändert - auf immer gleiche Weise intelligent, voller Sehnsucht und Betrübnis, aber in ihrem Pathos oft auch sehr, sehr witzig.
Banvilles Erzähler sind stets überlegen und gebildet, sie verwenden gern ungebräuchliche Wörter, die nicht jeder kennt."
Claire Kilroy, Autorin von bislang vier, in Irland hochgelobten Romanen.
"Sie verstehen sich oft selbst nicht und verbergen sich hinter Masken. Und doch sind sie am Ende des Romans vollkommen bloßgestellt. Man sieht ihr Herz, ihre Seele."
Banville ist der Autor der Romane "Sonnenfinsternis" und "Caliban", den im Jahr 2000 und 2002 veröffentlichten ersten Büchern einer weiteren, erst zehn Jahre später mit "Im Lichte der Vergangenheit" vollendeten Trilogie. In "Caliban" oszilliert der greise Literaturwissenschaftler Axel Vander bereits an der Schwelle zum Nichts.
John Banville: "Ursprünglich sollten 'Sonnenfinsternis' und 'Caliban' einen Roman ergeben. Nach zwei Jahren Arbeit merkte ich jedoch, dass es sich in Wahrheit um zwei Romane handelte. Ich nahm also die Figur Axel Vanders und machte ihn zum Erzähler eines eigenen Buchs.
Aber seit 'Mefisto' haben alle meine Bücher im Grunde den gleichen Erzähler, die gleiche Stimme. Die gleiche Stimme, die immer weiter und weiter und weiter redet. Ich habe vermutlich bereits zu viele Bücher geschrieben, aber in dem Buch, an dem ich gegenwärtig arbeite, kehre ich in meine eigene Kindheit zurück.
Es spielt an der See, und obwohl ich meine eigenen Kindheitserinnerungen darin verarbeite, ist es nicht autobiografisch. Vermutlich ist dieser Roman eine Brücke zwischen Büchern wie 'Sonnenfinsternis' und 'Caliban' und etwas anderem. Meine späte Phase, meine letzte Phase ist angebrochen."
Dublin
Blick auf Dublin© picture alliance / dpa / Oliviero Olivieri
Im Januar 2004 saß John Banville in Dublin, in seiner kleinen Arbeitswohnung am Ufer des Liffey, an einem Tisch. Links der Computer; vor ihm eines der leeren Bücher, in die er seine Romane zu schreiben pflegt.
Bücher und Zeitungen, eine englische Ausgabe von Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse", an den Wänden hingen mehrere kleinformatige Fotografien, auch bereits das Porträt Samuel Becketts. Über einem Stuhl Banvilles Mantel, der breite Schal wie der eines um seine Stimmbänder besorgten Kammersängers. Banville war damals 58 Jahre alt.
"Caliban", der Roman über Axel Vander und dessen Begegnung mit der geheimnisvollen Cass Cleave, der Tochter des Protagonisten aus "Sonnenfinsternis", war zwei Jahre zuvor erschienen: Im Januar 2004 schrieb Banville längst an "Die See", seinem eineinhalb Jahre später veröffentlichten, schließlich mit dem Man Booker Prize ausgezeichneten Roman.
Der Sog der Vergangenheit
John Banville: "Ich bin jetzt 58, trete also in meine zweite Jugend ein und bin auf dem Weg in meine zweite Kindheit. Wenn Leute mein Alter erreichen, beginnen sie zurückzublicken, über die Jahre hinweg zurück in ihre Kindheit zu springen. Das ist etwas ganz Natürliches, jeder tut es. Ich habe keine Erklärung dafür, weshalb mir die Kindheit kostbarer, lebendiger und authentischer erscheint als meine mittleren Jahre, aber so ist es. Ich bin erstaunt, wie viel ich von der Vergangenheit heraufbeschwören kann."
Banville erzählte von der Arbeit an "Die See", seinem Roman über einen Kunsthistoriker, der nach dem Tod seiner Frau in jener entlegenen Villa am Meer Zuflucht sucht, in der er 50 Jahre zuvor den glücklichsten Sommer seiner Kindheit verbracht hatte. Banville erzählte von Vergänglichkeit und Tod, von Erinnerung und Vergessen, den Unschärfen der Erinnerung, aus denen sein Erzähler schließlich immer nur als flüchtiges, lediglich von den Schatten seiner selbst umspültes Ich hervorgeht. Er erzählte vom Sog der Vergangenheit, die "gleich einem zweiten Herzen" in seiner Erzählerfigur pocht, von dem Glück und dem Schmerz, in den Erinnerungen an eine vergangene Zeit zu versinken – von dem dämmrigen Zustand zwischen Traum und Wachen, in dem Banville sich auch beim Schreiben seiner Romane befindet.
"Wenn ich mich hinsetze und versuche, diese unzusammenhängende Realität der Welt in Wörter zu hüllen, scheint mir dies absolut unmöglich. Doch wenn die Konzentration dann tiefer und tiefer und tiefer wird, gelangt man an einen Punkt, an dem man begreift, dass man in einer Art Trance schreibt. Es ist eher wie Träumen.
Ja, ich glaube mehr und mehr, dass das Schreiben wie Träumen ist und dass der Schriftsteller oder Künstler sehr wenig Kontrolle über das hat, was er schreibt. Die Sprache selbst scheint das Schreiben zu kontrollieren."
"Alpha-Stilist der irischen Literatur"
Claire Killroy: "Er ist ein Erzstilist, er ist der Alpha-Stilist der irischen Literatur. Es dreht sich bei ihm alles um den Satz, und tatsächlich hat er einmal gesagt, der Satz sei die bedeutendste Erfindung der Menschheit."
Raymond Bell: "Wovon sein Werk handelt? Ich weiß nicht, ob sich diese Frage beantworten lässt. Es gibt verschiedene Dinge, die in Johns Büchern immer wieder auftreten. Die charakteristische Erzählerstimme, die von der Vergangenheit besessenen Figuren. Die Frage nach der Vergangenheit: Ist sie real? Ist sie imaginär?
Aber viel hat einfach nur mit Stil zu tun, mit der unglaublichen Schönheit seines Stils. Doch darüber hinaus? Da müssten Sie Freud fragen."
Blick auf zwei Uhren, eine zeigt fünf vor 12.
"Das Wesen der Zeit hat mich schon immer fasziniert."© deutschlandradio.de / Daniela Kurz
John Banville: "Das Wesen der Zeit hat mich schon immer fasziniert. Wann wird die Vergangenheit Vergangenheit? Wann gerät ein Augenblick ins Schwanken und kippt hinüber in diese sonderbare, strahlende Welt? Und weshalb ist die Vergangenheit für uns von so großer Bedeutung, während die Gegenwart uns oft nur banal erscheint?"
Im Laufe des Nachmittags ist allmählich Dunkelheit in das Apartment eingedrungen. Banvilles Blick ruht auf einem der Schatten im Licht der Schreibtischlampe. Er hat den Whiskey ausgetrunken, neben dem leeren Grappa-Glas liegt das Exemplar der englischen Ausgabe von "Im Lichte der Vergangenheit", einem seiner faszinierendsten Romane. Darin lässt Banville Erzählstränge aus "Sonnenfinsternis" und "Caliban" zusammenfließen und bettet sie in ein Meer der Erinnerungen, das Alex Cleave auf ähnliche Weise umspült wie den Erzähler aus "Die See".
Cleaves Erinnerungen sind unermesslich, tief und weit – ein gewaltiges Meer aus Sprache, das sich der ganzen Welt zu bemächtigen scheint: dessen Unterströmungen Tote an die Oberfläche spülen und schließlich doch wieder hinab ins Dunkel ziehen. Cleaves Liebe zu Mrs. Gray, die egomane, alles verschlingende Sehnsucht nach dem 50 Jahre zurückliegenden Sommer, erweist sich am Ende des Romans als die Tragödie seines Lebens.
John Banville: "Ich glaube, die Vergangenheit existiert ausschließlich in unserer Vorstellung. Und doch genieße ich es, auf dem grünen Hügel meiner mit den Jahren zusammengetragenen Vergangenheit zu sitzen und mich von dort aus umzuschauen."
Banville arbeitet längst an einem weiteren Roman. Das schöne, speziell für ihn gebundene Buch, auf dessen leere Seiten er ihn schreibt, ist bereits zu etwa einem Drittel gefüllt. Er sagt:
"Es ist ein faszinierender Ort, keine Frage. Aber was ich von diesem Hügel aus sehe? Ist es die Gegenwart oder eine verrückte Vorstellung der Zukunft? Keine Ahnung, aber wenn ich kein Interesse mehr hätte, mich umzuschauen, wäre es hier oben schrecklich."