Großbritannien

Briten sind klammer als gedacht

Der britische Schatzkanzler George Osborne am 3. Dezember 2014
Der britische Schatzkanzler George Osborne am 3. Dezember 2014 © dpa / picture alliance / EPA / Hannah Mckay / Pool
Von Jochen Spengler · 03.12.2014
In seiner Jahresbilanz betont Schatzkanzler George Osborne das Positive. Doch beim britischen Haushalt endet die Erfolgsbilanz: 115 Milliarden Euro neue Schulden braucht er dieses Jahr. Mehr, als die Maastricht-Kriterien erlauben.
Fünf Monate vor der Parlamentswahl versuchte der konservative Schatzkanzler George Osborne in seiner wirtschafts- und finanzpolitischen Bilanz aus der Not eine Tugend zu machen und die positiven Kennziffern in den Mittelpunkt zu rücken.
"Vor vier Jahren musste ich im ersten Herbst-Ausblick dieses Parlaments eine krisengeschüttelte Wirtschaft präsentieren. Heute kann ich trotz schwieriger globaler Bedingungen feststellen: höheres Wachstum, niedrigere Arbeitslosigkeit, fallende Inflation und ein Haushaltsdefizit, das sinkt und nur noch halb so hoch ist wie das, was uns hinterlassen wurde. Unser langfristiger Wirtschaftsplan funktioniert."
Zur Erfolgsbilanz der Regierung Cameron zählt nicht nur, dass die Arbeitslosigkeit in Großbritannien inzwischen unter sechs Prozent liegt. Positiv ist ebenso, dass die Geldentwertung nur noch 1,5 Prozent beträgt; und schließlich wird der Kanzler nicht müde, die Wachstumsraten zu beschwören. Im März habe man für dieses Jahr noch ein Wachstum von 2,7 Prozent erwartet.
"Google"-Steuer und Milliardeninvestitonen
"Heute gehen wir von einer um drei Prozent wachsenden britischen Wirtschaft aus. Über das letzte Jahr sind wir zweieinhalb mal schneller als Deutschland gewachsen, dreimal schneller als die Eurozone und siebenmal schneller als Frankreich."
Allerdings war der Nachholbedarf auch höher, und erst in diesem Jahr wurde die Wirtschaftsleistung des Jahres 2008 wieder erreicht. George Osborne bekräftigte eine Reihe von Plänen, die zum Teil bereits in den Vorjahren angekündigt wurden und den Konservativen als Wahlkampfmunition dienen werden: Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur, den Straßenbau, mehr Steuererleichterungen für kleine Firmen, Selbständige und Unternehmen, die Lehrlinge einstellen. Neu ist auch eine 25-prozentige "Google"- Steuer auf Gewinne, die multinationale Konzerne in Großbritannien erwirtschaften und bislang ins Ausland verschoben haben.
Mehr Schulden als Frankreich oder Griechenland
Maßnahmen, die auch die Labour-Opposition begrüßte, die aber der Regierung vorhielt, ihr wichtigstes Ziel verfehlt zu haben: den Abbau des Haushaltsdefizits.
Der Finanzminister muss in diesem Jahr mehr als 115 Milliarden Euro neue Schulden machen. Das entspricht fünf Prozent des Sozialprodukts und liegt damit deutlich über dem Maastricht-Kriterium und höher als in Frankreich oder Griechenland. Labours finanzpolitischer Sprecher Ed Balls:
"Das bedeutet, dass der Kanzler in dieser Legislaturperiode 270 Milliarden mehr Schulden gemacht hat, als er 2010 ankündigte. Er versprach, den Lebensstandard zu erhöhen, doch Arbeitnehmer haben weniger in der Tasche, er versprach wir säßen alle im gleichen Boot und hat die Steuern für Millionäre gesenkt, er hat bis 2015 einen ausgeglichenen Haushalt versprochen, nicht ist übrig davon, jedes Ziel verfehlt, jedes Versprechen gebrochen."
Erst 2018 soll der britische Staat nun nach Angaben des Finanzministers ohne neue Schulden auskommen. Voraussetzung dafür ist, dass seine Wachstumsprognose aufgeht und dass ihm der Wähler erlaubt, seinen Sparkurs in den kommenden Jahren noch zu verschärfen.
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