Groß-Imam al-Tayyeb im Bundestag

Botschafter eines friedlichen Islams

Scheich Ahmad Mohammad al-Tayeb
Scheich Ahmad Mohammad al-Tayeb sprach zu Bundestagsabgeordneten. © afp / Khaled Desouki
Von Christiane Habermalz · 16.03.2016
Ungewöhnlicher Besuch im Bundestag: Ahmed Mohammed al-Tayyeb, eine der höchsten Autoritäten der sunnitischen Muslime, ruft zu einer gemeinsamen Anstrengung für den Frieden auf. Doch mit seinen Äußerungen zur Rolle der Frau löst er Irritationen aus.
Es war ein ungewöhnlicher Auftritt im Großen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes in Berlin. Eine der höchsten Autoritäten der sunnitischen Muslime, der Groß-Imam der Al-Azhar-Institution in Kairo, Scheich Ahmad Mohammad al-Tayeb, hatte darum gebeten vor den deutschen Abgeordneten sprechen zu dürfen. Er wollte persönlich eine Friedensbotschaft überbringen - und um Gerechtigkeit für den Islam bitten. Dieser sei eine Religion der Toleranz und der Barmherzigkeit, die nichts zu tun habe mit der muslimischen Minderheit, die Terror im Namen Allahs verbreite. Der hohe Islamgelehrte rief im Bundestag die europäischen Gesellschaften zu einer gemeinsamen Anstrengung für den Frieden auf. An die Muslime gewandt sagte er:
"Wer die Lehre des Propheten nicht im Rahmen der Barmherzigkeit und des Weltfriedens versteht, der verinnerlicht nicht nur falsches Wissen über den Islam, sondern verunglimpft darüber hinaus wissentlich dessen Lehren."

Dank an Merkel für ihre "warmherzige und menschliche Haltung"

Die Stimme des Groß-Imams hat Gewicht in Ägypten und weit darüber hinaus. Über 80 Prozent der Muslime sind Sunniten, etwa 1,6 Milliarden Menschen weltweit. Die Al-Azhar, im zehnten Jahrhundert gegründet, zu der eine Moschee und eine Universität gehören, ist eine der einflussreichsten muslimischen Lehrinstitute. Al-Tayyeb gilt als moderat, er hat sich in der Vergangenheit wiederholt für Toleranz und Respekt gegenüber anderen Religionen ausgesprochen. Nach den Anschlägen von Paris sprach er den Opfern seine Solidarität aus und fand harte Worte gegen die "Bestie Terror". Jetzt ist er auf Einladung der Universität Münster und des dortigen Leiters des Zentrums für Islamische Theologie, Mouhanad Khorchide nach Deutschland gekommen. Ausdrücklich dankte der Groß-Imam Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre "warmherzige und menschliche Haltung" gegenüber den Flüchtlingen aus den Kriegsländern des Orients. Und er fügt hinzu:
"Ich möchte mich nun an die in Angehörigen der islamischen Religionen hierzulande wenden, und die ein integraler Bestandteil dieser Gesellschaft geworden sind, an sie die Bitte richten, den hohen ethischen Werten ihres Gastlandes Rechnung tragen und dass sie sie bewahren. Sie sollen in ihrem Handeln die wahren toleranten Werte des Islam, die eigentlich nicht viel anders sind als die, die hier gelten, vertreten."
Zuvor hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert die Bedeutung von Religion und Politik als die beiden großen Gestaltungsansprüche von Gesellschaften herausgestellt. Aber auch betont:
"Religionen haben ein ambivalentes Verhältnis zur Toleranz, die sie in ihren Lehrmeinungen häufig vertreten, aber in der Praxis verweigern, nach innen wie nach außen."

"Die Frau dient dem Mann aus Liebe"

Und auch verschiedene Abgeordnete stellten dem Groß-Imam ihre durchaus kritischen Fragen - ob es einen europäischen Islam gebe, und ob sich der Islam nicht modernisieren müsse wie das Christentum durch die Aufklärung. Dies sei nicht nötig, wehrte der Scheich ab, denn der Islam sei wandelbar genug, sonst würde er nicht seit über 1000 Jahren bestehen. Manche Antwort des Groß-Imam sorgte auch für Ratlosigkeit. Etwa, als die grüne Abgeordnete Ekin Deligöz nach der Unterdrückung der Frauen in vielen islamischen Gesellschaften fragte. Der Islam stehe für gleiche Rechte für Frauen und Männer, antwortete der Imam. Nach islamischem Verständnis diene die Frau dem Mann nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe. Dafür sei der Mann verpflichtet, für den Lebensunterhalt der Frau zu sorgen.
"Aber der Mann ist auch verpflichtet, damit der Mann der Frau genug Geld gibt, damit sie sich schminken kann. Das ist eine Pflicht aus der Scharia. Und wenn er das nicht macht, dann wird er im Jenseits bestraft."
Al-Tayyeb will am Mittwoch nach Münster weiterreisen, um an der dortigen Universität ebenfalls eine globale Friedensbotschaft zu verkünden. Am Wochenende wird er im Vatikan erwartet.