Grimms Märchen - eine literarische Erfolgsgeschichte

Von Stiefmüttern und Gutmenschen

Das Denkmal der Brüder Wilhelm (l) und Jacob Grimm am Mittwoch (28.05.2008) auf dem Brüder-Grimm-Platz in Kassel. 1814 bezogen die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm eine Wohnung im heute noch erhaltenen nördlichen Torhaus an der Wilhelmshöher Allee. Die Wohnung der Märchensammler und Sprachforscher wird zum Museum umgebaut. Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm lebten und arbeiteten mit Unterbrechungen von 1798 bis 1841 in Kassel.
Das Denkmal der Brüder Wilhelm (l) und Jacob Grimm in Kassel © picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Von Adolf Stock · 25.09.2015
Die von den Brüdern Grimm gesammelten Märchen dienten zunächst als Material für ihre Forschung. Doch es kam anders - sie wurden vor allem zur Kinderlektüre. Die Erfolgsgeschichte hält bis heute an.
Mit "Grimms Welten" werden inzwischen in Kassel die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm geehrt. Den Besuchern soll Leben und Werk der berühmten Volkskundler und Sprachwissenschaftler nähergebracht werden.
Ein Schwerpunkt sind die Märchen, die von den Brüdern Grimm in Kassel und Umgebung gesammelt wurden. Für die Verfasser einer Deutschen Grammatik und des Deutschen Wörterbuchs waren die Märchen zunächst Material für die Forschung. Doch es kam anders. Schneewittchen, Frau Holle und Co. wurden vor allem zur Kinderlektüre. Eine literarische Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält.
Die Märchen werden von zeitgenössischen Schriftstellern zitiert, neu interpretiert und manchmal auch umgeschrieben. Oft steckt eine pädagogische Absicht dahinter.

Auszug aus dem Manuskript zur Sendung:
"Ich glaube ja, dass in so einem kurzen Märchen über zwei, drei Seiten so ein gigantischer Kosmos enthalten ist, der manchmal über einen 800-Seiten-Roman hinausgeht."
Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe, 1960 in Hameln geboren, verteidigt leidenschaftlich die Grimmschen Märchen. Kaum jemand hat gründlicher über die literarische Qualität der Märchen und ihre Verbindung zum alltäglichen Leben nachgedacht.
Aber nähern wir uns den Grimmschen Märchen zunächst mit einem Gedicht des Schriftstellers Wolfgang Sembdner. Seine Version von "Hänsel und Gretel" folgt dem Alphabet.
"Armut
Blieb
Chronisch.
Die Eltern
Führten
Gretel
Hänsel
In
Jenen
Knusperhexenwald.
Lange
Mutterseelenallein"
Jenseits der Parodie näherte sich 2010 auch Günter Grass den Grimms über das Alphabet. Wohl auch deshalb, weil er bei seinem Buch "Grimms Wörter" an das "Deutsche Wörterbuch" dachte, das Jacob und Wilhelm Grimm 1838 auf den Weg gebracht hatten. Erst 1961 konnte "Der Grimm" mit Band 32 beendet werden und wird seitdem laufend ergänzt und korrigiert. Bei einer Lesung von Günter Grass für den Hörfunk beginnt das erste Kapitel natürlich mit A:
"Von A wie Anfang bis Z wie Zettelkram. Wörter von altersher; die abgetan sind oder abseits im Angstrad laufen, und andere, die vorlaut noch immer bei Atem sind: ausgewiesen, abgeschoben nach anderswo hin. Ach alter Adam."
Wie eine Akropolis über der Stadt
"Es waren einmal zwei Brüder, die Jacob und Wilhelm hießen, für unzertrennlich und landesweit als berühmt galten, weshalb sie ihres Nachnamens wegen die Brüder Grimm, Grimmbrüder, auch Gebrüder Grimm, und von manchen Grimms genannt wurden. Selbst nach heutigem Sprachgebrauch, der sich gern mit Anleihen brüstet, sind sie als Grimm Brothers Redensart, und sei's nur vom Hörensagen als Märchenonkel, die uns von Allerleirauh und Aschenbrödel erzählen."
Besucher der Grimmwelt Kassel gehen bei der Eröffnung über eine Treppe auf die Dachterrasse des Ausstellungshauses.
Besucher der Grimmwelt Kassel gehen bei der Eröffnung über eine Treppe auf die Dachterrasse des Ausstellungshauses.© picture-alliance / dpa / Swen Pförtner
Seit Anfang September 2015 werden Jacob und Wilhelm Grimm auf dem Kasseler Weinberg mit einem neuen Museum geehrt. Hier sollen die Besucher "Leben und Werk der Brüder Grimm erleben".
Wer über die Frankfurter Straße in das Zentrum von Kassel fährt, sieht hoch oben auf dem Weinberg das neue Museum "Grimm Welt", das sich wie eine Akropolis über der Stadt erhebt. Eine Gebäude aus Sandstein, mit einer begehbaren Dachterrasse, die einen großartigen Blick über die Stadt und die angerenzenden Wälder gewährt. Märchenwälder. Die Heimat von Dornröschen und Schneewittchen. Und auch hier die Frage: Wie nähert man sich Jacob und Wilhelm Grimm? Eine Antwort hat Susanne Völker, Projektleiterin der Kasseler "Grimm Welt".
"Die Ausstellung ist eine kontextbezogene Ausstellung, die sich an einer glossarischen Struktur orientiert. Also A bis Z. Aber nicht in der Reihenfolge, sondern eben in Kontexten, und diese Ausstellungsbereiche haben immer Überschriften, die aus dem Deutschen Wörterbuch der Grimms entlehnt sind. A wie Ärschlein, D wie Dornenhecke zum Beispiel, L wie Lebensläufe und so weiter und so fort. Und innerhalb dieser einzelnen Bereiche sind unterschiedliche Vertiefungen möglich, also da kann man sehr an der Oberfläche bleiben, auf eine spielerische Art und Weise sich das aneignen, oder einfach mal gucken, man kann aber auch sich eine ganze Menge an Wissen, was man vielleicht noch nicht hat, aneignen."
Jacob Grimm kam 1785 in Hanau zur Welt, sein Bruder Wilhelm folgte ein Jahr später. Nach dem Tod des Vaters lebten die beiden Brüder lange in Kassel, wo sie das Lyzeum besuchten und bis 1829 wohnten, bevor sie in das benachbarte Göttingen zogen. In "Grimms Wörter" folgt Günter Grass der biografischen Spur.
(...)
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