Grillen in China

Die 100-Tage-Haustiere

Viele Chinesen halten sich Grillen als Haustiere
Uralte Tradition in China: Grillen als Haustiere. © dpa / picture alliance
Von Ruth Kirchner · 14.01.2015
Die Kunden sind meist Männer: Seit Hunderten von Jahren halten sich Chinesen Grillen als Haustiere. Manche, um sich an ihrem Gesang zu erfreuen, manche, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen. Bei gepfefferten Preisen von bis zu 30 Euro stört die Käufer auch die kurze Lebensdauer der Insekten nicht.
Es zirpt und singt auf dem Tianjia-Markt im Südosten der chinesischen Hauptstadt als wäre es mitten im Hochsommer. Doch es herrschen Minus-Temperaturen – da traut sich eigentlich keine Grille hinter dem Ofen vor. Doch hier auf dem Markt werden die Insekten in großen Styroporboxen unter schweren Decken warm gehalten.
"An guten Tagen verkaufen wir 100 bis 200 Grillen. An normalen Tagen 30 bis 50", sagt Frau Xu, die seit 18 Jahren mit ihrem Mann auf dem Markt steht. Das ist ein Saisongeschäft. Im Winter, wenn die Heizperiode anfängt, dann kommen unsere Kunden – meistens Männer.
Zum Beispiel der alte Herr Guo. Der 70-Jährige steht minutenlang vor den Kisten und lauscht der Musik.
"Ich habe als Kind damit angefangen. Drei Generationen bei uns halten Grillen. Ich höre ihrem Gesang zu. Und wenn es kalt wird, stecke ich sie in meine Jackentasche."
"Die teuren singen laut"
Dafür werden auf dem Markt kunstvolle Dosen und Schachteln verkauft. Aus Plastik mit Luftlöchern, aus Kürbis, Holz oder Metall. Große für die langbeinigen Schönheiten, die bis zu zehn Zentimeter lang werden. Winzig kleine für die normale Laubheuschrecke. Billige Sänger gibt's ab ein Euro fünfzig, teure kosten bis zu 30 Euro. Nur: Woran erkennt sie, die Maria Callas unter den Grillen.
"Die teuren singen sehr laut und schön, sie klingen eher rau", verrät ein Händler
Drei Monate lebt eine Grille – wenn sie gut gepflegt wird. Gefüttert werden sie mit Karotten- und Apfelstückchen. Bei Herrn Fan, der auf dem Markt einen Laden betreibt, kam man dafür sogar Tellerchen kaufen und Schüsselchen für Wasser. Und dunkle Holzröhren als Betten. Denn auch Grillen habe es offenbar gerne bequem. Herr Fan verkauft nicht nur Guoguo, also Sing-Grillen, sondern auch Ququ – die zum Kämpfen auf einander losgelassen werden
"Schau mal, man setzt die Männchen in eine kleine Kampfarena. Erst werden sie mit Spezial-Pinseln gereizt, dann nimmt man die Trennwand raus und sie greifen an."
Sommergesang mitten im Winter
Seit über tausend Jahren gingen die Menschen diesem Hobby nach, erzählt Herr Fan. Die Ququ würden bei den Kämpfen im Übrigen nicht sterben, versichert er, Beinbrüche seien allerdings an der Tagesordnung. Doch wer seine Grillen liebt, pflegt auch noch die Invaliden.
"Wer sie liebt, schmeißt sie nicht weg", sagt Herr Fan. "Nach 100 Tagen sterben sie sowieso eines natürlichen Todes."
Mit den Mini-Gladiatoren hat Frau Xu, die Guoguo-Händlerin, nichts am Hut. Sie freut sich lieber am Sommergesang ihrer Insekten mitten im Winter.
"Wenn es schneit in Peking und Du zu Hause den Gesang der Grillen hörst", sagt sie, "ist das doch wunderschön."