"Griechenland wird es schaffen"

Dora Bakoyannis im Gespräch mit Marcus Pindur · 14.05.2010
Jeder geliehene Pfennig werde zurückgezahlt, sagt die frühere griechische Außenministerin Dora Bakoyannis angesichts der milliardenschweren Kredite für Griechenland. Die griechische Wirtschaft müsse wieder in Schwung kommen, da der Staat nicht der wichtigste Arbeitgeber sein könne.
Marcus Pindur: Es ist alles getan worden, um Griechenland zumindest kurzfristig vor dem Staatsbankrott zu retten: Die anderen Länder der Eurozone helfen mit Krediten und Bürgschaften, die Europäische Zentralbank kauft griechische Staatsanleihen. Aber ob moralischer Beistand und Milliardenhilfen das hoch verschuldete Land retten werden, das ist eben doch immer noch fraglich. In der Finanzwelt zumindest halten sich hartnäckig Zweifel, denn die Griechen müssen mithelfen bei der Rettung ihres Landes.

Die Regierung Papandreou hat auch ein Spargesetz durch das Parlament gebracht, allerdings zeigte sich da bereits, wie schwer es sein wird, diesen Kurs beizubehalten. Lediglich eine Abgeordnete der Opposition stimmte für das Spargesetz, und mit der sind wir jetzt verbunden, es ist die ehemalige Außenministerin Dora Bakoyannis. Guten Morgen!

Dora Bakoyannis: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Sie selbst sind aus Ihrer Partei, der Nea Dimokratia, ausgeschlossen worden, weil Sie für das Spargesetz gestimmt haben. Das zeigt ja, dass die Bereitschaft, zu der Verantwortung zu stehen, nicht besonders ausgeprägt ist in Griechenland?

Bakoyannis: Ja, wissen Sie, das darf man jetzt nicht genauso sehen. Ich meine, die Griechen verstehen und sie verstehen sehr gut, dass wir ein ganzes Paket mitmachen müssen, dass wir Reformen durchbringen müssen, das wir eben in Griechenland alles ändern müssen und das ist mehr oder weniger klar. Natürlich ist es sehr schwer. Es ist verständlich, dass große Schichten der Gesellschaft eine sehr schwierige Zeit vor sich haben werden, und leider Gottes: In diesem Paket geht es auch um die Renten, die kleinen Renten, nicht die großen Renten, weil wir sind uns, glaube ich, alle einig in Griechenland, dass man die großen Renten beschneiden muss, aber leider Gottes auch die sehr kleinen Renten werden angegriffen. Und das ist natürlich schwer. Aber das heißt nicht jetzt, dass die Parteien eben die Parteipolitik immer noch weiter treiben, obwohl sie die Krise miterleben, dass Griechenland es nicht schaffen wird. Griechenland wird es schaffen.

Pindur: Die Haushaltssanierung ist schmerzhaft, das haben Sie gerade auch gesagt, das ist klar. Dafür muss man politische Mehrheiten organisieren und das wird auch Jahre brauchen. Kann die Regierung Papandreou, die jetzige Regierung, diesen Sparkurs überhaupt über längere Zeit durchhalten?

Bakoyannis: Ich glaube, sie kann ihn durchhalten. Die Frage ist, ob auch die Regierung Papandreou diese wirklichen Reformen, die dazu gebraucht werden ... weil jetzt geht es ja nicht nur um das Sparprogramm, es geht um die wirklichen, großen Reformen, die Griechenland braucht, die Reformen, die wir leider Gottes nicht durchgebracht haben in allen diesen Jahren, weil die Regierungen immer Angst hatten vor den sogenannten politischen Kosten. Und das hat immer dann wieder die Regierungen zurückgehalten. Jetzt wissen wir aber in Griechenland: Wir brauchen diese Reformen. Und ich hoffe, dass die Regierung Papandreou versteht, dass wir diesen großen und schweren und ... Staat ändern müssen, das heißt, wir brauchen ...

Pindur: Welche Reformen wären das denn? Sie haben gerade eben schon die Renten angesprochen. Welche Reformen stehen denn noch auf der Tagesordnung in Griechenland?

Bakoyannis: Was wir jetzt am meisten brauchen, ist: Jetzt müssen wir sehen, wie wir die griechische Wirtschaft wieder in Schwung bringen, weil: Der Staat kann nicht der Arbeitgeber sein. Wir müssen jetzt wieder Kredite für Investitionen in Griechenland kriegen, und das brauchen wir, damit wir neue Arbeitsplätze wieder kriegen. Und das ist natürlich irrsinnig wichtig. Es ist wichtig für die Griechen und es ist wichtig, damit die Wirtschaft wieder in Schwung geht.

Pindur: Dass Griechenland Wachstum braucht, das ist vollkommen klar. Aber noch mal zu der Frage zurück: Wird dieser Sparkurs auf Dauer durchsetzbar sein, denn ihre ehemalige Partei, die Nea Dimokratia, stimmt ja zum Beispiel im Parlament dagegen?

Bakoyannis: Ja, die Nea Dimokratia hat einen neuen Parteichef, der so entschlossen hat. Ich war einer anderen Meinung. Ich glaube, es ist irrsinnig wichtig, wenn wir das Bewusstsein haben, dass Griechenland vielleicht ein anderes Paket als Sparmaßnahmen haben könnte, aber jedenfalls Sparmaßnahmen sind wichtig. Und andererseits: Wenn wir von ganz Europa diese Hilfe verlangen, dann können wir nicht dagegen stimmen. Und das war für mich sehr klar und deshalb habe ich eben so gestimmt, wie ich gestimmt habe, und bin eben aus der Partei jetzt draußen.

Aber wissen Sie, was jetzt heute wichtig ist, ist, dass wir alle daran arbeiten, damit es Griechenland wirklich schafft und damit wir alle auch diese irrsinnige schlechte Stimmung gegen Griechenland ...

Wissen Sie, es ist sehr schwer, wenn man auf einmal in Griechenland liest, was zum Beispiel in Deutschland über uns geschrieben wird und wie wir dargestellt werden. Das verdienen wir nicht. Wir Griechen haben viel falsch gemacht, ja, aber auf der anderen Seite: Wir haben auch sehr viel gearbeitet und wir werden wieder jeden Pfennig, den man uns geliehen hat, den werden wir wieder zurückzahlen.

Pindur: Was halten Sie von dem Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Barroso, künftig schon bei der Haushaltsaufstellung die EU-Kommission mit der Kontrolle der Staatsfinanzen zu beauftragen?

Bakoyannis: Ich finde, das ist positiv. Es gab von uns jahrelang schon bestimmte Politiker, die gesagt haben, die Währungsunion sei nicht genug. Wir brauchen eine ökonomische Union, und es ist sehr wichtig, dass wir alle zusammen in Europa daran arbeiten. Das heißt nicht natürlich, dass es nicht jeder Staat, dass er nicht auch sein Budget machen kann, wo er mehr Geld braucht und so weiter. Aber es ist wichtig, dass wir auch zu einer Wirtschaftsunion arbeiten, und es ist wichtig, dass wir nicht noch mal hören werden, dass es gibt Privilegierte und Nichtprivilegierte in Europa. Es ist wichtig, dass wir alle zusammenarbeiten, und ich glaube, es ist klar heute, was Europa vor einer Woche entschieden hat, die Antwort war gegen jeden Spekulanten, der gegen den Euro gearbeitet hat. Es dauert leider Gottes eine Zeit, bis wir so weit sind mit diesen Problemen, Entscheidungen zu treffen, aber wenn wir so weit sind, ist es eine klare Botschaft gegenüber jeden, der gegen die Euros spekulieren will.

Pindur: Frau Bakoyannis, vielen Dank für das Gespräch!

Bakoyannis: Danke schön!

Pindur: Die griechische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Außenministerin Dora Bakoyannis im Deutschlandradio Kultur.