Griechenlands neuer Finanzminister

"Wir wollen keine weiteren Kredite"

Varoufakis-Nachfolger und neuer griechischer Finanzminister Euklid Tsakalotos
Varoufakis-Nachfolger und neuer griechischer Finanzminister Euklid Tsakalotos © picture alliance / dpa / Simela Pantzartzi
Euklides Tsakalotos im Gespräch mit Eleni Klotsikas · 06.07.2015
Die Nachfolge von Yanis Varoufakis ist geklärt. Der bisherige Chef-Unterhändler Euklides Tsakalotos soll noch am Montag als griechischer Finanzminister vereidigt werden. Wir haben bereits letzte Woche mit ihm über die Zukunft seines Landes gesprochen.
Im 6. Stock des griechischen Außenministeriums trifft Reporterin Eleni Klotsikas den Vize-Außenminister Euklides Tsakalotos. Ihn hat Ministerpräsident Alexis Tsipras als Verhandlungsführer mit nach Brüssel beordert, als er gemerkt hat, dass Wirtschaftsminister Yanis Varoufakis für Kontroversen sorgt - und Tsakalotos übernimmt nun nach dessen Rücktritt den Posten als griechischer Finanzminister.
Euklides Tsakalotos hat in Oxford und Sussex Wirtschaft, Politik und Philosophie studiert. Er war Abgeordneter im griechischen Parlament und gehört dem Vorstand der linken Partei Syriza an:
Eleni Klotsikas: "Herr Tsakalotos, Sie haben den Verhandlungstisch verlassen. Was wollten Sie damit bezwecken? Glauben Sie wirklich an eine linke Revolution in Europa?"
Euklides Tsakalotos: "Ich würde nicht sagen, dass wenn man für die Ärmsten der Armen eintritt, dass das etwas Revolutionäres ist. Es gab früher einmal Zeiten, da waren die Bedürfnisse der Masse Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Präsident Junker, der ja eine Reihe von ehrlichen Versuchen unterbreitet hat, um einen Kompromiss zu finden, behauptete, dass niemand von uns verlangen würde, Rentenkürzungen vorzunehmen. Das stimmt nicht. Denn wenn man von uns fordert, ein Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts, das sind 1,8 Milliarden Euro, bei Renten einzusparen, dann bedeutet das Kürzungen. Denn so eine Summe kann niemals nur durch Reformen eingespart werden.
Wir haben ja auch Reformen vorgeschlagen, und wollen zum Beispiel die Frühverrentungsregelungen abschaffen, doch es dauert einige Zeit, dass dadurch Geld in die Kassen kommt. Es ist aber wichtig, dass in einem Land, das 25 Prozent seiner Wirtschaftskraft verloren hat, wo die Arbeitslosenquote 25 Prozent, bei der Jugend sogar 60 Prozent beträgt, eine Regierung für die Bedürfnisse auch der armen Menschen eintritt. Das würde ich nicht als Revolution bezeichnen.
Es stellt sich für mich eher die Frage, ob die Europäer bereit sind, eine Regierung zu akzeptieren, die sich vom Mainstream absetzt. Sind die Europäer eine Familie, in der man auch unterschiedlicher Meinung sein darf? Die Frage ist, geben die Europäer Regierungen eine Chance, die eigene Prioritäten setzt."
Traum vom Kurswechsel in ganz Europa
Tsakalotos träumt von einem Kurswechsel in ganz Europa. Einer linken Politik, die sich auch in anderen Ländern Europas ausbreitet. Als nächstes in Spanien, mit der Machtübernahme der linken Partei Podemos. Das Reformprogramm zu unterschreiben, wäre der politische Tod von Syriza gewesen, die eigenen Abgeordneten hätten niemals dafür gestimmt. Nun ein Referendum durchzuführen, war ein Schachzug, um die Verhandlungspartner, vor allem Sparkanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble, unter Druck zu setzen. Mit ungewissem Ausgang für ganz Europa.
Eleni Klotsikas: "Wenn es auch nach dem Referendum keine Einigung gibt. Was bedeutet das für Griechenland und für die Eurozone?"
Euklides Tsakalotos: "Wir sind für Europa. Ich denke, dass der Zerfall der Eurozone einen Nachteil für Europas Wettbewerbsfähigkeit hat, dass Nationalisten an die Macht kommen. Sogar Politiker außerhalb Europas warnen davor und drängen die Europäer zu einer Lösung. Ich will den Zerfall der Eurozone nicht und ich glaube auch nicht, dass unsere europäischen Partner das wollen.
Wir wollen die Politik der 30er-Jahre nicht noch einmal erleben. Wir wollen keine Länder in Europa, die zerstritten sind. Wir wollen ein Europa, das Robert Schuman und Jean Monnet als Vision beschrieben haben, in dem die Politik eine Rolle spielt, aber auch soziale Gerechtigkeit, wo Werte, Geben und Nehmen eine Rolle spielen. Wir wollen eine Lösung, doch eine Lösung kann nicht so aussehen, dass man uns keinen Spielraum lässt und die fünf Jahre reine Sparpolitik fortsetzt. Das waren fünf Jahre ohne Hoffnung. Das kann weder gut für Griechenland noch für die Eurozone sein."
Eleni Klotsikas: "Da klingt so als würde sie mehr Kredite verlangen, ohne Gegenleistung …"
Euklides Tsakalotos: "Wir wollen keine weiteren Kredite, die unseren Schuldenberg weiter ansteigen lassen. Wir fordern etwas ganz Simples: Wir sagen, es gibt also diese klumpigen Zahlungen der EZB, die wir immer kurzfristig in großen Summen zurückzahlen während wir gleichzeitig Reformen durchführen müssen. Warum tauschen wir diese nicht einfach gegen weniger problematische Anleihen des Europäischen Rettungsschirms, die eine längere Laufzeit besitzt und somit die Durchführung von Reformen nicht behindert. Wir würden die Schulden dadurch nicht verringern, sondern strecken.
Wenn wir mit Politikern in Amerika, Brasilien oder Japan darüber reden, dann verstehen die gar nicht, warum sich die Europäer mit unserem Vorschlag so schwer tun. Wir wollen ja gar keinen Schuldenschnitt in dem Sinne, dass wir sagen, statt 340 Milliarden Euro schulden wir euch jetzt nur noch 300 Milliarden Euro. Außerdem sind wir auch offen für andere Lösungsvorschläge, wir sagen nicht, dass unser Vorschlag der einzige Weg ist.
Aber wir wollen nicht einfach wie unsere Vorgängerregierung mit einem Versprechen abgespeist werden, das lautet: Wenn ihr schön brav seid und tut, was wir Euch sagen, und weiter spart, dann gibt es vielleicht mal eine Schuldenerleichterung. Wir brauchen eine Lösung, die jetzt die Stimmung ändert, das Vertrauen steigert. Investoren werden weiter zögern bis es dafür eine Lösung gibt."
"Unsere Gläubiger sind sich ja selber uneins"
Eleni Klotsikas: "Bei ihren Verhandlungspartnern haben Sie aber kein Vertrauen gewinnen können. Woran lag das Ihrer Meinung nach?"
Euklides Tsakalotos: "Unsere Gläubiger sind sich ja selber uneins. Der IWF drängte uns immer sehr stark dazu Arbeitsmarktreformen durchzuführen und die Märkte zu liberalisieren, aber sie befürworteten dafür eine Schuldenerleichterung. Die europäischen Partner hingegen waren milder, was die Reformen und das Sparprogramm anbetrifft, doch sie akzeptierten keine Schuldenerleichterung. Aber es kann doch nicht sein, dass der Kompromiss aus dem härtesten Teil des IWF-Vorschlags und dem härtesten Teil des europäischen Vorschlags besteht. Und wir dann als unvernünftig gelten, wenn wir das nicht annehmen wollen. Das ist nicht fair."
Eleni Klotsikas: "Stattdessen haben Sie ein Referendum durchgeführt und die Verhandlungspartner gegen sich aufgebracht. Die Nation war gespalten, viele Griechen wissen immer noch nicht, wie es mit ihrem Land weitergehen soll. Haben Sie damit nicht eher Chaos gestiftet?"
Euklides Tsakalotos: "Was ich wirklich problematisch finde ist, dass dieses Referendum unter den Bedingungen der ökonomischen Strangulation durchgeführt werden musste. Unsere Banken mussten schließen, weil die EZB die Notkredite einstellt hat. Sie hätten uns wenigstens für eine Woche das Programm verlängern können, in der die Griechen demokratisch entscheiden. Wenn es sich um ein demokratisches Europa gehandelt hätte, dass sich wirklich für die Stimmen der Menschen interessiert. Oftmals werden die europäischen Institutionen dafür kritisiert, dass sie von Bürgern isoliert handeln. Das wäre eine Chance gewesen. Wir hätten an den Verhandlungstisch mit der Stimme des Volkes zurückkehren können. Wir haben immer gesagt, das Referendum ist Teil des Verhandlungsprozesses und kein Ersatz dafür."
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