Griechenland

Brüssel würde Tsipras wählen

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ist zurückgetreten. © afp/TZORTZINIS
Von Annette Riedel · 21.08.2015
Am Donnerstag hat der griechische Ministerpräsident seinen Rücktritt erklärt. Griechen, wählt noch einmal Alexis Tsipras, fordert Annette Riedel in ihrem Kommentar. Es gebe gute Gründe, warum der EU nicht an einem Regierungswechsel gelegen sein könne.
Griechen, wählt Alexis Tsipras - wenn er es natürlich auch nicht laut sagt, manch einer mag das in Brüssel jetzt denken. Wie bitte? Diesen Alexis Tsipras und sein Syriza wählen? Ja, heute ja.
Noch vor zwei Monaten dürfte die Zahl derer, die das auch nur im hintersten Hinterstübchen gedacht haben, in Euroland verschwindend klein gewesen sein. Aus Sicht der meisten in Brüssel hat schließlich diese griechische Regierung über Monate hinweg hauptsächlich die Nervenkostüme derer strapaziert, die mit ihr zu tun hatten.
Drei gute Gründe
Hier, heute und jetzt gibt es aber mindestens drei gute Gründe, warum der EU, den Euroländern nicht an einem Regierungswechsel gelegen sein kann, ganz unabhängig von der politischen Couleur der Regierenden in den Hauptstädten: Erstens, wenn sich Griechenland etwas nicht leisten kann, dann eine erneute wochenlange Hängepartie wegen der Bildung einer neuen Regierung. Eine Hängepartie, in der nichts besser werden kann und vieles schlechter würde, was die wirtschaftliche Situation des Landes angeht. Das wäre eine Katastrophe, zu allererst für die Griechen selbst.
Zweitens, stellt sich doch die Frage, wer denn in Athen momentan alternativ bereit stünde, der politisch, persönlich, charakterlich geeignet wäre, Griechenland wirtschaftlich und in Bezug auf seine staatlichen Strukturen nach vorne zu bringen? Wieder ein Samaras? Wieder einmal ein Papandreou? Wären Politiker die besseren Regierungschefs, deren politische Biografien viel stärker als die von Tsipras genau mit der Vetternwirtschaft, mit dem Klientelismus, mit der Korruption verknüpft sind, die hinter sich zu lassen bitter nottut für die Griechen?
Drittens, hat Alexis Tsipras - das muss man ihm lassen - zuletzt Format bewiesen, auch aus Sicht seiner politischen Konkurrenten und Widersacher, vielleicht mehr noch als aus der Sicht mancher seiner Parteifreunde.
Es kommt jetzt darauf an, ob es Syriza gelingt, dieselbe Unterstützung, dasselbe Vertrauen in weiten Teilen der eigenen Bevölkerung zu bekommen, mit einer grundlegend anderen Botschaft im Wahlkampf als Anfang des Jahres - die da wäre:
Alle Spielräume nützen
Die Troika mag so nicht mehr heißen, aber wir werden mit den Kreditgebern zusammenarbeiten müssen, so lange wir auf ihr Geld angewiesen sind. Wir werden uns an die Spitze derer setzen, die wissen, dass die meisten der jetzt beschlossenen Reformen in Griechenlands bestverstandenem Eigeninteresse sind. Und wir werden aber gleichzeitig alle Spielräume nützen, wenn nötig wieder mit erhöhtem Nerv-Faktor für die in Brüssel und in den anderen Hauptstädten, um vermeidbaren sozialen Ungerechtigkeiten eigene, vielleicht bessere Politik gegenüber zu stellen.
Zugegeben - das ist vielleicht Wunschdenken. Ein bisschen Wunschdenken darf nach all dem Hin und Her schon mal sein. Dazu gehört aber auch, dass man einem wiedergewählten Alexis Tsipras mehr politische Klugheit wünscht, wenn es um einen möglichen Koalitionspartner geht. Mit der extremen Rechten ist nirgendwo gut Staat zu machen. Auch und gerade nicht in Griechenland.
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