Gremium

Störenfried oder Wachhund?

Von Tabea Tschöpe · 08.07.2014
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung mischt sich immer wieder in die Politik ein, um für langfristige Entscheidungen zu werben. Von ein paar versteckten Berliner Büroräumen aus fordern die Mitarbeiter Maßnahmen und versuchen selbst, Vorbild zu sein.
12 Uhr mittags am Potsdamer Platz in Berlin: Dicke Autos schieben sich durch die Straßen. Dazwischen Fahrradfahrer. Ein junges Mädchen wirft den Spatzen vor der Bäckersfiliale üppige Brötchenkrümel hin - sie hat sich sowieso zuviel gekauft. Genau dieses Geschehen kann der Rat für Nachhaltige Entwicklung tagtäglich beobachten - in Haus Nummer zehn ist seine Geschäftsstelle. Ich nehme den Aufzug in den siebten Stock. Finde den Eingang erst nach kurzer Suche.
Der Rat teilt sich die Büroräume mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Der Tisch von Generalsekretär Bachmann ist gefüllt mit Kopien aus Umweltschutzpapier. Zu trinken gibt es Leitungswasser aus einer gläsernen Karaffe. Mit sieben wissenschaftlichen Mitarbeitern und einer Sekretärin trägt er von hier aus das Thema Nachhaltigkeit an die Politik, an Konsumenten, an die ganze Gesellschaft heran. In Stellungnahmen zu politischen Konzepten, bei Aktionstagen, Vorlesungen, in Broschüren. Das ist viel:
"Wir schaffen erst mal nicht alles. Es bleiben immer Wünsche, immer Erwartungen an uns, die wir nicht erfüllen können."
Nachhaltigkeit als Modebegriff
Auch einer der 15 Repräsentanten des Rates, Naturschutzbund-Präsident Olaf Tschimpke, ist sich dessen bewusst:
"Na, das ist ein sehr dickes Brett, das wir da bohren. Eine parlamentarische Demokratie lebt im Vier-Jahres-Rhythmus und wir versuchen, die langfristige Perspektive mit reinzubringen."
Nachhaltiges Denken ist zwar in Mode. Börsen-Unternehmen geben Nachhaltigkeitsberichte ab und die Werbung benutzt den Begriff in vielen Spots. Dafür sensibilisiert wären inzwischen schon viele, sagt Tschimpke:
"Aber zwischen dem Reden und dem Handeln ist doch noch ein großer Unterschied. Und natürlich gibt es knallharte ökonomische Interessen, die dem widerstehen."
Sei es der Klimawandel, nachhaltige Mobilität, Energieeffizienz, Ökolandbau, aber auch die Frage: Wie schaffen wir Arbeitsplätze – alle diese Themen der politischen Agenda müssten unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit beobachtet werden. Das macht der Rat nach Aufforderung – alle vier Jahre begutachtet er in einem sogenannten Peer Review Verfahren die deutsche Nachhaltigkeitspolitik. Oder aber ohne Aufforderung – wenn es notwendig erscheint. Ungemütlich für die Politiker. Ist der Rat also ein Störenfried?
"Nee, Störenfried nicht. Manche sehen uns als Wachhund, als Wachhunde, die kläffen. Das ist jetzt auch nicht so mein Bild. Also, wir haben diese Rolle eines Mahners."
Bei Veranstaltungen wird Leitungswasser ausgeschenkt
Bachmann weiß auch: Was sich der Rat ausdenkt und was die Wirtschaft und Politik letztlich umsetzen – das sind zwei paar Schuhe. Das große Wort werde gern genutzt. Letztlich müsse die Kraft für nachhaltige Politik von den Machern selbst kommen. Trotzdem legt der Rat eigene Erfahrung vor: Nicht nur im Büro, auch bei eigenen Veranstaltungen werden hunderte Gäste inzwischen mit Leitungswasser versorgt, Biofleisch oder gar kein Fleisch seien die Regel.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat daneben aber auch an Reformen mitgefeilt: So auch der Beschaffungsrichtlinie. Öffentliche Haushalte sind danach aufgerufen, ihre Materialien von nachweislich nachhaltigen Produzenten zu beschaffen. Das reicht vom Auto, dem Baustoff Holz bis hin zum Radiergummi. Für manche Ideen braucht Generalsekretär Bachmann aber auch einfach Geduld:
"Manchmal gibt es eine gewisse Keimruhe von Ideen. Das ist wie in der Natur, wenn ein Baum sich fortpflanzt. Und die Keime im Boden, die können auch einmal eine Weile überdauern, ohne, dass da was Neues wächst. Und dann kommt der Regen, dann wird's warm. Und dann wächst was. Und so ist das mit unseren Ideen teilweise auch."
Als ich das Büro verlasse, gibt Bachmann mir noch seinen Traum von Nachhaltigkeit mit: Der ginge in Erfüllung, wenn er gar keine Ideen mehr haben müsste, weil alle nachhaltig denken und planen. Damit wäre auch der Rat entbehrlich. Für eine ganze Weile werde der Rat aber noch gebraucht.
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