Green Economy

Grünes Wachstum ist nicht klimafreundlich

Ein mit Rollrasen überzogener VW Käfer wird für die Gartenmesse in Bamberg abgeladen.
Auch mit grüner Weste ist ein Auto alles andere als "umweltfreundlich". © dpa / picture alliance / David Ebener
Von Birgit Kolkmann · 24.10.2015
Natur und Ökonomie lassen sich nicht versöhnen, wenn die "Green Economy" unerschütterlich an Wachstumszielen festhält. Dann wird die Nachhaltigkeit zwar zum Milliardengeschäft, aber Ressourcen werden weiterhin nicht geschont - und die Menschheit sägt weiter an dem Ast, auf dem sie sitzt.
"Die Grenzen des Wachstums" – 1972. Erinnern wir uns noch an den aufrüttelnden Bericht des Club of Rome? Vor 43 Jahren konnten wir lesen: wenn es so weitergehe mit der Umweltverschmutzung, der Industrialisierung und dem Bevölkerungswachstum, dann würden die absoluten Wachstumsgrenzen innerhalb von hundert Jahren erreicht sein.
Nun also soll es die "Green Economy" richten. Nachhaltig zu wirtschaften, also Ressourcen schonend, ökologisch und sozial verträglich, aber auch effektiver mittels moderner Technologie und trotzdem immer wachstumsorientiert, das ist das neue gemeinsame Credo von UNO, EU und Bundesregierung.
Doch Gütesiegel belegen nicht wirklich Nachhaltigkeit, wo sie nur mehr Konsum und mehr Wachstum akzeptabel machen sollen. Damit fahren Konzerne zwar Milliardengewinne ein, aber die Menschheit sägt weiter und schneller am Ast, auf dem sie sitzt. In diese Wunde legen Thomas Fatheuer, Lili Fuhr und Barbara Unmüßig wie auch Kathrin Hartmann ihre Finger, wenn auch auf unterschiedliche Weise.
Cover: Thomas Fatheuer, Lili Fuhr, Barbara Unmüßig "Kritik der Grünen Ökonomie"
Cover: Thomas Fatheuer, Lili Fuhr, Barbara Unmüßig "Kritik der Grünen Ökonomie"© oekom
So setzt die EU auf Biosprit und damit auf einen fatalen Kreislauf. Auf den Feldern konkurrieren Pflanzen für Teller und Tank. Mais- und Raps-Monokulturen nehmen zu, aber trotzdem reichen die Agrarflächen für nachwachsende Rohstoffe nicht aus. Importe müssen also her aus äquatornahen Anbaugebieten anderer Kontinente, wo einst Regenwald stand.
Vorgetäuschte Nachhaltigkeit der Unternehmen
Kathrin Hartmann hat beispielsweise auf Plantagen in Indonesien recherchiert. Entstanden ist daraus ein hoch spannender Krimi über Politik und Geschäft mit der großen Lüge, dass "nachhaltiges" Palmöl ein gutes, ein besseres Produkt sei.
Sie berichtet in Reportagen über versalzte Schlammwüsten, wo früher Reis angebaut wurde und Mangrovenwälder wuchsen, über Mondlandschaften im einst intakten Regenwald, über eine einheimische Bevölkerung, die diesen Wald über Generationen genutzt und erhalten hat, die jetzt aber entrechtet, enteignet und verarmt ist.
Die Konzerne dagegen würden Nachhaltigkeit vortäuschen. Ihre Gütesiegel erkauften sie durch Gefälligkeitsgutachten oder ließen sie gleich durch eigene Kontrolleure ausstellen. Mit im Boot dabei Regierungen, Institutionen der Vereinten Nationen, große Umweltschutzverbände wie der WWF.
Was Kathrin Hartmann schildert, was sie gesehen und gehört hat, nimmt dem Leser geradezu den Atem: Wie kann sich Politik so in ihr Gegenteil verkehren? Weil sie unerschütterlich an Wachstumszielen festhalte, weil der Kapitalismus jetzt in grün schillerndem Gewand daherkomme.
Die "Kritik der Grünen Ökonomie", herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, liefert die theoretische Analyse dessen, was Kathrin Hartmann auf ihren Reisen über "kontrollierten Raubbau" erfahren hat. Weniger radikal, aber unmissverständlich kommen die drei Autoren zum gleichen Ergebnis.
Politische Ökologie steht für Wachstumsverzicht
Es könne nicht gelingen, Natur und Ökonomie in einer "Green Economy" zu versöhnen, die unverändert zum Ziel hat, mit moderner Technologie zu wachsen wie bisher. Auch dann nicht, wenn Ökonomen versuchen, für die Natur einen Geldwert zu berechnen und ihre Dienstleistungen, wie etwa Kohlendioxid in Pflanzen oder Wasservorräte im Boden zu speichern, mit Preisen zu versehen. Denn immer noch würden dabei ökologische wie soziale Schäden wirtschaftlichen Wachstums ausgeblendet.
Das Fazit beider Bücher ist es, dass statt einer "Grünen Ökonomie" eine "Politische Ökologie" angestrebt werden müsste. Sie würde den Wachstumspfad verlassen und sich in der Kunst des Unterlassens, des Schrumpfens üben, um Ressourcen zu schonen, so das Plädoyer der Heinrich-Böll-Stiftung.
Kathrin Hartmann gibt zu, angesichts zerstörter Landschaften, angesichts des Elends von Menschen Ohnmacht zu fühlen. Sie werde diese verstörenden Bilder, die sie in Asien gesehen habe, nicht mehr los. Dennoch ruft sie emphatisch zum Protest auf.
Das Aufrütteln-Wollen klingt wie damals in den 70er Jahren, als der Bericht des Club of Rome zum Bestseller einer jungen kritischen Generation wurde. Und doch ist die Kritik heute nach 43 Jahren konsequenter und entschlossener geworden. Es ist eben nicht mehr fünf vor, sondern fünf nach zwölf – in den Augen der Autoren dieser zwei sehr lesenswerten, informativen wie packenden Bücher, die einander gut ergänzen.

Thomas Fatheuer, Lili Fuhr, Barbara Unmüßig: Kritik der grünen Ökonomie
Hg. von von Heinrich-Böll-Stiftung
Oekom Verlag München, 05. November 2015
192 Seiten, 14,95 Euro

Kathrin Hartmann: Aus kontrolliertem Raubbau. Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren
Karl Blessing Verlag München, 31. August 2015
448 Seiten, 18,99 Euro, auch als ebook

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