Grassomania überall

Weltweit Ausstellungen zu Günter Grass

Günter-Grass-Ausstellung in Danzig
Günter-Grass-Ausstellung im Mai 2015 in Danzig © picture alliance / dpa / Foto: Piotr Wittman
Von Nadine Dietrich · 30.12.2015
Ob Südkorea, Ecuador oder Russland - das Günter-Grass-Haus in Lübeck kann sich vor Anfragen zu Ausstellungsstücken nicht mehr retten. Überall in der Welt wird der verstorbene Schriftsteller und Maler für seine Kunst und sein Demokratieverständnis verehrt.
Der koreanische Museumskatalog zur frisch eröffneten "Günter Grass special exhibition" sticht sofort ins Auge. Das Din A4-große Buch ist farblich zweigeteilt, oben in schreiendem Pink, unten in knalligem Orange. Darauf mit dünnem Strich eine Zeichnung: Oskar Matzerath mit Trommel blickt einen erstaunt an. Jörg-Philipp Thomsa, der Leiter des Günter-Grass-Hauses in Lübeck, hat den Katalog aus Südkorea mitgebracht – er war zur Ausstellungseröffnung im "Museum für zeitgenössische Kunst" auf der Insel Jeju eingeladen.
"Riesige Veranstaltung mit 200 Gäste, Ausstellung auf fünf große Räume, wir haben fast 200 Arbeiten ausgeliehen zusammen mit dem Kunsthaus Lübeck und der Günter- und Ute-Grass-Stiftung, es interessiert die Besucher dort, inwieweit sich Grass politisch engagiert hat, haben sehr genau gewusst, dass Grass die Regierungspolitik Israels kritisiert hat, auch die Waffen-SS war, Debatten verfolgt."
Günter Grass und Südkorea – das ist keine abseitige Beziehung, die Ausstellung kein Zufall im Fernen Osten. Immer wieder wurde Grass von Schriftstellerkollegen und Intellektuellen um Rat gefragt, wie sich die beiden koreanischen Staaten wiedervereinigen könnten. Der Roman "Ein weites Feld" und seine politischen Reden würden in Südkorea als Inspiration wahrgenommen, erzählt Jörg-Philipp Thomsa.
"Günter Grass war 2002 in Süd-Korea anlässlich der Fußball-WM, hat ganz viele Schriftsteller und Intellektuelle getroffen, die ihn als Vorbild sehen, er hat sich eingesetzt für DDR-Schriftsteller, das haben in Süd-Korea auch Schriftsteller versucht, die sind dann verhaftet worden, Grass hat sich für die eingesetzt, darüber hat Grass bei seinem Besuch auch sehr offen gesprochen und er hat die intellektuelle Schicht auch ermuntert, die schmerzhafte Teilung zu überwinden..."
"Das ist natürlich mehrfach alarmgesichert..."
Jörg-Philipp Thomsa schließt das Archiv des Grass-Hauses auf. So oft wie in den vergangenen Wochen musste er noch nie hierher: Bibliotheken, Verlage, Galerien, Museen und Botschaften weltweit schicken Ausstellungsanfragen...
"Ecuador, Kolumbien, Krasnojarsk in Sibirien, Moskau. Auch aus Deutschland kommen Anfragen. Wir werden zum Beispiel in Osnabrück im nächsten Jahr ausstellen und in Berlin. Wir müssen wirklich gut überlegen und klug entscheiden: was zeigen wir wo. Tatsächlich sind wir schon an die Grenze gekommen, so viel Sonderausstellungen gleichzeitig können wir nicht mehr bespielen."
Grass-Freundeskreis in Sibirien
Im sibirischen Krasnojarsk gibt es seit vielen Jahren einen Grass-Freundeskreis, regelmäßig werden dessen Bücher, Aufsätze oder Reden gelesen. Auch das Anstoßen auf Grass‘ Gesundheit zu seinem Geburtstag im Oktober war ein festes Ritual des Lesekreises – nun möchten die Mitglieder endlich einmal seine Bilder zeigen. In Südamerika ist Grass wegen des magischen Realismus in seinen Büchern beliebt – ein Stilmittel, das sich auch in vielen südamerikanischen Werken findet.
Jörg-Philipp Thomsa blättert durch die große Mappe mit Bildern, die demnächst ins ecuadorianische Quito geschickt werden. Bilder vom Butt und der Blechtrommel sind gewünscht – wie bei so gut wie allen Anfragen weltweit.
"Tatsächlich: Die Blechtrommel überstrahlt alle anderen Werke, das ist schon das bekannteste Werk, ein Jahrhundertwerk, so wird es im Ausland gefeiert. Das ist eindeutig der Schwerpunkt. Gleichwohl soll dann meistens ein werkbiografischer Abriss erfolgen, um natürlich auch Leuten, die sich zum Beispiel nicht so sehr damit auskennen, dass Grass geschrieben und gezeichnet hat sein Leben lang... das ist meistens als Überblicksschau geplant."
Thomsa hat den Eindruck, dass Günter Grass weltweit als einer der wichtigsten Repräsentanten der deutschen Kultur wahrgenommen werde – und zwar auch der politischen Kultur. Deutlich wurde das auch kürzlich in Korea.
"Ein Repräsentant der Stadt hat bei der Ausstellungseröffnung gesagt, es freue ihn, dass Merkel auf dem Cover des Times Magazine war und dass Deutschland eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. Und das läge auch an Personen wie Günter Grass – ich würde selber so was nie sagen, aber das stimmt schon, dass sich Intellektuelle wie er für eine moderne Demokratie eingesetzt haben..."

Mit anderen Worten: Günter Grass wirkt nach. Oder wie er es vor einem dreiviertel Jahr auf seinen Grabstein schreiben ließ: Er ist das, immer noch er.
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