Grapefruits und andere Störfälle

Von Udo Pollmer · 12.02.2012
Medikamente sollte man ja nicht gerade mit einem Schluck Bier oder Wein hinunterspülen, das weiß wohl jeder. Aber wie sieht es mit Milch, Tee oder Fruchtsaft aus? Im Internet und den Medien mangelt es nicht an Tipps, die aber oft falsch sind.
Zu Risiken und Nebenwirkungen, heißt es so schön, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Deshalb hat der Apothekerverband eine Aktion gestartet, die über Wechselwirkungen von Tabletten mit Nahrungsmitteln aufklären soll. Darin weist er auf das besondere Risiko hin, das von Grapefruitsaft ausgeht. Die Zitrusfrucht enthält Substanzen, die die Entgiftungsenzyme in der Leber lahmlegen. Das kann im Laufe der Zeit zu einer schweren, ja tödlichen Arzneimittelvergiftung führen. Da Grapefruits den Abbau von etwa 60 Prozent aller Arzneimittel stören, ist ihr Verzehr in Verbindung mit Tabletten grundsätzlich zu meiden.

Doch in einer großen Tageszeitung erklärte flugs ein Apotheker des Unfallkrankenhauses Berlin, man müsse schon einen ganzen Liter trinken, bis es zu unerwünschten Effekten käme. Wusste er wirklich nicht, dass dafür bereits ein kleines Glas mit 0,2 ausreichen kann? Erschütternd ist die Empfehlung seiner Kollegen, den Grapefruitsaft zwei oder drei Stunden nach Einnahme des Medikamentes zu konsumieren. Die meisten Medikamente halten sich deutlich länger im Blut auf, als nur ein paar Stunden. Und die Wirkung der Grapefruit auf die Leber hält mehrere Tage vor. Dies ist die wichtigste Botschaft in Sachen Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln.

Und dann raten einige Experten auch noch öffentlich dazu die Tabletten mit Kräutertees als Alternative zum Grapefruitsaft einzunehmen. Ob sie sich das wohl gut überlegt haben? Nicht nur Grapefruits, auch allerlei Kräuter greifen in den Leberstoffwechsel ein und können die Wirkprofile von Medikamenten nachhaltig verändern. Das gilt selbst für einen vermeintlichen 'Aller-Welt-Tee' wie Kamille. Deshalb sollte man Tabletten nicht mit einem kräftigen Kräutertee sondern mit Wasser einnehmen.

Überraschend ist die Empfehlung des Apothekerverbandes, die häufig verschriebenen Blutverdünner nicht zusammen mit Blumenkohl, Kopfsalat oder Spargel zu konsumieren. Im Gemüse sei Vitamin K drin und das sei ein Gegenspieler der Blutverdünner. Und schon drohen, so lese ich in einer Information einer Krankenkasse, schon drohen Thrombosen und Schlaganfälle. Da frag ich mich natürlich, wie riskant mag das Gemüse erst sein, wenn zufällig keine Blutverdünner zur Verhinderung von Thrombosen eingenommen werden? Da wäre ja die Gefahr noch viel größer. Bis heute gibt es aber keinen vernünftigen Beleg, dass der übliche Konsum von Kopfsalat oder was auch immer Thrombosen fördert oder gar verursacht, egal ob mit oder ohne Blutverdünner.

Auch wenn beim Kopfsalat keine Gefahr einer Überdosis an Vitaminen droht, so sieht die Lage bei Nahrungsergänzungen oder vitaminisierten Produkten nicht so rosig aus. Ein Problem ist vor allem die Folsäure, weil sie wichtige Medikamente lahmlegt. Es geht dabei um Arzneimittel, die die Wirkung der Folsäure blockieren und dadurch eine Heilung ermöglichen. Diese Präparate heißen deshalb auch Antifolate - und sie werden zur Behandlung von Infektionen, von Krebs aber auch von Schuppenflechte und Rheuma eingesetzt. Seltsamerweise fehlt diese wichtige Warnung bei den Apothekern. Ob das daran liegt, dass in ihren Geschäften jede Menge Folsäurepillen herumliegen?

Zu Nebenwirkungen und Risiken fragen Sie, sehr geehrte Ärzte und Apotheker doch lieber mal einen Pharmakologen, bevor sie ihrer Kundschaft eigenwillige Ratschläge erteilen. Und zu ihrem eigenen Vorteil lassen Sie bitte die Finger von Grapefruits, aber Blumenkohl, Spargel und Salat können Sie unbesorgt konsumieren, solange es nicht im Rahmen einer Diät oder besonderen Ernährung geschieht. Denn bei Diäten, gleich welcher Art, sind Risiken und Nebenwirkungen vorprogrammiert. Mahlzeit!

Literatur:

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