Gottorfer Globus

Die "Gottesmaschine"

Nachbau des historischen "Gottorfer Globus" auf dem Gelände von Schloss Gottorf in Schleswig.
Nachbau des historischen "Gottorfer Globus" auf dem Gelände von Schloss Gottorf in Schleswig. © dpa / picture alliance / Wulf Pfeiffer
Von Peter Kaiser · 03.08.2014
Im Schloss Gottorf, hoch im Norden in Schleswig, steht eine Maschine, die die Welt staunen machte, als sie entstand: die "Gottesmaschine" nannte man sie Mitte des 17. Jahrhunderts. Es war das erste begehbare Planetarium der Welt.
Im Foyer des Globushauses zu Schloss Gottorf in Schleswig warten 30 Besucher ungeduldig darauf, endlich den berühmten Globus zu sehen. Doch vorher gibt es noch eine kurze Einführung.
Führerin: "Er wurde vor 350 Jahren hier vor Ort gebaut und der Auftraggeber war Friedrich der III., Herzog von Schleswig und Holstein. Die Menschen haben ihn ein Weltwunder genannt damals, auf alle Fälle ein technisches Meisterwerk."
Als der Hofmathematiker Friedrichs III., Adam Olearius, 1664 den Globus im Auftrag des Herzogs baute, war das noch eine recht gefährliche Arbeit. Denn rund 20 Jahre zuvor hatte Galilei seiner Erkenntnis abschwören müssen, dass die Erde sich um die Sonne dreht.
Der Globus entstand ja in einer Zeit, als die kosmologischen Vorstellungen sehr stark umgeschichtet wurden. Newton bahnte sich an, Kopernikus war noch nicht ganz anerkannt, aber Keppler hatte ja schon gezeigt, dass die physikalische Wirklichkeit des Weltalls sehr an Kopernikus heranging.
Felix Lühning ist Leiter der Archenhold-Sternwarte in Berlin. Er war maßgeblich am Nachbau des Gottorfer Globus beteiligt:
"Er war Weltmodell und Kosmosmodell in einem und wenn man dazu nimmt, dass auf dem Gottorfer Hof zu der Zeit ein wissenschaftlich orientierter Geist herrschte, so lag es nahe, ein Modell des Kosmos zu schaffen, um das, was man dort las und hörte, auch wirklich zu begreifen. Wortwörtlich zu begreifen. Und so verfiel man darauf, einen gigantischen Globus zu bauen, so groß, dass er eben einige Menschen fassen konnte. Von außen war dieser Globus also ein Erdglobus, nur in bisher ungekannten Dimensionen und innen, das war neu, war er eine Hohlkugel, ein Modell des nächtlichen Sternenhimmels, so wie wir ihn von der Erde aus sehen."
Mit einer Größe von 3,11 Meter Höhe, und einem Gewicht von 3 Tonnen hatte der Globus für die Zeit seiner Erbauung geradezu gigantische Ausmaße. Auf einem 1,40 Meter breiten Horizontring konnte man in zwei Metern Höhe einmal um die damals bekannte Welt herumlaufen. Gottgleich, in der damaligen Vorstellung.
Führerin: "Hier haben wir eben jetzt gerade Afrika, etwas überdimensioniert. Und ganz aktuell, sehen Sie auch nachher, wenn er sich dann dreht, eine weiße Landmasse. Die ersten Küstenlinien im Norden, Westen und Süden. Im Osten war noch keiner gewesen. Hollandia Novia hieß es zunächst, denn die Holländer waren die ersten, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts diese Küsten kartographiert haben."
Platz für zwölf Besucher
Die gottgleiche Weltbegehung war mit dem Schlossgarten zusammen ein weltanschauliches Gesamtkonzept.
Führerin: "Also man begriff im 17. Jahrhundert die Welt als eine große Maschine Gottes und das konnte man mit einer Maschine eben nachbauen. Das steht ja dahinter, und das ist ja als Einheit zu sehen, auch hier der Globus mit dem Garten. Der Garten, die gezähmte Natur, gezähmt denn jetzt halt, alles so klein geschnitten, geordnet und so, nicht, was zu Anfang, der untere Bereich repräsentiert eher noch die Zeit davor, aber der Barockgarten dann die gezähmte Natur. Und Gottes Werk eben, das man als Maschine nachbauen kann."
Ulrich Schneider: "Es war quasi der Blick Gottvaters auf die Schöpfung, der Blick von außen. Man muss sich klar machen, in einem Schloss hat man nicht astronomische Studien in erster Linie betrieben, sondern man hat Politik betrieben, man hat Gäste eingeladen, die man ganz im Sinne des Barock beeindrucken wollte. Zu dieser Beeindruckung gehörte natürlich auch, einen solchen Globus zu besitzen, indem man einsteigen kann, in dem man ohne Astronomie studiert zu haben, in dem man, ohne dass man lange Bücher gelesen hat, Rechenanweisungen zum Beispiel den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang für einen Tag im Kalenderjahr für einen bestimmten Ort bestimmen zu können."
Ulrich Schneider ist der derzeitige Globusmeister in Gottorf. Seinen Beruf gibt es erst seit Beginn des Globusbaus. Den großen Begriff der Gottesmaschine, also Globus und Garten mit den Wasserspielen, möchte Ulrich Schneider aber etwas relativieren:
"Mit dem Garten, natürlich wird da der Schöpfung Lob gesprochen. Es wird die Vielfalt der Natur angesprochen. Es werden ... die Regelhaftigkeit in Gottes Natur wird gehuldigt in dem Globus, aber es wird in diesem Globus nichts angestrebt, was man als Gottesbeweis oder so etwas sehen kann, sondern es wird ja nur wiedergegeben, was man sieht, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es wird verständlich gemacht."
Innen war der Hohlglobus das welterste Planetarium mit Platz für zwölf Besucher.
Schneider: "Ich denke, die Überraschung bei dem Gottorfer Globus ist die, dass man, wenn man als erster einsteigt in diese Kugel, dass man dann Platz nimmt und dann die ersten Bewegungen, die erste Bewegung im Globus erfährt, dann ist man nämlich völlig irritiert. Man verliert die Orientierung, und damit ist man quasi in dem, was auch heute noch ein Planetarium ausmacht. Wenn Sie in einem modernen Planetarium Platz nehmen in einem Sessel, und dann die Planetenshow beginnt, dann verlieren Sie auch kurzzeitig die Orientierung und müssen Halt finden in den Sternen, und genau das passiert auch im Gottorfer Globus."
Achtkantig geschliffene Silbernägel als Sterne
Führerin: "Jetzt wollen wir mal ganz schnell 24 Stunden ablaufen lassen. In 24 Stunden eine Erdumdrehung von West nach Ost um die Erdachse herum und das erzeugt die scheinbare Bewegung der Sterne. Einmal in 24 Stunden von Ost nach West, um die Erdachse, um den Himmelsnordpol herum. Und das machen wir jetzt nach. Ganz egal, wann Sie kommen, wir lassen immer die aktuellen 24 Stunden ablaufen, der Sternenhimmel verändert sich ja, und Sie bekommen immer den, den Sie auch gerade sehen. Jetzt ist die Sonne dort aufgegangen hinter Ihnen. Im Sommer geht sie ja nicht direkt im Osten, sondern nordöstlich auf, wenn Sie sich mal umdrehen, diese Kristallkugel zwischen den Hörnern des Stiers, das ist die Sonne."
Die gemalten Sternenbilder im blauen Weltall sind Gestalten aus den griechischen Sagen. Die Sterne des Universums werden durch 1000 achtkantig geschliffene Silbernägel dargestellt.
Surrend bewegt der Elektromotor den Globus, der Originalglobus rotierte um eine gusseiserne Achse, die über ein kompliziertes Getriebesystem mit einem Wasserrad im Keller des Hauses verbunden war. Ab 1717 stand das Wunderwerk als Kriegsbeute in den Kunstkammern Zar Peter des Großen in Sankt Petersburg. Und verbrannte dort 30 Jahre später. Erst im Jahr 2005 entstand in Gottorf der originalgetreue Nachbau.
Felix Lühning: "Natürlich wurde er gerne vorgeführt. Wissenschaftler aus vielen Regionen kamen, um dieses Wunderwerk zu bestaunen, auch Fürsten und fürstliche Besucher wollten diesen Globus sehen. Er ist dann auch später mehrfach kopiert worden, natürlich Ludwig der XIV. musste auch so ein Ding haben. Er hat sich sogar zwei davon bauen lassen. Noch sehr viel größer als der Gottorfer Globus, aber sie hatten den entscheidenden Nachteil, sie waren eben nicht begehbar, das waren also da schon reine Repräsentationsstücke, während der Gottorfer Globus, wie gesagt, ein Lehrstück war. Wissenschaftliche Auswirkungen hatte der Gottorfer Globus allerdings keine gehabt, das waren ja Demonstrationsstücke. Geforscht werden konnte damit nicht. Als Uhr konnte das Ding auch nicht eingesetzt werden, dazu war er in jeder Hinsicht zu ungenau. Wie gesagt, man konnte mit dem Globus Erde und Universum im wortwörtlichen Sinne begreifen und damit trug er seinen Zweck schon in sich. Es ist ein bisschen tragisch, dass mit seiner Fertigstellung der große Kampf um die Weltbilder schon entschieden war, und der Globus nur noch als Stück fürstlicher Gelehrsamkeit vorgestellt werden konnte, und schon während seiner Fertigstellung praktisch zum Dokument seiner Zeitgeschichte wurde."
Selbst wenn die Wissenschaft damals nicht vom Globus profitiert hat, heute gehen die Besucher staunend durch den schönen Schlossgarten in Gottorf, dem floralen Teil der "Gottesmaschine".
Oder sie sitzen im Planetarium, das ein Globus ist, und umgekehrt.
Informationen von Schloss Gottorf zum Globus und Barockgarten