Gottesdienste, Gebete, Gespräche

Homosexuelle Ex-Priester als selbstständige Seelsorger

Norbert Reicharts war katholischer Priester, dann bekannte er sich zu Homosexualität und Lebenspartner Christoph Schmidt: Beide arbeiten inzwischen in Köln als selbstständige Seelsorger.
Norbert Reicharts war katholischer Priester, dann bekannte er sich zu Homosexualität und Lebenspartner Christoph Schmidt: Beide arbeiten inzwischen in Köln als selbstständige Seelsorger. © Deutschlandradio / Moritz Küpper
Von Moritz Küpper · 20.10.2015
Im Vatikan berät die Bischofssynode über ihre Haltung zu Ehe und Familie, in Köln sind zwei schwule, ehemalige Priester einen Schritt weiter. In ihr "Zentrum für Theologie und Seelsorge" laden sie alle ein - auch geschiedene, unverheiratete und homosexuelle Menschen.
"Im Sommer ist natürlich auch immer der Garten ein Ort, in dem man sich trifft."
Norbert Reicherts geht vorweg: Es ist kühl geworden im Kölner Osten, die Wiese ist nass vom Regen, doch Reicherts biegt vorher rechts ab, betritt eine ehemalige Garage, die heute als Kapelle fungiert:
"Hier sieht man noch: ich habe Samstag ein Seminar gehabt über das Thema: Warum sind wir hier?"
Stühle stehen im Kreis, in der Mitte steht ein Korb mit Steinen. Norbert Reicherts, etwa ein Meter achtzig groß, braune Haare, buntes Holzfäller-Hemd ist einer der beiden Köpfe von "Lichtblicke der Seele". Sein Partner Christoph Schmidt, der zugleich auch sein Lebensgefährte ist, und er nennen es ein "Zentrum für Theologie und Seelsorge". Auf der Homepage ihrer Firma, wie Reicharts das Zentrum im Gespräch immer wieder nennt, steht die neutrale Formulierung, sie seien aus "christlichen Wurzeln erwachsen". Neben den Fotos beider auf der Seite steht aber dennoch – Zitat – "selbstständiger katholischer Priester".
"Christoph und ich sind ja beide aus dem Priester-Amt geschieden und haben dann gemerkt, dass wir nie miteinander gebetet haben und haben dann wirklich ganz langsam in unserem gemeinsamen Wohnzimmer angefangen, uns einen Tages-Rhythmus zu schaffen, in dem wir uns morgens und abends so 20 Minuten hingehockt haben und - was heißt gebetet? - wir haben vor allem miteinander geschwiegen."
Jeden Tag die gleichen Worte, irgendwann werden sie leer
An eine eigene Kapelle, an einen geordneten Lebensweg war damals noch nicht zu denken. Schmidt und Reicharts hatten – im Jahr 1998 bereits – ihre Anstellung als Priester gekündigt. Die Kirche sagt: Sie seien suspendiert worden. Sie begannen, in einer offenen homosexuellen Partnerschaft zu leben. Die Partnerschaft war dabei ein zentraler Punkt, doch Reicharts Gründe, die katholische Kirche zu verlassen, gingen weiter: Jeden Tag Eucharistie-Feier, jeden Tag die gleichen Worte.
"Ich habe gemerkt, dass diese Worte mit der Zeit einfach leer werden, wenn ich sie nicht immer wieder neu formuliere, mich damit auch immer wieder auseinandersetze und zwar damit arbeite und merke, es geht nicht darum, dass sie einmal aufgeschrieben sind und irgendjemand sagt: So muss es sein, sondern sie müssen lebendig sein, sie müssen dem Leben und dem Alltag auch unterworfen werden."
Und das ist letztendlich das, was Schmidt, Reicharts und damit die Initiative "Lichtblicke der Seele" von der katholischen Kirche unterscheidet. Denn während, so Reicharts, die Kirche, an die beide noch Kirchensteuer zahlen, vor allem vorschreibe, diktiere, sei bei Ihnen jeder willkommen: Egal, ob Mann oder Frau, egal, ob verheiratet oder geschieden, egal, welcher Religion man vorher angehörte:
"Der Mensch kommt so wie er ist, was er ist, was ihn umtreibt und wir versuchen diesen Menschen nicht in irgendeiner Art und Weise etwas vorzugeben."
Newsletter an 400 Menschen
Statt zu missionieren wollen sie zuhören, da sein. Über die Jahre ist somit die Anlaufstelle in Köln entstanden: In dem weißen Haus mit roten Verzierungen und angeschlossener Kapelle finden nun Gottesdienste, Gebete und Gespräche statt: Rund 400 Menschen bekommen den Newsletter der beiden. Für Trauungen oder Beerdigungen wird bezahlt. Wenn sich Menschen dies nicht leisten können, springt ein eigens gegründeter Verein ein. Manchmal, so Reicharts, der zusätzliche eine halbe Stelle bei einer schwulen Altenpflege in Köln hat, kommen Menschen jahrelang nicht wieder. Dann haben sie plötzlich das Bedürfnis. Für ihn ist das normal: Der Mensch im Mittelpunkt – ein Satz, den sicherlich auch die katholische Kirche von sich behaupten würde.
"Das tut sie aber nicht. Wenn sie wirklich den Menschen in den Mittelpunkt stellen würde, würde sie zum Beispiel diese Synode, die jetzt stattfindet, wäre anders. Da würden nicht irgendwelche ... - nur Männer, es sind wenige Frauen. Die gibt es auch ja, aber es sind wenige Frauen, dahin setzen und niemand würde glauben, dass diese Gruppe jetzt entscheiden kann, wie es weitergeht."
Auch von Papst Franziskus, den Reicharts zwar grundsätzlich sympathisch findet, erhofft er sich keine großen Veränderungen: Nicht für den Umgang mit Familien, nicht für die Rechte Geschiedener und auch nicht für den Umgang mit Homosexuellen. Aus Reicharts Sicht sollte in Rom nur eines passieren:
"Ich glaube, dass diese Synode nur einen Sinn hat, das hört sich vielleicht verrückt an, wenn die sich wirklich in die Köppe kriegen und sich so zerstreiten, dass es vielleicht wirklich zu Spaltungen kommt."
Und sich neue Initiativen entwickeln. So wie bei ihm, im Kölner Osten.
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