Gottes wendige Diener

Von Uwe Bork · 15.10.2013
Der Fall des katholischen Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst hat für Schlagzeilen gesorgt. Offenbar hatte er nicht mitbekommen, dass im Vatikan neuerdings ein anderer Wind weht. Andere Kollegen der Deutschen Bischofskonferenz sind da besser vorbereitet, meint Uwe Bork.
Das Missverständnis dauert nun schon fast 150 Jahre: Seit das Erste Vatikanische Konzil im Jahr 1870 verkündete, der Papst sei unfehlbar, hält sich nachhaltig die Meinung, der Mann auf dem Heiligen Stuhl könne nicht irren. Kann er aber doch. Und das bezieht sich nicht nur auf Fragen des alltäglichen Geschmacks und die Entscheidung, ob für den Nachfolger Petri nun eher rote Schuhe oder ganz normale Durchschnittstreter die angemessene Fußbekleidung wären. Unfehlbar ist ein Papst nur in Glaubens- und Sittenfragen, und auch nur da, wenn er sie ex cathedra, das heißt als nach katholischem Verständnis höchster Hirte und Lehrer der Christenheit entscheidet. Sonst nicht.

Wäre es anders, Papst Franziskus hätte kaum genug Spielraum, den konservativen Kurs seines Vorgängers Benedikt zu ändern. Was nicht nur in Bezug auf seine Schuhe misslich wäre, denn der nun schon nicht mehr ganz neue "Heilige Vater" will anscheinend nicht "vom Ende der Welt" ins alte Europa gekommen sein, um hier auch alles beim Alten zu lassen. Im Gegenteil.

Wie sein Vorgänger Johannes XXIII., den er im kommenden April heiligsprechen wird, will auch er ein "aggiornamento", eine Öffnung der katholischen Kirche zur Gegenwart. Er stößt die Fenster und Türen des Vatikans auf und lässt frischen Wind unter Talare blasen, wo sich der Staub von sogar zweitausend Jahren angesammelt hat.

Handreichungen aus dem Bistum
Deutschlands Bischöfe und Kardinäle spüren - von einzelnen bauwütigen Ausnahmen vielleicht einmal abgesehen - diese Veränderung sehr deutlich. Und nicht nur das: Sie begrüßen die von Rom ausgehenden Veränderungen in erstaunlicher Einhelligkeit. Nicht jeder geht dabei so weit, wie der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, gleichzeitig Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Aus seinem Bistum kam jetzt ein etwas altmodisch als 'Handreichung' bezeichnetes Papier, das alles andere als antiquiert wiederverheirateten Geschiedenen den Weg zurück in die Gemeinschaft ihrer Kirche eröffnet. Bisher waren dafür zwei fest zugedrückte Augen ihres Pfarrers nötig, was - wie Insider wissen - als Problemlösung in der katholischen Kirche aber durchaus Tradition hat.

Mag es beim altersmutigen Robert Zollitsch wenig überraschen, dass er auf dem von Papst Franziskus eröffneten neuen Weg geradezu voranstürmt, so verblüfft es bei einigen seiner Amtsbrüder umso mehr, wie schnell sie sich neu orientieren.

Das Schwärmen des Bremsers
In erster Linie ist hier wie so oft der Kölner Kardinal Joachim Meisner zu nennen, bisher eher ein entschiedener Bremser vor dem Herrn und weniger einer, der den katholischen Karren erst gar nicht gegen die Wand fahren lässt. Der Mann, der einst bundesweit Schlagzeilen machte, als er die Abtreibungen in Deutschland mit den millionenfachen Morden Hitlers und Stalins verglich, kommt nun beinahe ins Schwärmen, wenn er sich über seinen irdischen Chef äußert. Dessen Antworten auf die Fragen der Zeit ließen "die ganze Vitalität des katholischen Glaubens atmen", stellt er beispielsweise in einem Interview fest.

Wohlgemerkt, die Rede ist hier von Themen wie die vom Papst geforderte Achtung und Barmherzigkeit im Umgang mit Schwulen und Geschiedenen sowie die Förderung einer neuen, starken Rolle der Frau in der Kirche. Alles Dinge, die Kardinal Meisner wie seinen konservativen Amtsbrüdern bisher eher nicht besonders am Herzen zu liegen schienen. Nun schwenken sie aber so wendig um, als hätten sie kein Kirchenschiff zu steuern sondern nur ein Surfbrett unter den Füßen.

Doch genug des verwunderten Staunens. Freuen wir uns lieber, dass der neue Geist von Rom auch in die deutschen Bischofspalais eingezogen sind, die sich vorher geradezu hermetisch gegenüber allen Reformgedanken abgeschlossen zeigten. Oder deren Bewohnern zumindest der Mut fehlte, gemeinsam mit ihren couragierteren Kollegen den Rückwärtsrollen des Vatikans etwas entgegenzusetzen. Weiter so! Geht es doch um weit mehr als nur ein Paar rote Schuhe.


Uwe Bork, geboren 1951, ist seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart.
Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zwei Mal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht. In ihnen setzt er sich humorvoll-ironisch mit dem Alltag in deutschen Familien auseinander ("Väter, Söhne und andere Irre"; "Endlich Platz im Nest: Wenn Eltern flügge werden") oder räumt ebenso sachlich wie locker mit Urteilen und Vorurteilen über Religion auf ("Wer soll das alles glauben? Und andere schlaue Fragen an die Bibel"; "Die Christen: Expedition zu einem unbekannten Volk").
Uwe Bork
Uwe Bork© Uwe Bork
Mehr zum Thema