Golfsport im Aufwind

Putten, Pittchen, Powerschläge

Der olympische Golfplatz von Rio de Janeiro.
Auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ist der Golfsport wieder vertreten. © imago sportfotodienst
Von Peter Marx · 10.07.2016
Weltweit spielen Millionen Frauen und Männer Golf. Selbst in Deutschland hat der Sport sein Nischendasein verloren. Allerdings gibt es noch immer nicht genügend Plätze, die auch wirklich jeder nutzen kann. Ob die Olympischen Spiele das ändern können?
Die zirka 8000 Besucher auf den Tribünen am ersten Abschlag schreien, pfeifen, klatschen, machen einen Lärm als wären sie im naheliegenden Fußballstation des Bundesligisten Hoffenheim und nicht auf dem Platz des Golfclubs St. Leon-Rot, keine 40 Kilometer von Heidelberg entfernt. Die Mannschaften des Solheim-Cups betreten die Rasenfläche vor den Tribünen – unter den Gesängen und Aufmunterungen der Fans: Die linke Seite der Tribüne feuert die europäischen Spitzen-Spielerinnen an; die rechte Seite die Gegnerinnen aus den Vereinigten Staaten. Die weltbesten Golfspielerinnen kämpfen vier Tage gegeneinander und weit über 100 Millionen Fernsehzuschauer weltweit fiebern mit.

Täglich acht Stunden Training

Marcel Rauch steht alleine auf der Driving-Ranch, schlägt die vor ihm liegenden gelben Golfbälle ab. In der Hand den Driver – den größten Schläger in seinem Bag, was nichts weiter ist als eine längliche Tasche für 14 verschiedene Schläger, sowie Bälle, Handschuh und was er sonst so braucht für eine Runde Golf. Marcel Rauch ist Deutscher Golfmeister in der Altersklasse bis 18 Jahre. Ein Nachwuchstalent aus den Reihen des brandenburgischen Golfclubs Stolper Heide. Er trainiert täglich bis zu acht Stunden - und das seit Jahren. Meistens alleine oder wie jetzt unterstützt von seinem Trainer Gregor Tilch:
"Die Leute haben ja keine Ahnung wie ein Golf-Sportler eigentlich arbeitet und was die am Tag schuften. Also das die am Tag deutlich mehr machen als Fußballprofis. Es fängt damit an, dass ein Golfsportler seine acht Stunden trainiert plus Fitness. Und das täglich und über so viele Jahre leisten, dass er eine Chance hat irgendwann auf die Tour zu kommen. Das ist ja von den Zeitfenstern, von den Trainingsstunden mit keiner Sportart vergleichbar."
Rauch will Golfprofi werden, so wie vor ihm Bernhard Langer, Martin Kaymer oder Marcel Siem? Zehn Jahre, schätzt Marcel, wird er brauchen bis er über eine Vielzahl von Satelliten- und Newcomer-Turnieren die Startlizenz für die hochdotierte Europa-Tour bekommt. Und das auch nur wenn Rauch regelmäßig Turniere gewinnt und Top-Ten-Ergebnisse abliefert.
"Ich glaube, ich habe als kleines Kind mit 4 angefangen mit Hockey und das dann drei bis vier Jahre gespielt und irgendwann waren wir mit meiner Mutter und Vater im Golfclub essen. Meine Eltern haben selbst Golf gespielt und dadurch, dass wir schon Hockey gespielt haben war die Bewegung ähnlich wie beim Golfen. Da dachten sich meine Eltern, wie wäre es mal, wenn ihr hier mal ein Golfcamp mitmacht. Und das fanden wir richtig gut, mein Bruder und ich und so war die erste Begegnung mit Golf. In den nächsten Jahren hat sich das dann immer weiter nach oben entwickelt. Und irgendwann war es dann nur noch Golf und kein Hockey mehr. Ja."
Für Marcel Rauch ist Olympia ein Thema, wenn auch nur als Fernsehzuschauer. Erstmals seit 112 Jahren ist Golf wieder eine olympische Disziplin wenn vom 5. bis zum 21. August in Rio die Sommerspiele stattfinden. 1904 bei den olympischen Spielen in St. Louis wurde letztmals auf Fairways und Grüns um olympisches Edelmetall gespielt. Doch die Sportart Golf flog bereits vier Jahre später aus dem olympischen Programm – und das aus Mangel an Teilnehmern.
Damit ist diesmal nicht zu rechnen, obwohl die ersten Stars der Golf-Szene bereits die Teilnahme abgesagt haben. Aus Sicherheitsgründen! Der Zika-Virus macht ihnen Angst. Und das aus gutem Grund. Ein Teil des neu gebauten olympischen Golfplatzes – Kosten rund 20 Millionen Dollar - steht im Naturschutzgebiet "Reserva de Marapendi" wo die Gelbfiebermücke, die Überträgerin des Virus, lebt. Keine guten Rahmenbedingungen für die Rückkehr des Golfsports in die olympische Familie

Ist Golf eine Randsportart?

Solheim-Cup 2. Tag Wer keinen Platz mehr auf den Tribünen bekommt folgt den Spielerinnen auf ihrer rund sieben Kilometer langen Runde über den roten Kurs des Golfclubs St. Leon-Rot oder setzt sich in die Public Areas mit den Riesen-Videowänden: So wie Claus Kobold, Präsident des Deutschen Golfverbandes. Für ihn ist die Austragung des Solheim-Cups weit mehr als nur der Saison-Höhepunkt. Golf findet durch den Cup in Deutschland wieder Beachtung: das öffentlich-rechtliche Fernsehen liefert Live-Berichte, Fachleute erklären den Zuschauern die Feinheiten des Sports. So hat es sich der Golfpräsident gewünscht:
"Ich denke natürlich, dass es dem Golfsport was bringt, allein die Zuschauerzahlen sind hier doch überzeugend, denke ich. Das nächste ist, dass wir mit diesem Weltevent, drittes oder viertgrößtes Weltevent in der Welt, muss man ja wissen, dass wir den Leuten zeigen, dass Golf nicht das klischeebehaftete Bewegen älterer Herrschaften ist, sondern dass es ein Sport ist von jung bis alt und dass man jederzeit einsteigen kann. Das es Spitzensport gibt und das wichtigste zum Schluss: Es ist Sport."
Golf ist Sport - allen Unkenrufen zum Trotz! Diese Erfahrung machen Anfänger spätestens wenn sie das erste Turnier spielen und abends komatös auf der Couch liegen. Der Grund: Golf sieht viel einfacher aus als es in Wirklichkeit ist. Nur ein paar tausend Spielerinnen und Spieler von insgesamt rund einer Million aktiven Golfspielern in Deutschland schaffen ein Handicap unter minus zehn. Im Vergleich: Anfänger fangen mit Handicap Minus 54 an. Das heißt: pro Golfbahn dürfen sie drei Schläge mehr machen oder 54 mehr als die vorgegebenen 72 Schläge für die gesamte Runde. Und je besser der Spieler wird, desto weniger Zusatzschläge hat er. Ein hohes einstelliges Handicap, also acht oder neun, reicht allerdings höchsten zum Gewinn der Clubmeisterschaft, sagt Trainer Gregor Tilch.
Mageriten auf einem Golfplatz, im Hintergrund ist ein Golfspieler zu sehen.
Viele Golfplätze sind nicht für jedermann zu nutzen, sondern richten sich an Mitglieder, die recht hohe Gebühren zahlen.© dpa/picture alliance/Horst Ossinger
Wer heute in der Bundesliga spielen will, braucht ein Handicap im Bereich von mindestens minus eins und besser. Das haben in Deutschland vielleicht ein paar Dutzend Spieler und Spielerinnen. Trotzdem bleibt Golf aus der Sicht vieler Sportfreunde in Deutschland das was es für sie immer war: eine Randsportart. Eine Aussage, die der Golfpräsident wie einen Tiefschlag empfindet:
"Also wir sind jetzt bei etwa 640.000, 650.000 Golfer bei etwa 0,8 Prozent. Wenn wir 1,5 Prozent oder drei Millionen haben wollten, müssten wir irgendwo auf 1,6 oder 1,8 Prozent gehen. Das sind ja alles noch verschwindend geringe Zahlen, das heißt aber noch lange nicht, das Golf eine Randsportart ist, sondern das heißt schlicht und einfach, dass wir, glaube ich, der achtgrößte Sportverband in Deutschland sind, im DOSB organisiert."
Golf leidet unter Vorurteilen, die da lauten: ein Sport für Snobs, für Reiche und Rentner, zu teuer, zu langweilig und gipfelt in dem Lieblingszitat aller Golfgegner: Hast Du noch Sex oder spielt Du schon Golf! Jeder der Golf spielt wird mit diesen Vorurteilen konfrontiert, auch Stefan Engert, Chefredakteur des Golfjournals:
"Ich muss schon eines feststellen: Das Bild von Golf, das in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, insbesondere im Fernsehen, muss ich sagen, spielt sehr große Rolle. Wenn ein Golfer im Fernsehen gezeigt wird, nehmen sie mal im 'Tatort' den Börne. Das ist der reiche Mediziner, der sein eigenes Haus bewohnt, der einen alten Jaguar fährt und natürlich spielt er Golf. Solche Golfspieler gibt es. Aber sie stellen mittlerweile bei weitem nicht mehr die Mehrheit. Und das hat mit dem tatsächlichen Bild auf den Golfanlagen nicht mehr so viel zu tun."
Claus Kobold lehnt sich auf der Tribüne zurück und beobachtet den Abschlag von Sandra Gal, einer der zwei deutschen Golfspielerinnen in der europäischen Solheim-Mannschaft. Trotzdem kennt kaum jemand außerhalb der Golf-Szene die junge Düsseldorferin.

Bescheidene TV-Quote

Zwei Fernseh-Kameras stehen am Abschlug. Zwei von Dutzenden von Kameras bei den Tribünen, verteilt auf dem Gelände und auf Lift-Plattformen. Aus der Sicht der Fernsehverantwortlichen ein teurer Technikaufwand. Claus Kobold plädiert dennoch für noch mehr Übertragungen
"Sicherlich, das hat auf alle Fälle gefehlt und wir würden es uns wünschen, wen.n es so weitergehen würde. Im Moment ist es ja so, dass hier der SWR berichtet, dass letztendlich die ARD am Sonntag dazu schaltet und insbesondere deshalb weil wir hier eine sehr interessante Spielform haben. Wir haben das sogenannte Matchplay, das heißt Frau gegen Frau, ähnlich wie beim Ryder-Cup Mann gegen Mann und das ist kurzweiliger als wenn jemand vier Tage nur versucht möglichst wenige Schläge zu machen. Hier geht es wirklich darum, Emotionen pur. Hier werden Matches ausgetragen. In kurzer Reihenfolge gibt es Ergebnisse und das ist, was die Leute fasziniert. Und wenn es die Leute fasziniert, fasziniert es auch die Fernsehanstalten."
Trotzdem, die TV-Quote war bescheiden. Ob sich nochmals eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt findet, die dieses große finanzielle Risiko eingehen wird, ist fraglich.
Von Kurz-Beiträgen mal abgesehen. So bleibt Präsident Kobold nur die Hoffnung, dass die olympischen Golf-Übertragungen bei den Zuschauern wirken. Dies ist jedoch abhängig vom Erfolg der deutschen Olympia-Golfer.
Das IOC einigte sich mit den Golfverbänden für Rio auf ein reines Zählspiel über 72 Löcher und jeweils vier Tagen für die Damen wie die Herren. Gold, Silber und Bronze, wird an die Spielerinnen und Spieler mit den drei niedrigsten Schlagzahlen gehen, bei Gleichstand entscheidet ein Stechen. Mit dem Zählspiel-Modus orientiert sich das IOC an den etablierten Turnieren wie US-Masters, Britisch Open oder US-Open. Die Qualifikationskriterien sorgten nicht überall für Begeisterung. So ist die Grundlage für die Teilnahme an den Sommerspielen die Golf-Weltrangliste. Die ersten 15 haben sich – unabhängig von der Nationalität - direkt qualifiziert für das Turnier. Die übrigen 45 Starter werden ebenfalls über die Weltranglistenposition vergeben – allerdings dann nicht mehr als zwei Golfer pro Nation.
Nach derzeitigem Stand spielen bei den deutschen Herren der zweifache Major-Sieger Martin Kaymer und Marcel Siem in Rio und bei den Frauen die Profi-Spielerinnen Sandra Gal und Caroline Masson. Gute Chancen auf Edelmetall werden höchstens Martin Kaymer zugetraut, wenn er sein Formtief überwindet.
Marcel Rauch schlägt auf der 18. Bahn ab, die direkt vor das Clubhaus des Stolper Vereins führt. Knapp vier Stunden brauchte er für seine Trainingsrunde, rund zwei Stunden weniger als die Freizeit-Golfer um ihn herum. Nach einer kurzen Pause auf der Terrasse geht das Training auf der Driving-Ranch weiter. Hinter einem Holzhaus, verdeckt von Büschen hat der Club für die sehr guten Spieler eine Extra-Abschlagsfläche geschaffen. Aus Sicherheitsgründen. Denn gute Spieler schlagen den Ball - Durchmesser knapp 43 Millimeter, Gewicht rund 46 Gramm- mehrere hundert Meter weit und könnten damit andere Golfer gefährden. Marcel ist einer von ihnen:
"Ich kann den Ball ziemlich weit schlagen, was extrem hilft. Also so mit dem Driver 290 Meter, manchmal auch 300 und das ist ein großer Vorteil. Ein her gehend mit der Länge kommt natürlich dazu, dass es schwerer wird, den Ball gerade zu schlagen. Genau, das ist es schon, was ich als Schwäche definieren würde."

Arroganz der Golf-Clubs

Die wirtschaftliche Lage vieler Clubs und kommerziellen Anlagen ist alles andere als rosig. Mindestens acht Clubs gehen im Durchschnitt in Deutschland jährlich Pleite. Michael Weichselgartner, Eigentümer einer Golfanlage in München klagte in einem Interview mit dem Magazin "Golf Time": "Die Golfanlagen und Golfclubs verdienen derzeit nicht einmal die Abschreibung." Falk Billion, Sachverständiger für die Wirtschaftlichkeit von Golfanlagen analysierte: "Rund die Hälfte der deutschen Golfanlagen verlieren Mitglieder". Das Zitat ist zwei Jahre alt, die Lage in den Vereinen hat sich jedoch nicht verbessert. Der Journalist Stefan Engert nennt weitere Gründe:
"Zuwenig Mitglieder und zu wenig das ausgeprägte Verständnis auch in der Dienstleistung tätig zu sein. Für Golfer werben zu müssen. In dem völlig veränderten Marktverhältnissen mehr zu bieten als nur einen gepflegten Golfplatz. Das reicht heute nicht. Stichwort Marketing. Wird jetzt geschult und an die Clubs herangetragen. Aber da gibt es noch vielfach die Denke: Ich habe einen Club, ich habe einen tollen Platz. Die Leute sollen gefälligst zu mir kommen und das tun sie halt nicht mehr."
Diese Arroganz der Clubs ist es auch, die viele Golf-Interessierte abschreckt. Denn es gibt immer noch zu viele Clubs und Golfspieler, die Angst davor haben, dass ihr Sport durch die neuen Mitglieder an Exklusivität verlieren könnte. Entsprechend verhalten sie sich. Engert, Chefredakteur des Golfjournals macht das Sorgen:
"Es wird auch im Moment, erstmals seit langem, eine Diskussion über eine Willkommenskultur in Golfclubs geführt. In den 80ziger Jahren war es so, dass sich die Golfclubs die Mitglieder aussuchen konnten. Es gab Wartelisten. Das hat sich komplett gedreht. Wir haben heute einen ganz anderen Markt. Sie finden eigentlich relativ leicht Zugang zu Golfanlagen. Auch zu vernünftigen Preisen. Aber was die Golfclubs nicht schaffen ist, den Interessenten die Schwellenangst zu nehmen. Sie kommen auf den Parkplatz. Sie sehen teure Autos. Sie wissen gar nicht, wo geht’s da zur Tür rein. Es kommt keiner, der sie bei der Hand nimmt. Und leider, sehr oft, fehlt auch die Freundlichkeit, die man von dem Servicebetrieb erwartet. Das ist ein Problem des Golfs."
Auf der Jagd nach neuen Mitgliedern leisten sich viele Clubs und Anlagen einen Verdrängungswettbewerb, den nur wenige wirtschaftlich durchstehen werden. Angefangen bei den Einsteigerkursen. Einstmals teure Platzreifekurse, die jeder Anfänger besuchen muss, werden heute zu Ramschpreisen von unter 100 Euro angeboten, wobei die Qualität dieser Kurse deutlich gesunken ist. Und die früher verpönten Fernmitgliedschaften sind jetzt der Hit. Das heißt: Wohnt ein Mitglieder mindestens 100 Kilometer vom Club entfernt, zahlt er nur noch einen Bruchteil des üblichen Jahresbeitrages. Diese unwirtschaftliche Entwicklung funktioniert, sagen Fachleute, nur über einen kurzen Zeitraum und ist meistens die Vorstufe für eine spätere Insolvenz.
An dieser Aktion "Golf zum Spottpreis" ist der Golf-Verband selbst beteiligt über sein Tochter-Unternehmen VcG – Vereinigung der clubfreien Golfer. Sie wurde
1993 gegründet, um alle Golfspieler, die sich nicht an einen Club binden wollen, eine "clubfreie", anerkannte Mitgliedschaft zu einem Jahresbeitrag von derzeit 195,- Euro zu ermöglichen. Der Unterschied zum normalen Club-Mitglied. VcG-Mitglieder zahlen immer eine Startgebühr – das Greenfee. Die Gewinne der Vereinigung - bis heute rund 24 Millionen Euro - gehen an den Verband, der verschiedene Förderprojekte finanziert.

Amerikanerinnen spielen wie von einem anderen Stern

Doch nicht in allen Clubs werden VcG-Mitglieder geschätzt. Dort wird der VcG als ein "Auffangbecken für arme Golfer" gesehen, wogegen sich Klaus Kobold vehement wehrt:
"Man muss schlicht und einfach wissen, dass es Menschen gibt, die beruflich sehr gestresst sind, die häufig unterwegs sind, in verschiedenen Orten Golf spielen möchten. Und da ist die VcG eine Möglichkeit."
Solheim-Cup. Auf der sechsten Bahn des Golfkurses St. Leon Rot droht Europa ein herber Rückstand.
Die Amerikanerinnen spielen wie von einem anderen Stern, treffen Fairways und Greens mit traumhafter Sicherheit. Bei der entscheidenden Situation in diesem Flight mag Golfpräsident Claus Kobold gar nicht hinschauen. Wenn jetzt der Putt über fast acht Meter auf einem welligen, abschüssigen Green nicht gelingt und der Ball nicht ins Loch fällt, dann liegen die US-Girls vorne. Doch die spanische Spielerin behält die Nerven; der Ball fällt fast in Zeitlupe ins Loch und die Zuschauer atmen laut durch. Sie hatten die Luft angehalten, während der Ball sich in einer leichten Rechtskurve dem Loch näherte. "Das ist Golf", sagt Kobold und lachend meint damit die letzte dramatische Situation auf dem Golfplatz und nicht die aktuelle Situation in seinem Verband. Dort klingen inzwischen die Notsignale immer lauter: nicht nur die Clubs befinden sich in einer Krise, sondern der gesamte Sport:
"Also grundsätzlich haben wir immer zu wenige Mitglieder. Das Thema eins ist. Wir haben eine Marktdurchdringung, wenn ich es mal so nennen darf, die liegt bei weit unter einem Prozent, also bei 0,8 Prozent. Das heißt 99 Prozent konnten wir noch nicht überzeugen, werden wir auch nicht schaffen. Aber wenn wir drei, vier Prozent, wie in Schweden beispielsweise, an den Start kriegen. Dann wäre das Wunderbar. Dann geht es den Clubs gut, heißt sie können wirtschaften und können die Qualität erhöhen. Dann geht’s auch dem Verband gut."
Stefan Engert, Chefredakteur des Golfjournals, spricht von einer Phase des Golfstillandes und ist zuversichtlich, dass der Sport die Krise bewältigen wird. Allerdings hat auch er kein passendes Rezept parat, um die Situation zu verändern:
"Wir hatten seit Ende der 80er-Jahre im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten in Deutschland sehr solides, teilweise überproportionales Wachstum, im Durchschnitt zwischen 10 und 12 Prozent. Dieses Wachstum ist in den letzten drei Jahren abgeflacht. Wir haben in den letzten drei Jahren nennen wir es mal Null-Wachstum rein in der Statistik. Was sich im Gesamtbild der im DOSB organisierten Sportverbände immer noch gut liest, weil da Golf relativ weit oben liegt. Aber wir kamen aus einer sehr starken Wachstumsphase und die hat sich jetzt verlangsamt.
In den vergangen Jahren stiegen die Mitgliederzahlen in Deutschland minimal: damit aber immerhin noch mehr als in den Golf-Nationen England und den Vereinigten Staaten; dort sind die Zahlen rückläufig. Im Jahr 2013 lag der absolute Zuwachs an organisierten Golfern im Deutschen Golf Verband nur noch bei 0,4 Prozent, ein Plus von zirka 2300 Mitgliedern. Im letzten Jahr lag die Quote bei 0,2 Prozent; gesamt 1044 Mitglieder.

Horrende Betriebskosten

Die Gründe dafür betreffen den Golfsport nicht allein. Sie basieren vielmehr auf einem gesellschaftlichen Wandel, wie die Studie einer Krankenkasse zeigt. Danach liegen Sport und Bewegung generell nicht mehr im Trend. Gerade die Altersgruppe der 35- bis 45jährigen hat, angesichts von Anforderungen durch Familie und Beruf, immer weniger Zeit für Bewegung. Und "keine Zeit" ist ein Totschlag-Argument gegen den Golfsport, meint Engert
"Golfer haben ein anderes Zeitverständnis. Früher war es kein Problem, dass eine Golfrunde fünf Stunden dauert. Ich fahre 45 Minuten hin und 45 Minuten zurück und bin insgesamt sieben Stunden auf dem Golfplatz und verbringe meinen Tag. Das wir heute ganz anderes interpretiert. Die Golfer nehmen sich auch weniger Zeit. Sie erwarten mehr von ihrem Club. Sie prüfen ganz genau die Angebote, sehen sich mehr um. Sie haben mehr Auswahl und sind anspruchsvoller geworden."
Die Landesverbände, der Bundesverband, die Golfanlagen-Besitzer, die Clubs: Viele beschäftigen sich derzeit mit der Frage wie die Entwicklung im deutschen Golf verbessert werden kann. Die Boom-Jahre in den neuen Bundesländern, wo in den letzten Jahrzehnten viele Golfplätze mit öffentlichen Millionenförderungen entstanden, sind vorbei und brachten keinen deutlichen Mitgliederzuwachs. Selbst die Industrie beobachtet inzwischen die Entwicklung auf dem Golfmarkt skeptisch; so will Adidas seine defizitäre Golfsparte verkaufen. Was aber nicht nur am deutschen Golfmarkt liegt, sondern auch an der Produktpolitik des Unternehmens. Detlef Kartmann, Deutschland-Chef des Schlägerherstellers Ping, ist nicht ganz so pessimistisch. Für ihn bleibt Deutschland der größte Markt auf dem Kontinent. Sein Vorschlag um die Krise zu bewältigen:
"Wir brauchen mehr Golfplätze auf denen jeder spielen kann. Öffentliche Public-Plätze. Haben wir leider nicht. Und so ein Golfplatz braucht ja unheimlich viel Platz. Und für eine Minderheit von Leuten viel Platz abzugeben, dazu sind die Kommunen noch nicht bereit."
Und daran wird sich in den nächsten Jahren, wahrscheinlich sogar Jahrzehnten, nicht viel ändern. Die Kommunen wollen kein Geld und kein Gelände für öffentliche Golfplätze geben. Sie fürchten die horrenden Betriebskosten. Dann doch lieber ein Hallenbad, Freibad, Fußballplatz oder ähnliches fördern. Das zahlt sich dann wenigstens in Wählerstimmen aus. So kämpfen Golfverbände und Mitglieder weiter um öffentliche Anerkennung und hoffen, dass die Olympischen Spiele ihnen dabei nützen.
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