Glosse

Petitesse oder Peinlichkeit?

Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur "Die Zeit", zu Gast in der ARD-Talksendung "Günther Jauch".
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur "Die Zeit", zu Gast in der ARD-Talksendung "Günther Jauch". © picture alliance / dpa
Von Isabella Kolar · 31.05.2014
Trifft sich Giovanni di Lorenzo nicht mehr auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt, sondern auf eine Weißwurst mit Uli Hoeneß im Knast? Die nicht ganz ernst gemeinten Folgen des Geständnisses des "Zeit"-Chefredakteurs.
Die Doppel-Wahl-Posse hat mittlerweile viele Gesichter, "Hatz oder Rudeljournalismus" nannte Giovanni di Lorenzo das früher einmal, jetzt ist er selber Opfer und – pardon – er hat es verdient: Die "Bild"-Zeitung frohlockt über den "Riesen-Bock", den Di Lorenzo geschossen hat, "Kann ein kluger Mann so dusselig sein?" titelt die Hamburger Morgenpost frech und das Online-Satiremagazin "Der Postillon" fabuliert: "Nach doppelter Stimmabgabe: Beide Ehefrauen von Giovanni di Lorenzo reichen Scheidung ein."
Kai Diekmann als "Zeit"-Chefredakteur?
Die "Petitesse", wie Günther Jauch das naiv-duale Wahlouting seines Gastes in seiner Sendung am vergangenen Sonntag im nachhinein bezeichnet, kann den Chefredakteur der "Zeit" wenn es ganz schlimm kommt für maximal fünf Jahre ins Gefängnis bringen, denn doppelte Stimmabgabe ist auch bei der Euro-pawahl nicht erlaubt. So stands zumindest in der "Zeit". Di Lorenzo also statt auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt im Büro bald auf eine Weißwurst mit Uli Hoeneß im Knast, während Bild-Chef Kai Diekmann die "Zeit" übernimmt und dort gleich eine neue Rubrik auf Seite Eins einführt: "Playmate mit Hirn und Melone"? Auch auf Zeit-Online hätte Di Lorenzo nachschauen können – dort war vier Tage vor der Wahl unter der Überschrift "Lücke im EU-Wahlsystem" zu lesen: "Letztlich ist das Gewissen der Wähler der einzige Schutzmechanismus gegen die Doppelwahl von Doppelstaatlern."
Bornierte Dämlichkeit
Ein Migranten-Gewissen, an das die Union bekanntermaßen nie glaubte, zu Recht wie der Fall Di Lorenzo demonstriert: total gewissenlos gab er im italienischen Konsulat und in einem deutschen Wahllokal zwei Mal die Stimme ab und brüstete sich damit auch noch brühwarm am Abend vor 3,7, Millionen Zuschauern. Nein, das ist nicht intelligente Heimtücke sondern - pardon - bornierte Dämlichkeit. Hat der Mann, der nach eigenen Angaben in der Jugend die Haare so lang und offen wie die Felsgrottenmadonna von Leonardo trug und dazu ein rotes Halstuch mit Hammer und Sichel kombinierte, den historischen Imperativ "One man – one vote" in der Schule verschlafen? Er selbst schrieb in der "Zeit" drei Tage vor der Wahl, Zitat:
"Aber auch mir geht es wie den meisten begeisterten Europäern, die ich kenne: Vor den Europawahlen kommt nicht mal ein Anflug von Leidenschaft auf. Man geht, wenn überhaupt aus Pflichtgefühl zur Wahl."
Dass sich das darniederliegende Pflichtgefühl von Herrn di Lorenzo innerhalb von drei Tagen nicht nur erholte sondern quasi verdoppelte – kam – Gerechtigkeit muss sein - in diesem Fall sicherlich der traditionell niedrigen Wahlbeteiligung bei Europawahlen zugute, die dieses Mal leicht anstieg.
P.S.: Di Lorenzo wurde 1959 in STOCKHOLM geboren. Hat da schon mal irgend jemand nachgefragt?
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