Glosse

Die kleine Umtauschgeschichte

Eine Dresdner Familie tauschte am 01.07.1990 in einer Sparkasse in Dresden Ostmark gegen D-Mark. Am 01. Juli 1990 trat die Währungsunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in Kraft.
Zwar nicht in einer Genossenschaftsbank, sondern in einer Sparkasse: Umtausch Ost- gegen D-Mark © picture alliance / dpa / Foto: Ulrich Hässler
Von Matthias Biskupek · 18.08.2014
Genossenschaften gab es in der DDR in vielerlei Arten - auch Banken hatten sich in dieser Form über die gesamte DDR-Zeit hinweggerettet. Im Sommer 1989 wuchs ihnen auf einmal Bedeutung zu: Sie sollten helfen, die Währungsunion zu bewältigen. Dabei gab es richtige und offene Geheimnisse.
Genossenschaften in der DDR waren bekanntlich nicht nur Kolchose, wie der Volksmund die LPG nannte, sondern viele Arten von Handwerker- und Handels-Zusammenschlüssen. Dorfkonsum bis Schuster. Bäuerliche Handelsgenossenschaft bis Kaffeerösterei. Aus tiefer bürgerlicher, also eigentlich kleinbürgerlicher, Zeit hatten sich auch die Genossenschaftsbanken über die gesamte DDR hinweggerettet. Zur Währungs-Unions-Epoche im Sommer 1989 wuchs denen auf einmal Bedeutung zu. Seit an Seit mit der mächtigen Staatsbank und den allüberall gewachsenen Sparkassen sollten sie den Geldumtausch meistern.
Auf dem flachen Lande, wo Genossenschaftsbanken ihre Standbeine besaßen, wusste einer vom andern was, und alle wussten nichts Genaues. Der Kurs Ost zu West schwankte inoffiziell: acht zu eins, sechs zu eins. Man munkelte. Gehortetes Ostgeld wurde in Mengen ausgegeben. Schnell noch kauften die Bäuerlein gebrauchte Auto für viele Tausende Ost.
Transporter mit waschechtem Gelde
Den späteren offiziellen Umtauschkurs von zwei zu eins vermutete noch kaum jemand, zumal private Sparguthaben bis zu einer gewissen Höhe sogar eins zu eins umgetauscht wurden. Das betraf aber auch Genossenschaftsanteile. Welche die Genossenschaftsbanken hüteten. Wer also fischelant war, wie das Volkswort hieß, besorgte sich auf oft krummen Wegen solche Anteile. So konnte das Geld eins zu eins in die Westmark hinübergerettet werden.
In einer Genossenschaftsbank auf dem flachen Lande war dieses Geheimnis nur wenigen bekannt, ein offenes Geheimnis hingegen war, dass demnächst die Geldtransporte anrollen sollten. Zum einen saßen die Mitarbeiter zwischen all den Ostscheinen und zählten, zum anderen kamen Transporter mit waschechtem Gelde. Alles stapelte sich mitten im Dorfe, hübsch einsehbar, allwo die Bank in aller ländlichen Unschuld stand. Die Schalterhalle war leergeräumt.
"Und auf einmal tut's einen Schlag"
Ob denn bei all dem Gemauschel nicht irgendeiner Böses im Schilde führt? So ohne wirkliche Sicherheit? Waren nicht wieder welche zu kurz gekommen, die die genossenschaftlichen Sonderbestimmungen als ungerecht empfanden? Noch ein paar Stunden bis zum richtigen Geld. In diese Stimmung hinein …
Jutta: "Und am Nachmittag war so bisschen Flaute. Und auf einmal tut's einen Schlag – es waren natürlich so Sicherheitsvorkehrungen – da haben wir gedacht, jetzt will hier jemand uns an' Kragen oder was. Es tut einen Schlag in der großen Halle - da hat jemand so'n Knallkörper von Silvester neingeschmissen. Wir haben gedacht, es ist'n Anschlag oder so was! (Lachen)."
Doch auch Silvesterknaller aus volkseigener Produktion hielten die Gerechtigkeit nicht auf. Selbst wenn noch lange im Volke gemurmelt wurde: Da gibt's wieder 'ne Extrawurst. Für die Genossen. Oder Genossenschaftler – eh alles eins.