Globale Wirtschaft

Die Schattenseiten der Blumen-Industrie

Rosafarbene Tulpen
Rosafarbene Tulpen © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Von Susanne Billig · 24.02.2015
Farbenprächtige Schnittblumen sollen einfach nur Freude bereiten. Doch auch hinter Tulpen oder Rosen stecken knallharte Profitinteressen und Ausbeutung. Silke Peters zeigt in ihrem Buch "Blühende Geschäfte", wie unromantisch die Branche funktioniert.
"Plant-Eye" heißt die jüngste Errungenschaft der maschinellen Blumenproduktion. Das elektronische Auge sitzt auf den automatisch hin und her fahrenden Gießwagen moderner Riesengewächshäuser. Wachstum, Blattoberfläche, Volumen: Nichts entgeht dem Blumen-Big-Brother, wie Silke Peters in ihrem gründlich recherchierten Buch "Blühende Geschäfte" erzählt.
Dem internationalen Blumenhandel auf der Spur hat sich die ehemalige Geschäftsführerin eines Flower Label-Programms auf eine Reise rund um den Globus begeben. Sie hat endlose Gewächshauslandschaften in südlichen Ländern besucht und deutsche Floristen, die um ihr Überleben kämpfen. Sie nimmt die Ökonomie der niederländischen Tulpenmeere unter die Lupe und den Dschungel von Gütesiegeln, die giftarme und fair gehandelte Blumenfreuden garantieren sollen.
Auftakt des Buches ist eine Reflexion darüber, warum der Mensch Blumen so sehr liebt. Es handelt sich um ein biologisches Missverständnis, meint die Autorin. Die Evolution hat hübsche Blüten nur erfunden, um Insekten anzulocken − der Mensch tappt in dieselbe Falle. Auch wenn klar ist, dass es so sorglos nicht weitergehen wird, bricht Silke Peters eingangs doch eine Lanze für die Blumenliebe: Wer seine Nase in einen duftenden Strauß steckt, entziehe sich für eine kurzen Moment dem allgegenwärtigen Zweck- und Nützlichkeitsdenken.
Giftige Chemikalien und Hungerlöhne
Doch genau dieses Denken dominiert das internationale Geschäft mit Blumen: Rosen, Orchideen, Weihnachtssterne werden heute vor allem rund um den Äquator produziert, mit idealem Klima und billigen Arbeitskräften. Hautnah schildert die Autorin ihre persönlichen Begegnungen mit Menschen aus der Branche − wie mit Grace, einer Arbeiterin in Kenia, die dafür schuftet, dass ihre Kinder eine Schule besuchen können.
Für 55 Euro im Monat steht Grace um fünf Uhr morgens auf, kommt erst bei Anbruch der Dunkelheit wieder nach Hause und hantiert täglich mit giftigen Chemikalien. Zehntausende von Frauen arbeiten weltweit in der Blumenindustrie − meist ohne feste Arbeitsverträge und vielfach sexuellen Belästigungen ausgesetzt. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist aufgrund der prekären Arbeitsverhältnisse gering, erklärt die Autorin.
Blumen nicht im Supermarkt kaufen
Trotz solcher Schrecken gelingt es Silke Peters immer wieder, auch positive Töne anzuschlagen und ihr Buch überraschend vielschichtig anzulegen. Am Beispiel Uganda zeigt sie, welche positiven Effekte der Blumenproduktion nicht nur auf die Volkswirtschaft, sondern auch auf die Ausbildungssituation junger Menschen haben kann. Schade nur, dass europäische Firmen statt des afrikanischen Gartenbau-Absolventen lieber europäische Fachkräfte einstellen.
Am Ende der Handelskette sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher ihrer Verantwortung stellen, betont Silke Peters: Anstatt Blumen im Supermarkt zu kaufen und sich auf Siegel mit begrenzter Aussagekraft zu verlassen, sollte man im Fachhandel nach Floristen Ausschau halten, die sich persönlich mit der Herkunft ihrer Ware befassen. Denn ganz auf Blumensträuße zu verzichten, tut weder dem eigenen Gemüt noch den Menschen in benachteiligten Ländern gut.

Silke Peters: Blühende Geschäfte. Der weltweite Handel mit der Blume
Oekom Verlag, München 2015
199 Seiten, 14,95 Euro

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