Gleichgeschlechtliche Partnerschaften

"Diskriminiert durch den Gesetzgeber"

Sonnenschirm in Farben der Regenbogenflagge vor dem Rathaus in München
Sollen künftig auch homosexuelle Paare eine Ehe eingehen dürfen? Diese Frage bewegt derzeit die Politik. © Ralph Peters / imago
Andrea Buschner im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 27.05.2015
Das irische Votum für die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen hat die Debatte über eine rechtliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in Deutschland neu entfacht. Soziologin Andrea Buschner äußert sich über den Stand der Forschung - und auch zum Wohl der Kinder.
Bundesjustizminister Heiko Maas legt dem Bundeskabinett heute einen Entwurf zum "Lebenspartnerschaftsbereinigungsgesetz" vor. Damit soll die rechtliche Gleichstellung von Lebensgemeinschaften schwuler und lesbischer Paare mit der Ehe gefördert werden.
Im Deutschlandradio Kultur äußerte sich die Soziologin Andrea Buschner zum Stand der wissenschaftlichen Forschung. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Projekt "Gleichgeschlechtliche Lebensweise" des Staatsinstitutes für Familienforschung an der Universität Bamberg. Sie verwies auf die Ergebnisse einer Studie über rund 14.000 eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland:
"Hauptgegenstand der Forschung über Regenbogenfamilien ist die Frage: Wie geht es den Kindern? Das ist immer die allererste Frage, die gestellt wird. Und da kann man aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass es den Kindern gut geht. Also nicht anders als anderen Kindern."
Benachteiligung durch den Staat
Ein Unterschied zu klassischen Familienmodellen sei allerdings die alltägliche Diskriminierung, die manche Kinder aufgrund ihrer besonderen Familiensituation von Gleichaltrigen erfahren würden, meinte Buschner. Die Eltern wiederum hätten bei der Untersuchung den Gesetzgeber "als die am stärksten diskriminierende Kraft" benannt:
"Sie sagen: Durch die Nichtgleichstellung, durch die Anders-Behandlung, durch die Benachteiligung des Gesetzgebers fühlen sie sich am meisten diskriminiert."
Die Diskussion um gleichgeschlechtliche Partnerschaften drehe sich zu sehr um das Thema Kindeswohl, kritisierte Buschner. Dessen mögliche Gefährdung werde in konservativen Kreisen gerne als Argument gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften angeführt:
"Aber tatsächlich ist es ja so: Das Verbot der gemeinsame Adoption ist dem Kindeswohl nicht zuträglich. Weil das Kind nur einen rechtlichen Elternteil hat. Also könnte man den Spieß auch umdrehen."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Die katholischen Iren haben es uns vorgemacht und sich für die Ehe auch von gleichgeschlechtlichen Partnern ausgesprochen! Bundesjustizminister Heiko Maas stellt heute seinen Gesetzentwurf im Kabinett vor, der schwulen und lesbischen Paaren auch in Deutschland mehr Rechte einräumen soll. Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau sieht aber auch dieser Gesetzentwurf nicht vor.
Ganz nebenbei: In der Verfassung steht Ehe, aber nichts davon, dass sie zwischen Mann und Frau geschlossen werden muss! Gegnern fällt bei den Debatten darüber immer ein Argument ein, das Kindeswohl nämlich, das stünde auf dem Spiel. Und Thomas Strobel, einer der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, der wollte die Wissenschaft bemühen:
O-Ton Thomas Strobel: Ich bin vor allem der Auffassung dann, wenn es nicht nur um die beiden Partner geht, sondern wenn Kinder ins Spiel kommen, dass wir uns das sehr genau anschauen sollten. Und da sollten wir auch keine Schnellschüsse machen. Das sollten wir gründlich untersuchen, da sollten wir uns anschauen, was sagt die Wissenschaft uns. Und da dürfen wir uns, wie ich finde, weil es um Kinder geht, durchaus auch etwas Zeit nehmen.
von Billerbeck: Den Wunsch, Herr Strobel, erfüllen wir prompt! Wir fragen die Wissenschaft und nehmen uns Zeit und gehen nach Bayern telefonisch! Denn beim dortigen Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg wird seit 2006 im Auftrag des Bundesjustizministeriums genau das Erwünschte untersucht. Die Soziologin Andrea Buschner ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin, Koautorin eines Buches über die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Und jetzt am Telefon, schönen guten Morgen!
Andrea Buschner: Guten Morgen, grüße Sie!
von Billerbeck: Bevor man was erforschen kann, muss man seinen Forschungsgegenstand erst mal kennen. Aber es gibt doch keine Erhebungen darüber, wie viele gleichgeschlechtliche Paare in eheähnlichen Gemeinschaften leben, wie sind Sie dann an Ihr Forschungsmaterial gekommen?
Buschner: Grundsätzlich ist es so, dass, was die amtliche Statistik betrifft in Deutschland, es sehr schwierig ist abzuschätzen, wie viele gleichgeschlechtliche Paare tatsächlich in Deutschland leben. 2011 waren es um die 70.000, die der Mikrozensus beispielsweise ausgewiesen hat. Es ist ganz schwierig, das eben zu erfassen. Nichtsdestotrotz gibt es ja den Familienstand oder den Personenstand der Lebenspartnerschaft. Und für unsere Studie damals fürs Bundesjustizministerium 2006 bis 2009 sind wir eben an Personen beziehungsweise Haushalte herangetreten in Deutschland, in denen eben eingetragene Lebenspartnerschaften leben. Und so konnten wir 14.000 Haushalte kontaktieren, in denen eingetragene Lebenspartner leben. Und so sind wir eben an die gekommen.
Die Wissenschaft sagt: "Den Kindern geht es gut"
von Billerbeck: Was haben denn nun Sie und Ihre Kolleginnen herausgefunden, wie geht es Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften?
Buschner: Da bin ich froh, dass Sie nicht das Wort Kindeswohl in Ihrer Frage jetzt benutzen, da habe ich ein bisschen ein Problem, weil selbst der Gesetzgeber ja nicht ganz klar regelt, was jetzt Kindeswohl ist beziehungsweise kindeswohlgefährdend. Aber was wirklich tatsächlich untersucht wird – und das ist eigentlich der Hauptgegenstand der Forschung über Regenbogenfamilien –, das ist: Wie geht es den Kindern? Das ist immer die allererste Frage, die gestellt wird. Und da kann man eigentlich aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass es den Kindern gut geht. Also nicht anders als anderen Kindern.
Es wurden ganz unterschiedliche Dimensionen schon untersucht, die Geschlechtsidentität, also wie sie sich fühlen, ob sie sich als Junge oder Mädchen fühlen. Das ist wie bei anderen Kindern auch, das Geschlechtsrollenverhalten, die sexuelle Orientierung. Dinge beispielsweise wie sexuelle Orientierung – das ist ja immer wieder ein Vorurteil, dass Kinder, die in solchen Partnerschaften aufwachsen, selbst lesbisch oder schwul werden. Die werden nicht häufiger lesbisch oder schwul.
Dann wurde die Beziehung zu Gleichaltrigen untersucht. Und die ist auch ähnlich stabil gestaltet. Psychische Entwicklung, die Mutter-Kind-Beziehung, eigentlich ist alles vergleichbar mit anderen Familien, Stieffamilien oder mit Kernfamilien. Einen Unterschied gibt es, das ist die Diskriminierung. Und es ist tatsächlich so, dass die Kinder auch häufiger diskriminiert werden aufgrund dieser Familiensituation. Die Eltern in unserer Studie, die sagen wirklich, ja, sie wissen von solchen Erfahrungen ihrer Kinder. Also, das ist etwas, was tatsächlich vorkommt.
Diskriminierung durch Gleichaltrige
von Billerbeck: Wer diskriminiert denn da am meisten? Die Gesellschaft?
Buschner: Es ist tatsächlich so, dass diese alltägliche Diskriminierung, die spürbare Diskriminierung für die Kinder von Gleichaltrigen ausgeht, von den sogenannten Peers. Das wird am häufigsten genannt von den Kindern. Es gibt auch diese School-is-out-Studie, eine europäische Untersuchung, die das eben thematisiert. Aber die Eltern in unserer Studie nennen tatsächlich den Staat beziehungsweise den Gesetzgeber als die am stärksten diskriminierende Kraft. Also, sie sagen: Durch die Nicht-Gleichstellung, durch die Andersbehandlung, durch die Benachteiligung des Gesetzgebers fühlen sie sich am meisten diskriminiert.
von Billerbeck: Das heißt, der Gesetzgeber ist unter Zugzwang?
Buschner: Auf jeden Fall! Also ...
von Billerbeck: Um mal das Elternwohl ins Spiel zu bringen!
Angebliche Gefährdung des Kindeswohls
Buschner: Na ja, und das Kindeswohl, mit dem immer argumentiert wird, auch vom Gesetzgeber. Wir haben es ja gehört, der Gesetzgeber argumentiert immer so: Wir wissen nicht genau, wie es den Kindern geht in den Partnerschaften. Wir haben Angst, dass das Kindeswohl gefährdet ist, das bringen ja konservativere Lager immer wieder vor. Aber tatsächlich ist es ja so, wenn man den Spieß umdreht: Dadurch, dass sie beispielsweise die gemeinsame Adoption nicht erlauben, ist es ja so, dass das dem Kindeswohl nicht zuträglich ist. Weil dieses Kind nur einen rechtlichen Elternteil hat. Und das ist mit Sicherheit nicht dem Wohl des Kindes zuträglich. Also könnte man den Spieß auch umdrehen.
von Billerbeck: Da fragt man sich tief besorgt: Wieso sind wir so weit zurück, hinter einem erzkatholischen Land wie Irland, wenn Sie solche Untersuchungen machen und feststellen: Es geht Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften genauso gut wie Kindern in ganz normalen – in Anführungsstrichen – Ehen zwischen Mann und Frau?
Buschner: Sie wären überrascht, wie langweilig normal und alltäglich solche Familien sind. Die empfinden sich selbst auch nicht als anders, ja, vielleicht als anders, aber zumindest nicht als defizitär. Und die Argumentation, die natürlich immer dahintersteckt, ist der Schutz der Ehe, der Familie. Ja, das ist eben das, was immer vorgebracht wird. Es wird aber international anders gesehen. Es ist ja nicht nur so, dass wir das herausgefunden haben, sondern auch international gibt es ja zahlreiche Forschungsergebnisse, die eigentlich dafür sprechen oder zumindest nichts dagegensprechen lassen.
von Billerbeck: Das heißt, Sie haben nicht nur Ihre Forschungsergebnisse ausgewertet, sondern auch die von Kollegen von anderswo?
Der internationale Forschungsstand
Buschner: Das gehört einfach dazu, dass man eben den internationalen Forschungsstand spiegelt. Dass man auch guckt, okay, was gibt es international, was wurde vielleicht noch nicht erforscht international, dann kann man da ein bisschen mehr Schwerpunkte legen. Und dass man natürlich auch immer Befunde, die es gibt – sei es jetzt in die eine Richtung oder in die andere – immer auch kritisch prüft, methodisch prüft, ob man der Studie beispielsweise Glauben schenken mag, selbst, persönlich. Beispielsweise wenn nur fünf Familien befragt wurden oder wenn bestimmte methodische Aspekte eben vielleicht dagegensprechen, dass man das verallgemeinern kann oder dass man bestimmte Schlüsse ziehen kann.
Oft wird zum Beispiel nicht zwischen den zwei großen Familienformen unterschieden: Regenbogenfamilien sind nicht Regenbogenfamilien. Es ist ganz wichtig, hier zwischen Familien zu unterscheiden, die ihr Kind in der Partnerschaft bekommen haben, in der lesbischen oder schwulen. Und zwischen solchen, die ihre Kinder aus einer vorherigen heterosexuellen Partnerschaft haben. Letztere sind ja klassische Stieffamilien, da haben Kinder schon mal in einem heterosexuellen Paar gelebt und kommen jetzt beispielsweise mit ihrer lesbischen Mutter, mit ihrer Mutter in eine lesbische Partnerschaft. Das ist ein ganz anderer Kontext, als wenn ein Kind von klein auf wie selbstverständlich mit zwei Mamas aufwächst.
von Billerbeck: Also, auch da muss man ganz genau hinsehen. Andrea Buschner hat das getan am Staatsinstitut für Familienfragen hat sie miterforscht, wie es um das Wohl von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften bestellt ist. Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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