Gleichberechtigung

Religiös ohne Unterschiede

Die Rabbinerin Elisa Klapheck ist eine von drei hauptberuflichen Rabbinerinnen in Deutschland. Sie ist in einer Synagoge in Frankfurt am Main.
Elisa Klapheck ist eine von drei hauptberuflichen Rabbinerinnen in Deutschland. © Imago / epd
Von Alice Lanzke · 05.06.2015
Im orthodoxen Judentum haben Frauen nur eine passive Rolle. Die egalitäre Strömung der Minjan hingegen setzt auf Gleichberechtigung: Hier können Frauen sogar Rabbiner werden.
Die Vielfalt des Judentums drückt sich nicht zuletzt in den unterschiedlichen religiösen Strömungen aus. Eine davon ist der Egalitäre Minjan, der etwa in Frankfurt am Main eine eigene Synagogengemeinschaft bildet. Was sich genau hinter dem egalitären Minjan verbirgt, kann deren Rabbinerin Elisa Klapheck erklären:
"Egalitär heißt gleichberechtigt: Männer und Frauen sind also gleichberechtigt. Und Minjan ist das hebräische Wort für Zählung, ein Quorum, zehn Personen. Im traditionellen Judentum werden nur die Männer gezählt. Bei uns - wir sind egalitär - werden auch die Frauen gezählt. Also zehn jüdische Personen sind ein Minjan und das ist die Mindestdefinition für eine Gemeinde. In dem Moment, wo zehn Juden zusammen sind, ist das eine Gemeinde. Und wir sind also ein egalitärer Minjan, eine gleichberechtigte Gemeinde."
Den Minjan haftet etwas Verbotenes an
Eine Frau im Rabbineramt, keine Geschlechtertrennung im Gottesdienst: Hat man vor allem den orthodoxen jüdischen Ritus vor Augen, haftet dem egalitären Minjan fast schon etwas Verbotenes an. Völlig zu Unrecht, wie Elisa Klapheck betont:
"Ich weiß auch nicht, warum dieses Vorurteil so hartnäckig geworden ist. Allerdings muss ich sagen, dass ich als Jugendliche auch die Vorstellung hatte, dass in der Synagoge der Rabbiner ein Mann ist, dass die Stimme, die liturgische Stimme, natürlich ein Kantor ist, ein Mann. Ich konnte mir ein Judentum, in dem Frauen gleichberechtigt sind, also in religiöser Hinsicht gleichberechtigt sind, optisch und auch vom Gehör her gar nicht vorstellen. Und das hat sich eben bei vielen ganz tief verankert. Ich selber hatte am Anfang auch die Angst, wenn ich mich jetzt emanzipiere innerhalb der Religion, mache ich da was kaputt eventuell? Wenn ich jetzt mit einem Gebetsschal auftrete, also die Autorität des Tallit, des Gebetsschals auf meine Schultern lege und so in der Synagoge erscheine, bin ich dann Enfant terrible? Mache ich dann etwas kaputt? Das dauerte sehr lange, bis ich verstanden habe, dass diese ganzen Debatten alle schon mal stattgefunden haben, sogar schon im Talmud und später im Mittelalter wieder. Es ist völlig klar: Die Frauen können gleichberechtigt sein."
Auch Orthodoxe dürften nichts gegen Rabbinerinnen haben
Mit dieser Haltung scheint der egalitäre Minjan einen Gegenpol zur traditionellen Orthodoxie zu bilden. Tatsächlich aber trifft Elisa Klapheck keineswegs auf Ablehnung aus orthodoxen Reihen:
"Gebildete orthodoxe Rabbiner können gar nicht wirklich gegen das egalitäre Judentum sein, weil sie ja selber wissen, dass im Talmud ausdrücklich gesagt wird: Auch die Frauen können aufgerufen werden zur Torah. Auch die Frau, die die Menstruation hat! Die Torah ist so rein, die nimmt keine Unreinheit an. Das ist ein fürchterlicher Aberglaube, wenn gesagt wird, die Frauen dürfen doch die Torah nicht anfassen, die wird dann unrein. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Und die orthodoxen Rabbiner wissen das ganz genau. Also ich kenne keinen orthodoxen Rabbiner, der mir je gesagt hat: Du machst was Verbotenes."
Und dennoch scheint der egalitäre Minjan mit Traditionen zu brechen. Doch darum geht es Rabbinerin Klapheck überhaupt nicht:
"Ich bin die Rabbinerin für all diejenigen, die mit der Gesellschaft leben und da natürlich changieren. Und ich will ihnen zeigen, ihr könnt im Judentum leben, ich würde euch gerne zurückholen. Ich löse es gar nicht auf - im Gegenteil: Ich binde sie wieder an."

Weitere Informationen zum Egalitären Minjan gibt es etwas auf der Internetseite der Frankfurter Synagogengemeinschaft.

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