Gitarrist Andreas Arnold: "Ojos Cerrados"

Deutsche Flamenco-Karriere in New York

Eine in rot gekleidete Flamencotänzerin. Im Hintergrund schauen ihr drei Personen beim Tanzen zu.
Gitarrist Andreas Arnold ist vom Flamenco begeistert. Er nennt sie "die gitarristischste Musik überhaupt". © Imago / Action Pictures
Von Katrin Wilke · 09.06.2016
Eigentlich ist Gitarrist Andreas Arnold im Jazz sozialisiert. Aber inzwischen ist er großer Fan des Flamenco. Nun hat er sein erstes eigenes Album "Ojos Cerrados" vorgelegt, ein Plädoyer zum "In-die-Welt-schauen".
Das einzige, auf dem Album vom Gitarristen im Alleingang gespielte Stück heißt "Entre dos tierras – Zwischen zwei Welten". Der Deutsche in New York, der sich noch dazu vom Jazz auf den Flamenco verlegt hat. Sicher kein allzu einfacher Weg, aber auch ein klarer, besonnener. Danach klingt zumindest diese Komposition im Flamenco-Stil der Granaina, deren Titel auch an Paco de Lucías Klassiker "Entre dos aguas" denken lässt. Dabei war der Übervater der Flamenco-Gitarre nicht mal - so Andreas Arnold - der allererste Auslöser seiner Flamenco-Passion. Die wurde in seiner Amsterdamer Jazzstudienzeit durch ein frühes Album von Vicente Amigo entfacht. Weitere, ähnlich innovative Gitarristen wie etwa Tomatito, Josemi Carmona oder Chicuelo wurden im Folgenden zur wichtigen, bis heute hörbaren Inspirationsquelle:
"Mit dem Schritt zum Flamenco bin ich eigentlich noch näher zur Gitarre gekommen, weil ich finde, dies ist die gitarristischste Musik überhaupt. Klar, Rockmusik mit Sicherheit auch, aber Jazz mit Sicherheit nicht, das ist keine Gitarrenmusik. Die Jazzgitarre ist immer so ein Stiefkind. Außer Django Reinhardt finde ich, der wirklich sein Ding gemacht hat und einen Stil um die Gitarre herum gebaut hat, versuchen alle anderen immer nur, die Saxofonisten und die Pianisten zu kopieren und diesen Sound zu bekommen. Das ist interessant, aber du wirst harmonisch nie klingen wie Bill Evans. Und du wirst nie die Power haben, die John Coltane hat, oder die Coolness, die Miles Davis hat. Und mit Flamenco fand ich das Instrument einfach viel expressiver, viel ausdrucksstärker in diesem Kontext. Weil natürlich die ganze Musik um die Gitarre herum entstanden ist: Also die Musik, die Harmonien - das sind einfach Sachen, die unter den Fingern liegen. Während man im Jazz immer versucht, die Sachen zu kopieren, die die Pianisten machen, die Melodie zu spielen, die die Bläser spielen."

"Ojos Cerrados" zeugt von viel Flamenco-Wissen

Doch auch die jazzigen Pfade hat Andreas Arnold nie wirklich verlassen bei seiner Beschäftigung mit dem Flamenco. Die führt ihn natürlich auch immer wieder nach Spanien und dank seines guten Netzwerkes zu den passenden, bisweilen gar so heiß erträumten Mitmusikern wie dem E-Bassisten Carles Benavent. Der Pionier des Flamenco-Jazz, der früher auch mit Paco musizierte, ist in dieser Eröffnungsrumba und zwei weiteren Stücken des Albums zu hören. Er zählt seit langen zu den ganz großen Vorbildern von Andreas Arnold, der wie der katalanische Kollege auch gerne mal zur Mandoline greift.
Die neun, allesamt von Arnold komponierten Stücke zeugen von viel Flamenco-Wissen und Gefühl für diese ihm einst so ferne musikalische Welt. Dies weiß auch der spanische Perkussionist Carlos Ronda zu schätzen - Koproduzent und überhaupt wichtiger Impulsgeber dieser Aufnahme, der auch für einige interessante Gäste, wie etwa den valencianischen Sänger Carles Dénia sorgte. Was auf Andreas Arnolds erstem Album unter eigenem Namen und auch schon auf dem "New York Flamenco Jazz Project"-Vorgänger als federleichte Kollektivarbeit daherkommt, bedurfte vieler arbeitsintensiver, einsamer Stunden im stillen Kämmerlein:
"Ich hab mich sehr, sehr intensiv damit beschäftigt. Das war also echt nochmal zurück die Schulbank drücken - das war das Gefühl. Ich hab sehr viel alleine gemacht, weil - ehrlich gesagt - es ist etwas frustrierend mit den Flamenco-Lehrern. Vor allem wenn man schon so viel Musik studiert hat, weiß, es gibt effizientere Wege, Sachen zu klären, als nur vor- und nachzuspielen. Klar, wenn man das von klein auf lernt, ist das sicher die beste Art und Weise, übers Gehör. Aber ja wär gut gewesen, anfangs hätte jemand gesagt, eine Sevillana funktioniert so und so, hat diese Struktur. Hat aber niemand und kann mir bis heute niemand erklären, wie ne Sevillana aufgebaut ist. Darüber macht sich niemand Gedanken. Palmas kommen dann irgendwie, weil ich einfach ständig die Platten rauf- und runterhöre."

Andreas Arnold will politische Botschaften transportieren

Andreas Arnolds Kompositionen fußen größtenteils auf traditionellen Flamenco-Stilen und kommen in ihrer instrumentalen Üppigkeit und Expressivität oft auch ganz gut ohne Gesang aus. Wobei man für das Album auch vier exzellente Sänger, darunter eine mit Flamenco vertrauten Jordanierin, gewinnen konnte. Doch ob nun Vokal- oder Instrumentalstück - der Gitarrist setzt auf Musik als Medium für politische Botschaften, als Raum für Auseinandersetzungen mit Themen, die in der New Yorker Wahlheimat quasi vor der Haustür liegen:
"Ich fühle mich sehr zuhause dort. Mittlerweile ist auch Englisch die Sprache, wo ich am komfortabelsten bin. N.Y. ist eine Wahnsinnsstadt. USA ist halt etwas ambivalent - die ganze Sache. Und ich glaube, ich werde da jetzt nicht für immer bleiben wollen. Politik interessiert mich schon sehr. Und es ist einfach unglaublich, was da abgeht. Und nicht mal nur Politik, einfach diese Grundeinstellung, dieses Megakapitalistische, Konsum-Konsum-Konsum. Die Leute reflektieren überhaupt nicht. Und in diesen Zeiten - man kann ja so wenig machen - ist dann die Musik so eine Zuflucht. Und in diesen Momenten entstehen dann diese Kompositionen in der Art und Weise, um selber mit der Welt fertig zu werden."
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