Gilde ehrlicher Taschendiebe

Klauen als Präventionsarbeit

Archie Clapp von der Gilde ehrlicher Taschendiebe bei der "Arbeit" - er zieht die Geldbörse aus der Tasche eine Mutter
Archie Clapp von der Gilde ehrlicher Taschendiebe bei der "Arbeit" © Deutschlandradio / Gerhard Richter
Von Gerhard Richter · 06.08.2015
Der Sommer ist Hochzeit für Taschendiebe - und die Fallzahlen steigen stetig. Auch die sogenannte Gilde ehrlicher Taschendiebe klaut, was das Zeug hält. Allerdings nicht, um sich zu bereichern, sondern um aufzuklären.
Archie Clapp: "Hällöchen, wollen sie ein Zauberkunststück sehen?"
Marion Boländer: "Was denn? Was möchte ich?"
Archie Clapp: "Ein Zauberkunststück sehen. Ich bin Zauberer. Archie Clapp mein Name."
Archie Clapp, der vermeintliche Straßenzauberer, hat sich aus der Menge eine Passantin herausgepickt. Ahnungslos lässt sie sich auf das Spiel ein. Archie Clapp lässt eine Münze verschwinden und in ihrer Tasche wieder auftauchen, in Wirklichkeit klaut er ihr Handy, um es ihr dann grinsend zurückzugeben.
Marion Boländer: "Ich hab mein Handy nicht mehr … (lacht) Ja wie kommt denn das? Ich hab doch alles zugehabt? Ich bin fasziniert, bin fasziniert, schon wie die Herren aussehen. Und dann was sie gemacht haben, einmalig."
Polizeikommissar als Zauberer
Die Herren gehören zur Gilde der ehrlichen Taschendiebe. Seit Jahren gehen sie dorthin, wo sich Menschenmassen tummeln, heute bei einem Oldie-Festival in Hessen. Sie nutzen das Gedränge um Uhren, Handys und Geldbörsen zu klauen. Anführer der Taschendiebe ist Uwe Mettlach.
Uwe Mettlach: "Und hier kann man einfach sehr gut üben. Weil die Leute hier sehr entspannt sind. Wir haben hier ja schon ein bisschen Kultstatus. Und das macht einfach unheimlich viel Spaß hier, in der Gruppe zu klauen."
Im Hauptberuf ist Uwe Mettlach Polizeihauptkomissar. Hier tarnt er sich als Zauberer, zeigt ähnlich wie Archie Clapp Tricks mit Münzen und klaut den Passanten dabei die Uhr vom Handgelenk. Verblüffend für die Umstehenden.
Uwe Mettlach: "Und das ist auch mein Bestreben gewesen, möglichst viele Polizisten und Bühnenkünstler zusammenzubringen, damit wir gemeinsam das Thema Taschendiebstahl nach vorne bringen. Damit´s ein bisschen sicherer wird und damit Prävention auch unterhaltsam wird."
Uwe Mettlach bei einem Zaubertrick mit einer Frau
Im Hauptberuf ist Uwe Mettlach Polizeihauptkomissar, hier tarnt er sich als Zauberer© Deutschlandradio Kultur / Gerhard Richter
Weil es nur Show ist, könne die ehrlichen Taschendiebe hier alles ausprobieren. Ganz einfach, der sogenannte "Abdecker". Scheinbar ortsfremd entfalten die Trickdiebe vor der Nase ihrer Opfer einen Stadtplan, und greifen sich darunter das Handy vom Cafétisch oder die Börse aus dem Rollator. Anspruchsvoller ist der sogenannte Blockertrick. Das Opfer wird von drei Tätern quasi in die Mangel genommen, erklärt Harry Pocket, der als Polizist in Norddeutschland arbeitet.
"Wir haben einen Blocker, der den Geschädigten auflaufen lässt, und dann halt den Zieher, der die Geldbörse an sich nimmt, die Aktion durchführt, dann auch noch den Übergeber, der halt die entwendete Geldbörse übernimmt."
Das braucht es gutes Timing. Zu dritt machen sich die Ehrlichen Taschendiebe ans Werk, und finden auch schnell ein potentielles Opfer in der Menge, ein dicker Mann dem das Portemonnaie aus der Gesäßtasche lugt. Praktisch eine Einladung.
"Die Täter sehen das"
Harry Pocket: "Die Täter sehen das, spähen sie aus und verfolgen dann die Geschädigten bis zu einer Situation, die sie ausnutzen, um die Tat dann zu vollenden."
Archie Clapp schiebt sich vor das Opfer, bückt sich unvermittelt, um seinen Schuh zu binden, der dicke Mann läuft auf, von hinten prallt Harry Pocket gegen ihn und zieht an der Börse. Aber zu ungeschickt, das Opfer hat´s gemerkt. Wütend dreht sich der Mann um und hebt die Faust.
Opfer: "Vorsicht Freund, ganz vorsichtig!"
Harry Pocket: "Ganz cool, ganz ganz cool!"
Harry Pocket erklärt ihm, dass alles nur Spaß war und dass die Gesäßtasche ein ganz schlechter Platz für eine Börse ist. Schlimmer wäre nur noch der Rucksack.
Michael Geister: "Auf keinen Fall gehören Geldbörsen oder Wertsachen in den Rucksack. Da wo man´s nicht merkt. Immer dicht am Körper tragen. Und so wenig wie möglich mitnehmen. So minimiert man die Gefahr, Opfer von Taschendieben zu werden."
Gesundes Misstrauen angebracht
Geister rät zum gesunden Misstrauen: Wenn ein Fremder zufällig Ketchup auf’s Jacket kleckert und dann eifrig den Schaden beheben will, hat er es meist auf die Brieftasche abgesehen. Wenn in der Warteschlange vor dem Nachtclub ein vermeintlich gut gelaunter Partyschwärmer die Wartenden antanzt, dann nutzt er die Nähe zu einem Griff in die Tasche. Jeder fünfte Taschendieb ist unter 18 und es werden immer mehr. Die Aufklärungsquote liegt nur bei sieben Prozent – für die Taschendiebe ein super Geschäft.
Harry Pocket: "Also Taschendiebstahl gab´s ja schon zur Mittelalterzeit, da gab`s den Ursprung der Taschenfledderer oder der Beutelschneider, heute sind es die professionellen Taschendiebe, die durch Europa reisen. Das wird’s immer geben."
Sagt Harry Pocket und taucht in der Menge unter. Glück, wenn man nur vom ehrlichen Taschendieb beklaut wird. Alle anderen verschwinden mit der Beute auf Nimmerwiedersehen.
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