Gibt es Unterschiede in Intelligenz und Wissen zwischen den Bevölkerungen verschiedener Länder?

Moderation: Katrin Heise · 04.12.2007
Die Intelligenz unterscheidet sich zwischen verschiedenen Ländern stark in ihrem Mittelwert, hat der Bildungsforscher Heiner Rindermann festgestellt. Dafür seien neben Umweltfaktoren auch genetische Ursachen relevant. Allerdings schränkt Rindermann ein, dass die Vergleichbarkeit von Intelligenztests von der jeweiligen Definition von Intelligenz abhänge.
Katrin Heise: Die Intelligenz ist nach Ethnien genetisch unterschiedlich verteilt, vermuten Forscher. Ostasiaten wie Chinesen und Japaner sollen demnach schon von ihrem Erbmaterial her intelligenter sein als beispielsweise Buschmänner und Pygmäen. Ich begrüße jetzt Heiner Rindermann, er ist Intelligenz- und Bildungsforscher und Entwicklungspsychologe an der Uni Magdeburg. Er hat eine Tabelle veröffentlicht, in der der durchschnittliche Intelligenzquotient aller Länder verglichen wird. Herr Rindermann, schönen guten Tag!

Heiner Rindermann: Ja, guten Tag.

Heise: Wie kommen Sie zu der These, Intelligenz ist nach Ethnien genetisch unterschiedlich verteilt?

Rindermann: Ob sie genetisch unterschiedlich verteilt ist, wissen wir nicht so genau, also, was wir genau wissen, dass die Intelligenz sich über verschiedene Länder hinweg stark unterscheidet in ihrem Mittelwert, und wir wissen auch sehr genau, dass auf individueller Ebene hierbei neben Umweltfaktoren auch genetische Faktoren relevant sind.

Heise: Wie haben Sie das rausgefunden?

Rindermann: Da gibt es eine sehr umfangreiche Forschungstradition auf individueller Ebene. Man schaut sich natürliche Experimente an, in denen entweder genetische Faktoren identisch sind oder Umweltmerkmale nahezu identisch sind, und ein Paradebeispiel dafür wären eineiige Zwillinge, die in unterschiedlichen Umwelten aufgewachsen sind. Hier hat man festgestellt, dass, obwohl diese Personen in unterschiedlichen Umwelten aufgewachsen sind, sie sich in ihrer Intelligenz sehr stark ähneln. Und ähnliche Studien gibt es auch zum Beispiel mit Adoptivkindern, diese ähneln in ihrer Intelligenz eher den biologischen Eltern als den Adoptionseltern. Nichts desto ... Entschuldigung?

Heise: Ja, ich wollte dazwischenfragen, wie eigentlich Intelligenz gemessen wird, denn Sie sprechen ja immer von der Intelligenz.

Rindermann: Dafür benutzt man in der Regel Papier-Bleistift-Tests mit unterschiedlich schulnahen und bildungsnahen Inhalten. Schulfern wäre zum Beispiel ein Test, in dem man nur mit Figuren arbeitet, man muss dann für diese Figuren richtige Lösungen finden, was zum Beispiel Reihen fortsetzen betrifft und Ähnliches. Oder man nimmt eher bildungsnähere Tests, die mathematische Aufgaben haben, die sprachliche Aufgaben haben oder wie zum Beispiel in den Schulleistungsstudien, die auch relativ intelligenznah sind, kann man auch schulspezifische Inhalte zum Teil abfragen oder Aufgaben mit solchen Inhalten vorgeben, wie Naturwissenschaften.

Heise: Jetzt haben Sie ja schon gesagt, wie unterschiedlich diese Tests sind. Wenn man da den einen mit dem anderen oder auch noch die eine Ethnie, die eine Rasse mit der anderen vergleichen will, was für Tests nimmt man denn da? Denn da spielen ja vielleicht gerade die schulfernen Geschichten eine ganz große Rolle, die Unterscheidung dort.

Rindermann: Für solche Vergleiche ist es besser, figurale Intelligenztest-Aufgaben zu nehmen, also Aufgaben, die Inhalte haben, die nicht in der Schule behandelt werden. Allerdings zeigen sehr viele Studien, dass auch in solchen Aufgaben Bildung positiv wirksam ist. Kinder, die länger in die Schule gegangen sind, können besser solche Aufgaben lösen als Kinder, die kürzer in die Schule gegangen sind oder gar nicht in die Schule gegangen sind.

Heise: Das heißt doch aber eigentlich, dass das, was vielleicht irgendwann mal als Intelligenz genetisch festgelegt ist oder einem Menschen mitgegeben worden ist, doch durch die Umwelt und durch seine Bildung massiv beeinflusst wird.

Rindermann: Das ist richtig. Wir haben immer beides beteiligt, wir haben sowohl die Gene als auch die Umwelt, und wir dürfen auch nicht vergessen, dass es Interaktion gibt. Menschen mit bestimmter genetischer Ausstattung suchen sich eine andere Umwelt aus und beeinflussen auch ihre Umwelt in einer bestimmten Form, wie es ihren Genen eher entspricht und wie sie sich auch dann besser entwickeln können. Also, zum Beispiel Intelligentere gehen eher länger in die Schule, auf Universitäten, und die weniger Intelligenten, die meiden eher solche Umwelten.

Heise: Kehren wir noch mal zu den Tests zurück. Würde uns beispielsweise ... ... Ein Test, der von einem Buschmann zusammengestellt worden ist, der käme doch sicherlich zu einem ganz anderen Ergebnis als ein Test, der von Ihnen zusammengestellt worden ist?

Rindermann: Ja, da haben Sie völlig Recht, es gibt sehr interessante Studien zum Beispiel zum Wegefinden, und da kann man feststellen, dass Naturvölker hier weit besser sind als Europäer. Ich selber war zum Beispiel auch mehrmals im Amazonasgebiet gewesen und ich war dort sehr erstaunt, wie toll zum Beispiel Yanomami-Indianer einen Weg finden können im Regenwald, wo wir keine Berge haben, keine erkennbaren Flüsse und so weiter, und trotzdem auf einer Wanderung von mehreren Stunden wieder genau an den Ausgangspunkt zurückkommen. Das können wir nicht, weil wir es nicht geübt haben.

Heise: Nehmen wir denn aber in unseren Tests auf genau solche Dinge auch Rücksicht?

Rindermann: Eigentlich nicht, es kommt darauf an, wie wir Intelligenz definieren. Wenn wir Intelligenz definieren würden als das Wegefinden in unbekanntem oder nahezu unbekanntem Gelände, dann wären uns Naturvölker höchstwahrscheinlich überlegen.

Heise: Der US-amerikanische Genforschungspionier James Watson hat vor kurzem für Empörung gesorgt, als er sagte, was die Intelligenz verschiedener Ethnien angehe, solle man nicht davon ausgehen, dass wir alle gleich sind, und er wurde dann interpretiert, die Bewohner Afrikas seien genetisch minderwertig. Dafür hat sich Watson entschuldigt, so wolle er nicht verstanden werden. Ähnliche Debatten, Sie haben es ja auch angedeutet, gibt es ja seit Jahrzehnten, aber es bleibt natürlich: Diese These, das eine Volk ist intelligenter als das andere, das wird ganz schnell rassistisch interpretiert.

Rindermann: Ja, das ist richtig, aber wir müssen auch bedenken, dass es natürlich genetische Unterschiede zwischen Völkern nicht nur eventuell in kognitiven Bereichen gibt, sondern auch in anderen Bereichen, ganz simpel, natürlich die Hautfarbe oder weniger simpel, weniger naheliegend: Krankheitsresistenzen. Ein schönes Beispiel wäre vielleicht die Resistenz von Indianern gegenüber in Europa bekannten Infektionskrankheiten, diese bestand bei den Indianern nicht und sie sind dann sehr häufig an diesen Krankheiten gestorben. Es gibt auf jeden Fall genetische Unterschiede zwischen den Rassen, wenn man diesen Begriff wählt, also zwischen Weißen, zwischen Schwarzen und zwischen Asiaten als die drei Großgruppen.

Heise: Da ist es ja, bei dem Medizinischen, da ist es ja noch einsehbar, warum man das erforscht, weil eben Menschen eventuell daran zu Tode kommen, wenn sie der falschen Umwelt ausgesetzt sind, sage ich mal. Aber wozu muss ich eigentlich wissen, ob das eine Volk intelligenter ist als das andere, was bringt mir das?

Rindermann: Vielleicht zunächst mal noch zur Genfrage, ob sich Völker genetisch in der Intelligenz unterscheiden - das wissen wir ja nicht so genau. Wir kennen ja noch nicht die Gene, die für Ausprägung in der Intelligenz verantwortlich sind. Was wir wissen: Es gibt bestimmte genetische Behinderungen wie zum Beispiel Trisomie 21, Down-Syndrom, die zu einer sehr unterdurchschnittlichen Intelligenz führen, aber im Normalbereich kennen wir noch keine Gene und werden wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren noch keine Gene kennen, die dafür relevant sind.

Deshalb sind Erklärungen auf internationaler Ebene oder auf gesellschaftlicher, ethnischer Ebene, rassischer Ebene immer noch etwas spekulativ oder können sich nur auf Plausibilitätserwägungen stützen. Und eine solche Plausibilitätserwägung wäre zum Beispiel, wenn bestimmte Gruppen unter verschiedenen Umwelten stabil unterschiedliche Ergebnisse solcher Intelligenztests zeigen.

Gut, Sie haben jetzt aber gefragt, warum man so etwas erforschen sollte. Die OECD, die macht ja beispielsweise international vergleichende Schulleistungsstudien, um festzustellen, wo Schüler mehr lernen, wo sie über höhere Kompetenzen verfügen, und man nimmt an, dass diese Kompetenzen - auch unter dem Begriff Humankapital - zum Beispiel relevant sind für Wirtschaftswachstum, für wirtschaftliche Produktivität, aber auch für andere, positiv bewertete, gesellschaftliche Phänomene wie zum Beispiel Demokratie, oder auf individueller Ebene zum Beispiel Gesundheit.

Heise: Aber würde man dann nicht weitergehen können und sagen, na, wenn die einen sowieso nicht so intelligent sind wie die anderen, dann hilft das auch nichts, dann werden die auch nie so demokratisch werden wie wir?

Rindermann: Wir wissen ja nicht, ob die Unterschiede so stabil sind. Was man zum Beispiel im 20. Jahrhundert sehr schön beobachten konnte, dass in den westlichen Ländern die Intelligenz von Generation zu Generation angestiegen ist, und zwar beträchtlich. Zum Beispiel Europäer um das Jahr 2000 sind ein bis zwei, manchmal sogar drei Standardabweichungen, also 20, 30, 40 Punkte intelligenter als Europäer um das Jahr 1900. Und solche Unterschiede finden wir heute auf internationaler Ebene zwischen verschiedenen Gesellschaften. Es könnte ja sein, dass die Personen anderer Gesellschaften eben noch nicht so weit entwickelt sind und einfach länger brauchen, oder noch mehrere Jahrzehnte der Modernisierung, intensiverer Bildung, besserer Ernährung, Gesundheit, um auf dieses Niveau zu kommen.

Heise: In die Richtung hat auch Ihr Kollege, der Intelligenzforscher Aljoscha Neubauer von der Universität Graz, gesprochen: Unterschiede sind unbestritten, aber sie sind nicht unveränderlich. Das sagen Sie auch.

Rindermann: Dass sie unveränderlich sind, das wäre natürlich eine sehr gewagte und eventuell falsche ...

Heise: Aber sie sind nicht unveränderlich.

Rindermann: Ja, sie sind nicht unveränderlich, das ist höchstwahrscheinlich richtig, aber wir wissen nicht, ob nicht das Muster der Unterschiede immer gleich bleibt. Es könnte zum Beispiel sein, dass in 100 Jahren auf einem höheren Niveau weiterhin solche Unterschiede bestehen, zum Beispiel, weil Ostasiaten besonders fleißig sind und sie einer Kultur angehören, die Fleiß sehr honoriert und diese Art von Kultur ändert sich auch nicht so schnell im Vergleich zum Beispiel zur europäischen oder schwarzafrikanischen oder sonstigen Kulturen.

Heise: Immer, wenn man solche Sachen so hört, und ich habe es ja vorhin auch schon angesprochen, geht es ja im übertragenen Sinne auch um die Wertigkeit der Rassen. Man macht sich ganz schnell den Vorwurf, setzt man sich dem Vorwurf aus, rassistisch zu argumentieren.

Rindermann: Wir können ja bestimmte Unterschiede zunächst einmal nicht negieren, und wir können auch nicht empirische Fakten negieren. Bewertungen haben wir jetzt erst mal eigentlich nicht vorgenommen, wir haben nur darüber gesprochen, inwieweit Umwelt- und Genfaktoren vielleicht für internationale Unterschiede relevant sind. Dass dies dann von anderen Personen vielleicht rassistisch interpretiert werden kann und auch falsch benutzt werden kann, das ist möglich, richtig, missbraucht, sagen wir mal, missbraucht werden kann.