Gewerkschaften im Wandel

"Festanstellung ist kein Auslaufmodell"

ILLUSTRATION - Ein Anstecker des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB mit einer Mai-Nelke und ein Sticker mit der Aufschrift "Mehr ist fair!" liegen am 01.05.2016 während einer DGB-Kundgebung auf dem Straßenpflaster des Marktplatzes in Wernigerode (Sachsen-Anhalt).
"Zeit für mehr Solidarität" lautet das Motto des DGB zum heutigen "Tag der Arbeit". Für den Politikwissenschaftler Wolfang Schroeder sind Gewerkschaften heute wichtiger denn je © picture alliance / dpa /Matthias Bein
Wolfgang Schroeder im Gespräch mit Nicole Dittmer · 01.05.2016
Gewerkschaften stehen für "Sicherheit im Wandel", meint der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder: Sie böten Orientierung und Sicherheit in einer sich stark verändernden Gesellschaft. Für viele neue Arbeitsverhältnisse fehlten Rechtsformen, kritisiert er.
In einer Gesellschaft des digitalen Wandels sind Gewerkschaften besonders wichtig, so lautet die Einschätzung von Wolfgang Schroeder, Kasseler Politikwissenschaftler und früherer Gewerkschaftsfunktionär:
"Wenn sich alles verändert, dann braucht es ja auch neue Orientierung und neue Sicherheiten. Und ich glaube, ein entscheidendes Wort, das man mit Gewerkschaften sehr positiv in Zusammenhang bringen muss, ist: Sicherheit im Wandel."

Entsteht ein neues "Digitalprekariat"?

Schroeder geht auch auf Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel zum Tag der Arbeit am 1. Mai ein: Dieser hatte bessere soziale Bedingungen für die Arbeit im Internet gefordert und vor einem neuen, scheinselbständigen "Digitalprekariat" gewarnt:

"Das Wichtige ist schon, dass man planbare Verhältnisse hat. Und insofern ist die Festanstellung kein Auslaufmodell, sondern nach wie vor das Regelmodell. Jetzt wissen wir aber, dass das nicht so bleiben wird. Insofern müssen sie [die Gewerkschaften] auch für Leute, die als Selbstständige tätig sind, Ansprechpartner sein."

Veränderung von Arbeitsverhältnissen

Schroeder verweist auf grundlegende Wandlungen in Arbeitsprozessen:
"Dass die ehemals handwerklich-maschinell, auf Arbeitskraft unmittelbarer Art aufbauende Ökonomie sich stärker immaterialisiert, dass sie stärker in abstrakten Formen sich abspielt. Dafür haben wir zur Zeit überhaupt keine Rechtsformen. Wir wissen nicht: Wie werden sich die Arbeitsverhältnisse verändern? Wie wird sich durch neue Formen der Rationalisierung überhaupt die Zahl der Arbeitsverhältnisse verändern?"

Gewerkschaften stehen für Qualifikation

Die Qualifikation von Arbeitnehmern sei jedoch eine Kategorie, die Gewerkschaften weiterhin stark beeinflussen könnten, sagt Schroeder:
"Und dafür stehen die Gewerkschaften. Sie versuchen also, über Weiterbildung und Bildung die Voraussetzungen für die Teilnahme am Arbeitsprozess zu verändern, zu verbessern. Und das ist ein entscheidender Beitrag der Gewerkschaften zur Zukunft der Arbeit, der gerade die jungen Menschen anspricht."
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