Gesellschaftsroman

Die feine englische Art

Von Marius Meller · 17.01.2014
Lange nach ihrem Tod erscheint ein weiterer Roman von Elizabeth Taylor in deutscher Sprache: Über den Weg einer Frau zur Emanzipation. In Deutschland bis vor Kurzem unbekannt, wird Taylor in England mit Jane Austen verglichen.
Die englische Schriftstellerin Elizabeth Taylor (1912-1975) hat es in der Google-Welt schwer, sich neben der Hollywood-Diva Taylor zu verteidigen, aber sie verteidigt sich tapfer. Doch in der Literaturwelt sind die Gesetze anders, und ein Filmstern kann durchaus gegen nachhaltigen literarischen Ruhm verblassen. In England hochgeschätzt, aber selten gelesen, mit Jane Austen verglichen, war Taylor in Deutschland bis vor kurzem unbekannt.
Dem Dörlemann Verlag ist es nun zu verdanken, dass bereits ein zweiter Roman in einer eleganten und aufrichtigen Übersetzung von Bettina Abarbanell erscheint, in einer Ausgabe "ausgewählter Werke". Das Versteckspiel (im Original: A Game of Hide an Seek) ist ein Gesellschaftsroman angesiedelt mitten im 20. Jahrhundert. Von den Zeitläuften, vom Krieg und den Hungerjahren erfährt man nichts oder allenfalls ein Stichwort in einer der zahlreichen Tee-Konversationen oder Sherry-Partys.
Die Virtuosität Taylors umfasst nun diese verschieden, vielfältigen Stimmen vom Gassenjungen bis zum Unternehmer. Sprachlich jongliert sie sozusagen im Unscheinbaren. Sie erfindet die bescheidene und präzise Sprache der Hauptfigur Harriet, die zynische, kokette, flirtende des Liebhaber Vesey, die vulgäre der dauernst betrunkenen Kitty.
Eine fast utopische Emanzipation
Harriet traut sich als junge Frau nicht, ihre Kinderliebe zu erobern und heiratet nicht den phantasievollen bunten Vogel Vesey, sondern den Spießer Charles. Nach vielen Jahren tritt Vesey wieder in ihr Leben und die Verwicklungen beginnen. Eher: Die Schattierungen und Andeutungen von möglichen Verwicklungen, denn das Gros an Romanzeit ist dem Tee- oder Sherrygespräch gewidmet. Taylor ist Feministin in ihrer genauen Beobachtung der Weiblichkeit um die Mitte des Jahrhunderts. Die älteren Damen beim Tee auf der Vorkriegszeit waren noch Suffragetten.
Das Kommunikations-Panorama, das in einer nichtgenannten Kleinstadt bei London erst das eigentliche Leben ausmacht, bildet Taylor realistisch ab. Durch die Dramaturgie der Dialoge und der Weltbilder, die sich allmählich abzeichnen, wirkt Taylors Prosa aber viel moderner als ihre recht konventionelle Konstruktion zunächst zu zeigen scheint. Darin liegt eine Stärke des Textes, sein "Understatement": Die Rede kann sekundenschnell von Belangslosem zu tiefen Themen wechseln ohne grell oder bemüht zu wirken, darin liegt Taylors Kunst.
Für Harriet ist die Ehe noch eine absolute Größe, für Vesey eine Posse neben vielen anderen. Harriet ist auf dem Weg der Emanzipation, aber noch ganz am Anfang. Taylor zeigt also ein Latenzstadium der zunehmenden weiblichen Selbstbewusstheit, ohne den Jargon der Diskurse einzubauen. Taylor deutet aus dem Scheitern ihrer Protagonisten eine fast utopische Emanzipation an, die Frau wie Mann gleichermaßen betrifft – bei ihr entwickelt sie sich aus den traditionellen Geschlechterrollen heraus und nicht gegen sie.
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