Gesellschaft

Was tun gegen die Angst vor dem Islam?

Die türkische Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin.
Die türkische Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin. © picture alliance / dpa / Maja Hitij
Von Kemal Hür · 17.01.2015
Selbstverständlich gehört der Islam zu Deutschland. Diese Realität müssen wir endlich anerkennen, meint der Journalist Kemal Hür. Muslime und Politiker sieht er dabei gleichermaßen in der Pflicht, den Nicht-Muslimen die Ängste zu nehmen.
Die Diskussion, ob der Islam nun zu Deutschland gehöre oder nicht, ist nichts anderes als die Debatte, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei. Wo vier Millionen Muslime dauerhaft und viele als deutsche Staatsbürger leben, ist diese Diskussion unnötig, absurd und kontraproduktiv. Sie führt nur dazu, dass sich Teile der Muslime, besonders die hier geborenen Jugendlichen, politisch und gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen. Das ist Wasser auf die Mühlen der islamistischen Extremisten.
Die Politik sollte stattdessen nach Wegen suchen, die Gesellschaft zusammenführen. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nun den Satz aufgegriffen und wiederholt hat, dass der Islam zu Deutschland gehöre, ist ein notwendiges Statement und ein positives Signal. Aber - und das mag sich jetzt merkwürdig anhören - dieses Signal kommt nicht zur richtigen Zeit.
Die Muslime erwarten keine Symbolpolitik
Eine junge arabischstämmige Muslima aus Berlin brachte es auf der Mahnwache der Islamverbände am Brandenburger Tor auf den Punkt. Sie sagte: Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff war glaubwürdiger, als er diesen Satz aussprach; denn es war keine Reaktion auf einen Terroranschlag. Das ist bemerkenswert. Denn diese Aussage der Berlinerin unterstreicht: Die Muslime erwarten keine Symbolpolitik, sondern sie wollen über Lippenbekenntnisse in Krisenzeiten hinaus das Gefühl haben, dass sie wirklich als gleichberechtigte Bürger akzeptiert werden.
Die Zeit dafür ist günstig. Es war ein starkes Signal des Zusammenhalts, das die muslimischen Verbände zusammen mit der gesamten Staatsriege bei der gemeinsamen Mahnwache ausgesendet haben. Das darf aber keine einmalige symbolische Aktion bleiben. Die Politik muss klar und verständlich erklären, dass wir uns in einer gesellschaftlichen Transformation befinden, dass Deutschland multiethnischer und multireligiöser geworden ist.
Die Mehrheit der Deutschen hat Angst vor dem Islam
Menschen verschiedener Herkunft und Religion dürfen sich nicht angstgesteuert voneinander entfernen, wie die Pegida-Bewegung das versucht. Der Handlungsbedarf ist groß: Nach einer aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung hat die Mehrheit der Deutschen Angst vor dem Islam. Für mich ist das keine Überraschung; denn der Islam, den die Menschen wahrnehmen, ist nicht der privat gelebte friedliche Islam, sondern er zeigt sich den Menschen in den Nachrichten in Form von Terroranschlägen, von Barbaren, die Andersgläubige enthaupten, von Boko Haram, die hunderte Menschen töten. Natürlich dürfen wir nicht die Muslime und die muslimischen Verbände damit in Verbindung bringen und unter Generalverdacht stellen.
Alle Täter berufen sich auf denselben Koran
Sie wären aber glaubwürdiger, wenn sie sich auch zu ausgepeitschten Bloggern in Saudi Arabien, zu Steinigungen von Frauen in Iran, zum Terror von Boko Haram in Nigeria oder zu Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei äußern würden. Es reicht nicht aus, zu sagen, der Terror habe nichts mit dem Islam zu tun. Denn alle Täter berufen sich auf denselben Koran. Ob berechtigt oder nicht, das müssen die islamischen Gelehrten und Theologen klären. Denn das heilige Buch der Muslime ruft Gläubige genauso zur Friedfertigkeit auf wie zum Töten von Ungläubigen.
Gleichzeitig muss aber auch die Politik ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen. Sie muss aufhören, die Muslime in Deutschland immer nur zu Objekten zu machen - zu Objekten der Sicherheitspolitik nach islamistischen Anschlägen oder zu Wahlkampfzwecken. Muslime sind Teil der Gesellschaft und damit selbstverständlich auch ihre Religion. Ja, der Islam gehört zu Deutschland - mit der Bereicherung, die er mit sich bringt, aber auch mit all den Problemen und Herausforderungen. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Das ist unsere Realität als Einwanderungsland.
Mehr zum Thema