Gesellschaft für Freiheitsrechte

Das "Datenhehlerei"-Verbot und die Pressefreiheit

Der Hashtag #panamapapers auf einem Bildschirm.
Skandale wie der um die Panama Papers wären ohne Whistleblower kaum aufzudecken gewesen. © imago/STPP
Von Michael Meyer · 13.01.2017
Sogenannte Whistleblower helfen, illegale Praktiken aufzudecken. Journalisten beklagen aber, dass ihre Informanten kaum vom Gesetz geschützt seien. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat jetzt sogar Verfassungsbeschwerde eingelegt - gegen einen neu geschaffenen Paragrafen im Strafgesetzbuch.
Daten sind das Gold der Internetwirtschaft - kaum eine neue Geschäftsidee kommt ohne sie aus, und auch Kriminelle schöpfen immer mal wieder Daten ab, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen, Kreditkarten - oder Bankdaten etwa. Genau dagegen richtet sich der bereits gültige Paragraf gegen "Datenhehlerei", im Strafgesetzbuch zu finden unter der Nummer 202d. Doch dieser Paragraf richtet sich eben nicht nur gegen Kriminelle, sondern auch gegen Whistleblower, die einen Missstand aufdecken. Das neue Gesetz bedroht Informanten und Datenanalysten, meint Markus Beckedahl, Chefredakteur von "Netzpolitik.org":
"Also das Ziel des neuen Straftatbestands der Datenhehlerei war, nach Angaben der Bundesregierung, eine Schutzlücke zu schließen, um besser gegen Menschen vorgehen zu können, die illegal und kriminell Daten weiter verkaufen. Wir haben damals bei Beschluss des Gesetzes, das war im Anhang der Vorratsdatenspeicherung versteckt schon, darauf hingewiesen, dass es auch wie ein Damoklesschwert über investigativ arbeitende Journalisten hängen kann, weil die Arbeit von vernetzten Redaktionen auch kriminalisiert werden kann."
Das Gesetz sieht zwar ausdrücklich eine Ausnahme für Journalisten vor, wenn sie im Rahmen ihrer hauptberuflichen Tätigkeit Daten entgegennehmen. Aber: Whistleblower, und vor allem auch Dritte, wie Analysten, Juristen oder Mediziner würden sich durch das neue Gesetz strafbar machen, wenn sie in Kontakt mit geleakten Informationen kommen.

Journalisten befürchten "Chilling-Effects"

Was das für die Kooperationsbereitschaft von Informanten und Analysten in der Praxis bedeutet, kann man sich vorstellen: Sogenannte "Chilling-Effects" seien zu befürchten, sprich: Aus Angst vor Verfolgung verzichtet ein Informant möglicherweise lieber auf eine Zusammenarbeit. Wie heikel investigative Recherchen sind, und wie sehr Journalisten auf Kooperation angewiesen sind, darüber berichtete Peter Hornung, NDR-Hörfunkjournalist. Er hatte unter anderem an der umfangreichen Recherche zu den Panama-Papers mitgearbeitet:
"Nun können Sie die Dokumente, die in diesem Leak drin sind, kaum verstehen, wenn Sie kein Steuerexperte oder Jurist sind und zwar mit einer speziellen Ausrichtung. Denen können wir auch nicht den Zettel von weitem unter die Nase halten, sondern die brauchen natürlich gewisse Papiere, um Vorgänge analysieren zu können. Nur so können wir sie verstehen, nur so können wir auch zum Beispiel sagen, das könnte etwas Strafbares sein, oder das ist es nicht, dadurch, dass sie aber nicht mehr geschützt sind in diesem Fall, und quasi unter diesen Datenhehlerei-Paragrafen fallen, wenn sie sich damit beschäftigen, werden die Leute natürlich zurückhaltend."
Erschwerend kommt hinzu, dass Journalisten in solchen Fällen eigentlich fairerweise sagen müssten, dass es hierzu einen Paragrafen gibt, die derartige Informationsweitergaben unter Strafe stellen. Spätestens dann dürfte es mit der Kooperationsbereitschaft zu Ende sein. Auch viele Ehrenamtliche, oder nebenberufliche Journalisten, die oft eine wichtige Wächterfunktion in der Gesellschaft erfüllen, dürften sich durch das neue Gesetz eingeschüchtert fühlen.
Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen ist besonders erbost darüber, dass ausgerechnet Deutschland dieses neue Gesetz eingeführt hat, einem Land mit an sich guter Praxis beim Thema Pressefreiheit:
"Weil das glaube ich ein verheerendes Signal ist, wenn aus einer durchaus gefestigten Demokratie wie Deutschland mit einem solchen Straftatbestand Journalisten de facto und de jure praktisch auch eingeschüchtert werden. Und wir als Organisation sind letztlich auch selber betroffen, weil wir eine Organisation sind, die selber auch recherchiert, Leaks zugespielt bekommt, und vor allen Dingen bei sensiblen Dingen wie Überwachungstechnik, aber ein ganz wichtiges Anliegen mit dieser Klage ist es uns auch, dass wir uns eine höchstrichterliche Klarstellung erhoffen dessen was eigentlich unter das Pressefreiheitsprivileg, unter den Schutz des Journalismusprivilegs fällt."

Verfassungsbeschwerde wird vermutlich dieses Jahr verhandelt

Gerade Diktaturen und autoritäre Staaten könnten sich im negativen Sinne nun etwas abschauen aus Deutschland. Auch Katharina de la Durantaye, Professorin für bürgerliches Recht an der Humboldt-Uni in Berlin fürchtet, dass angesichts des schlecht formulierten Gesetzes Informanten sich nicht mehr an Journalisten wenden werden, denn der Quellenschutz sei derzeit nicht mehr gewährleistet:
"Was werden sie dann stattdessen tun? Es gibt eigentlich zwei Alternativen, entweder sie schweigen, oder sie stellen das Material auf WikiLeaks oder veröffentlichen es sonstwie, auf eine wilde Weise, eine unkontrollierte Weise, ohne diese professionelle Einrahmung, die Journalisten bieten können und das kann, das haben wir auch in der Vergangenheit gesehen, zu erheblichen Kollateralschäden führen."
Das neugegründete Bündnis Gesellschaft für Freiheitsrechte hat nun Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, diese ist bereits zugelassen worden und wird voraussichtlich noch in diesem Jahr verhandelt. Das Bündnis hofft, dass das ganze Gesetz gekippt und neu formuliert wird. Möglich ist aber auch, dass nur einzelne Passagen moniert werden. Das Wort haben in dieser Sache nun die Verfassungsrichter.
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